9. Todeskampf

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Der nächste Tag fing gut an. Ich reiste durch einen Eichenwald, schlug mich durch hüfthohes Gras und watete durch das Wasser eines weiteren Sumpfs, in dem ich einem schleimigen, grünlich-durchsichtigen Wesen begegnete, das nur wie ein einziger Block aussah. Es hüpfte vor mir davon, wobei es ein schmatzendes Geräusch von sich gab. Mir war das nur Recht. Einmal fand ich sogar einen wunderschönen, tiefen Wasserfall, bei dem ich mich direkt an die Kante setzte, die Beine baumeln ließ und die weite Aussicht betrachtet. Ich wunderte mich nicht einmal mehr, dass ich keine Höhenangst mehr hatte wie in meinem 'früherem Leben', wie ich es jetzt nannte, sondern genoss den Augenblick.

Als jedoch die viereckige Sonne sich dem Horizont zuneigte und die Schatten sich länger zogen, wurde mir innerlich kalt. Ich rieb mir die Arme, während die Dunkelheit im Tannenwald um mich herum zunahm. Meine Aufwärmversuche brachten nichts. Ich begann zu zittern, und ich hörte meine Zähne klappern. Ein fauchendes Geräusch ließ mich zusammenfahren, und angestrengt spähte ich in die undurchdringlichen Schatten. Dann machte es wieder irgendwo in meinem Kopf 'Klick', und mit einem Schlag schien alles wieder wie ausgeleuchtet. Eine mittlerweile vertraute, gleichgültige Ruhe ergriff von mir Besitz und neutral musterte ich meine Umgebung. Ich registrierte, wie die Monster um mich herum durch die Nacht gingen, ich nahm sie wahr, als würden ihre Körper wie Signalfackeln brennen, und der Mond tauchte alles in seinen silbrigen Schein. Doch ein Licht brannte heller als die anderen, schmerzte schon fast...

Ein sirrendes Geräusch ertönte und fast mechanisch trat ich einen Schritt zur Seite und fing den Pfeil auf, der von hinten auf meinen Kopf gezielt hatte. Dann wirbelte ich herum, den Pfeil wie einen Speer im Anschlag, und schleuderte ihn. Er traf direkt neben der Person in einen Baumstamm. Ich legte, nicht mal außer Atem, den Kopf schief und betrachtete die Gestalt, die den Bogen noch immer nicht gesenkt hatte, genau. Sie war nicht sonderlich aufregend gekleidet, eine lange Jeans, blaue Schuhe und ein grauer Kaputzenpullover mit einem unkenntlichem roten Emblem trugen zu einem eher lässigen Aussehen bei, und er hatte die gleiche Körperform wie ich, nur etwas größer. Doch dieser Junge hatte leuchtende, blaue Augen unter braunem, fransigem Haar, die mich unverwandt ansahen. Irgendetwas an ihnen war seltsam...

Ich kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, denn der nächste Pfeil in meine Richtung riss mich in die 'Wirklichkeit' zurück. Ich wich ihm aus und sprang nach vorne, drückte den Jungen mit den Beinen von mir weg und riss ihm gleichzeitig den Bogen samt angelegtem Pfeil aus den Händen. Ich landete sicher mit beiden Beinen, spannte die Sehne und richtete den Pfeil diesmal auf die Stelle, an der ich sein Herz vermutete. Ich zögerte, denn eigentlich wollte ich ihn nicht töten... Er war der erste Mensch den ich traf.

Doch dann sah ich wie er plötzlich, ohne Vorwarnung, ein Schwert nach mir schwang, auch wenn ich außer Reichweite war. Es glänzte nicht, war grau wie Stein, doch auch so eine stupfe Schneide konnte Verheerendes anrichten, das wusste ich instinktiv. Ich musste einem Schlag nach meinem Arm ausweichen, was den Bogen zerschmetterte, parierte aber den nächsten aber mit meinem eigenem Schwert. Ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken woher es kam, Schlag folgte auf Schlag, aber als ich ihn nach einem besonders heftigen Ansturm mit meiner eigenen parierenden Klinge weit zurückstieß, bekam ich genug Zeit, mein anscheinend aus der Luft aufgetauchtes Schwert zu betrachten. Es glänzte diamanten, und schien leicht zu leuchten. Das war mal eine Waffe. Neue Kraft durchströmte mich, und diesmal ging ich zum Angriff über. Ich schlug präzise und elegant zu, nutze die Lücken in seiner Verteidigung, wohingegen er sich bewegte, als hätte er nicht nur einen, sondern gleich mehrere Stöcke verschluckt. Meine Schwertspitze streifte ihn mehr als einmal, doch kein Blut trat aus, wie ich es erwartet hätte, sondern die Stellen leuchteten kurz rötlich auf, was ich mir nicht erklären konnte, mich aber nicht im Kampf behinderte. Immer und immer wieder brachte ich Treffer an, legte Kraft und stille Wut in Schwertstreiche, die ihn erzittern ließen, wenn er sie überhaupt parieren konnte. Dann war es so weit: Er führte einen Schlag gegen meinem Kopf, ich erkannte meine Chance, schlüpfte darunter hindurch, drückte ihn an einen Baum hinter ihm und hielt ihm mein Schwert an die Stelle, wo der Kopf in den Körper überging, die Kehle. Siegessicher wollte ich zudrücken, doch ich machte den Fehler, ihm ins Gesicht zu schauen.

Diese Augen!

Sie leuchteten nicht nur, sie schienen mich regelrecht aufzusaugen. Und etwas war da in ihren Tiefen, etwas...

Meine Augen weiteten sich. Wie erstarrt blickte ich in dieses leuchtende Blau, und auf das, was dahinterlag...

Ein Gesicht. Nicht das, was ich normal sehen konnte, sondern ein überraschtes, menschliches Gesicht. Ich konnte es nicht fassen. Also gab es die normale Welt da draußen noch, und durch die Augen dieses Jungen konnte ich sie sehen, als wären sie Ferngläser, bei denen ich nur von der falschen Seite hineinsah, sodass alles viel weiter weg wirkte. In diesem Fall war ich tatsächlich unglaublich weit von der normalen Welt entfernt, so weit, wie es nur ging...

Plötzlich kam Bewegung in den Jungen, sodass ich zurückstolperte und mein Atem stockte. Das Blau seiner Augen streifte mich, und schweifte dann von meinem Gesicht nach unten. Ich folgte dem Blick und schrie kurz auf. Fassunglos starrte ich auf den grauen Griff des Schwertes, das aus meinem Bauch ragte. In diesem Moment nahm ich nicht wahr, wie sich der Junge umdrehte, und seltsam stockend davonrannte, und auch nicht, wie ein paar glühende Augen auftauchte und mich musterte. Und schon gar nicht sah ich den jungen Mann namens Hadron, der schweißgebadet vor seinem Computer saß und sich fragte, wie das da gerade passiert war, und was zum Teufel er sich dabei gedacht hatte.

Ich legte nur wie in Trance meinen einen Armstumpf um den Griff, zog das Schwert heraus und legte den anderen auf die Wunde. Dumpf betrachtete ich das leuchtend rote Blut, das unter der eckigen Hand hervorrann und auf den Boden tropfte. Ich entspannte nur meinen Kopf und ließ ihn auf den Boden sinken, obwohl ich mich nicht erinnern konnte, mich hingelegt zu haben. Der Himmel über mir verschwamm zu Grau, ich konnte nur träge blinzeln. Alles schien sich wie in Zeitlupe zu bewegen, und mein letzter Gedanke, bevor ich in samtigen Schwarz versank, war, dass die Sterne diese Nacht nicht leuchteten.

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Wie schon erwähnt, sagt mir eure Meinung! :D

Verkehrte Welt (Minecraft ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt