Ich drückte mir meine dunkel gefärbte Lederkappe tiefer ins Gesicht und steckte die Hände in die Taschen.
Neben mir hatte sich auch Aeleo den schwarzen Helm über die Augen gezogen, aber ich spürte wie sie aufmerksame Blicke nach links und rechts austeilte. Ich schaute mir ebenfalls die Umgebung genau an, wenn auch eher interessiert als misstrauisch. Diese Stadt war mit einfachen Worten fast nicht zu beschreiben! Wenn Kalra schon voll gewesen war, dann war Breers zum Übermaß vollgepackt mit Leuten, Gerüchen, Läden, und Häusern. An jeder Ecke stand irgendein Ausrufer, und auf mehrspurigen Gleisen in der Mitte der Straßen fuhren Monster sowie Kisten in kleinen Karren hin und her. Insgesamt schien hier alles im Großformat zu existieren: Die Straßen waren so breit, dass man von einer Seite zur anderen sechzehn Blöcke zählte, von den mehr als hundert Blöcke hohen Gebäuden ganz zu schweigen. Es war auch alles viel moderner: Die meisten Hochhäuser waren verglast, die Niedrigeren aus glatten Materialien erbaut. Das Ganze hatte etwas von einer verlorenen Kultur; eine Mischung aus Antike und Moderne.
Als meine Verbündete und ich um eine Straßenecke bogen, nachdem wir sicherlich den halben Tag schon herumgelaufen waren, offenbarte sich uns eine neue, atemberaubende Aussicht: Vor uns erstreckte sich ein gigantischer Platz. Der Boden bestand aus gemustertem weißen Stein, mit Einlassungen aus glimmerndem Gold. Bäume standen in akkuraten Reihen am Rand und Blumen wuchsen zwischen ihnen. Genau in der Mitte des Ganzen ragte ein Turm hervor, ebenfalls aus weißem Stein erbaut und doch extrem elegant. Streben gaben ihm den Eindruck von Hohheit und trotz seiner enormen Größe wirkte er filigran.
"Das ist der Palast." wisperte die Hexe mir zu. "Dort befinden sich Gemächer die der jetzige König regelmäßig benutzt, und dort sind auch einige höhere Generäle der Armee untergebracht. Es ist das eigentliche Ziel unserer Angriffe hier. Wenn wir da reinkommen, haben wir die Stadt so gut wie erobert."
Ich betrachtete den Turm mit neuem Interesse. Dort wo der der zeitige König schlief... Warte mal! Ich hatte doch einen König getötet! Klar, der Erlan hatte gesagt dass es vier Königreiche gab, also war die Wahrscheinlichkeit geringer dass es gerade dieser König war - aber trotzdem. Wenn wir sicher in der Basis waren, würde ich einen Weg finden festzulegen, wen ich da überhaupt temporär ermordet hatte. Was mich zu einem anschließendem, etwas düsterem Thema brachte. Ich hatte getötet - klar, ich hatte mich dabei selbst, sowie letzten Mittag auch meine Partnerin verteidigt - aber es machte mir Sorgen dass ich so... gleichgültig damit umgehen konnte. In meinen Gedanken waren sie eine Gefahr gewesen, also hatte ich sie ausgeschaltet. Noch schlimmer; jetzt wo ich mir bewusst war dass der König überlebt hatte, spürte ich in meiner Brust eine Unruhe, ein Wispern in meinem Ohr das mir mitteilte dass ich ihn aufsuchen musste, dass ich sicherstellen musste dass er diesmal unten blieb - und es machte mir Angst. Doch was sollte ich tun? Ich bezweifele dass es hier Psychologen gab, geschweige denn solche die sich mit plötzlichen übernatürlichen Kräften auseinandersetzen könnten.
So in Gedanken versunken ließ ich mich von Aeleo weiterführen, immer tiefer in das Gewirr der Gassen. Je weiter wir uns vom Turm entfernten, desto dunkler und stiller wurde es. Die Leute waren nicht mehr so fröhlich wie zuvor, liefen nicht mehr auf der offenen Straße und beeilten sich, schnell voranzukommen. Ich begann schon, mich ein bisschen unwohl zu fühlen, als Aeleo vor einer winzigen, dimmen Gasse anhielt und mir ebenfalls bedeutete, stehenzubleiben. Neugierig suchte ich die engen Wände nach etwas ab, das Hinweis auf eine geheime Rebellenbasis sein könnte, fand aber nichts. So sah ich nur die Hexe erwartungsvoll an. Die sagte erst nichts, sondern ging in die Hocke und tastete die Wände ab. Nach ein paar Augenblicken schien sie gefunden zu haben was sie suchte, denn auf einmal ertönte ein Klicken und Schaben wie Stein auf Stein. Staundend sah ich, wie sich die Blöcke der Wand in den Boden senkten und einen Tunnel freigaben. Ich wartete, bis Kami aufgestanden und sich den Staub vom Rock geklopft hatte, dann folgte ich ihr in den feucht riechenden Gang. Es gab weder Fackeln noch sonstige Beleuchtung, und ich musste mich auf meine gute Nachtsicht selbst durch meine Augenbinde hindurch verlassen. Kami schien kein Licht zu brauchen denn sie bewegte sich so sicher die Stufen hinab, als ob sie den Weg auswendig kannte. Was wahrscheinlich auch der Fall war. Wir waren schon ein gutes Stückchen nach unten gekrakelt, als Aeleo plötzlich aus heiterem Himmel fragte: "Wie viel weißt du vom ersten Kaiser?"
Schnell antwortete ich: "N-nicht viel, nur dass er vor langer Zeit die Völker der Monster regierte, die Könige ernannte und dann verschwand."
Sie schwieg wieder, die Stille schwer zwischen uns, dann begann sie zu erzählen:
"Die Legende besagt, dass der erste Kaiser vor tausenden von Jahren noch ein einfacher Player war. Doch er wurde von seinen eigenen Leuten im Stich gelassen als er versuchte Frieden zu bringen, und sie Verstößen ihn. Auf seinen seiner einsamen Wanderungen stieß er auf eine Kraft, von der niemand genau weiß, was sie ist, aber die ihn 'reinigte' und seine weißen Augen und Kräfte zur Folge hatte. Zuerst wollte er es nicht glauben, doch nachdem er seine Macht erkannte, suchte er Rache." Sie hielt kurz inne. "Nicht das das heißen soll, Rache sei rein, aber selbst wenn er nun erleuchtet war, der Kaiser war immernoch zum Teil Player, und Players sind gewaltsüchtige Wesen. In seiner Rachsucht vereinte er die Monster unter sich, um diejenigen, die ihm Unrecht taten, zu vernichten. Jedoch vergaß er, dass die Players, denen er einst traute, seine Schwachstellen kannten. Als es schon schien, dass der Kaiser sie alle besiegen würde, versteckten sie sich und lockten ihn in eine Falle. Die Players rissen ihn in ein dunkles Loch das zum Ende aller Dinge führte. Nun sagen die Könige, er hätte noch die Herrscherrassen auf die vier Königreiche aufgeteilt, jedoch wissen wir Rebellen, dass er sie nur auf kurze Zeit ernannte und plante, bald von seinem Rachefeldzug zurückzukehren. Das Interessante ist, dass die Herrscherrassen niemanden außer ihren engsten und vertrauenswürdigsten Mitgliedern Zugang zu den 'beweisenden' Dokumenten geben." Ihre Stimme wurde bitter.
"Und ist es nicht unglaublich praktisch, dass alle Experten, die sich diese 'Beweise' ansehen, auf mysteriöse Weise verschwinden bevor sie etwas Abweichendes sagen konnten?
Das Problem ist, du kannst niemandem etwas wegnehmen, das nicht existiert. Die Könige haben keine Dokumente die ihre endlose Herrschaft rechtfertigen! Aber solange sie sie nicht zeigen müssen, können sie das trotzdem behaupten. Also müssen wir, die Rebellen, die originellen Dokumente bekannt machen, sodass sie nicht vortäuschen können die Rechte zu besitzen. Ganz ehrlich, ich habe schon fast aufgehört die vielen Male zu zählen, in denen wir Mitglieder auf Missionen zum Stehlen der Original-Dokumente verloren haben. Hoffnung ist ein knappes Gut in diesen Zeiten. Deshalb möchte ich dich bitten, mir zu erlauben, ihnen deine Erinnerungen vom Kampf gestern zu zeigen."
Wie bitte?!
Ich stoppte abrupt und sah sie mit einem ungläubigen Blick an.
"Du könntest ihnen Hoffnung bringen. Ein erfolgreicher Kampf würde sie aufmuntern, und dir gleichzeitig helfen dich zu integrieren. Keiner wird an deiner Blindheit meckern wenn sie sehen dass du trotzdem kämpfen kannst!"
Mein erster reflexartiger Gedanke war natürlich, ihre Forderung abzulehnen. Was sollte das heißen, 'ihnen meine Erinnerungen zeigen'? Falls es hier möglich war... Jeder würde sehen was der letzte Zombie gesehen hatte. Unannehmbar. Doch dann dachte ich darüber nach, was sie da eigentlich gesagt hatte - es würde helfen, mich zu integrieren - und mir wurde klar, dass dies ein letzter Test war. Aeleo hatte bisher noch kein einziges Mal nach dem Kampf gefragt, und was ich als blindes Vertrauen abgetan hatte stellte sich nun als clever vorbereitete Falle heraus. Sollte ich ablehnen hieße das, das ich etwas zu verbergen hatte das ich der Rebellion nicht zeigen wollte. Was in keinem Fall ein Kriterium für potentielle Rekruten sein konnte. Wie kam ich nur da raus ohne meine Augen zu offenbaren? ...Meine Augen.
In diesem Moment schoss mir eine aberwitzigen Idee durch den Kopf. 'Augen der Macht', so hatte Shevon sie bezeichnet. Was sollten das für 'Augen der Macht' sein, wenn sie nicht ein paar kleine Details einer Erinnerung manipulieren könnten? Mein Experiment mit dem Erlan hatte bewiesen dass ich allein durch meine Konzentration Dinge verändern konnte War es so ein weiter Sprung zwischen mir selbst und meinen Erinnerungen?
Nun... Vielleicht sollte ich ersteinmal herausfinden wie das Ganze funktionieren sollte...
"Ich habe noch nie in meinem Leben so etwas getan. Tut das nicht weh?"
"Beim Nether, nein!" lachte sie, "Ein einfacher Umgebungsspruch um eine auf Weißstein projektierte Erinnerung sollte genügen um eine Erinnerung von außen zu zeigen. Keine Möglichkeit irgendwie verletzt zu werden, körperlich or geistlich."
Oh, Oh das klang besser als alles was ich mir vorgestellt hatte. Wenn die Erinnerung von außen gesehen werden würde würde ich mir bis auf den letzteren Teil der Erinnerung keine Sorgen machen müssen. Und ich würde das schaffen, davon musste ich mich selbst überzeugen. Meine Rückkehr nach Hause ging davon ab.
"Dann kann ich mich damit abfinden."
Aeleo lächelte und holte Luft, als ob sie etwas sagen wollte... Gerade als ein Schrei von weiter unter uns ertönte. Selbst in der Dunkelheit des Ganges sah ich, wie ihr Gesicht erbleichte. Ohne ein weiteres Wort, schon fast synchron, stürmten wir den Rest der engen Treppe hinab. Unten angekommen klickte sie auf etwas, riss die Eisentür auf, und rannte hindurch, mit mir dicht auf den Fersen. Instinktiv zog ich mein Schwert aus wo-auch-immer ich es herhatte (ehrlich; ich hatte keine Ahnung wo das hinging) und hielt es der am aggressivsten wirkenden Person an die Kehle. Das Monster, einer dieser Schwein-mutanten-zombies, quiekte erschrocken und ließ seinen Gefangenen fallen, der wahrscheinlich einer der Rebellen war, wenn man sich die zusammengewürfelt aussehende Ausrüstung mal so ansah. Mit Schwung brachte ich ihn zu mir und Kami, die wie eine Statue weiter hinter mir im Raum stand, und brachte den geschockten Soldaten zwischen mich und die anderen Personen im Raum.
Kurz herrschte Stille, dann: "Wer zum Brine bist DU?"
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Verkehrte Welt (Minecraft ff)
FanfictionMinecraft. Das endlose Spiel der Blöcke. Das tückische Spiel von Herobrine. Das Spiel, in dem ich jetzt gefangen bin. Und das Spiel, das so viel mehr verbirgt als es scheint... Mir gehört Minecraft nicht, sehr wohl aber die Charaktere in diesem Buch...