Aus der Sicht von Eric Slingby:
Ich schlüpfte durch das Fenster in meine Küche und nahm den Earl Grey Tea vom Regal, so wie immer nach der Arbeit. In den letzten fünf Tagen habe ich noch 30 Seelen gesammelt. Es war anstrengend, aber ich musste es tun. Es fehlen noch einige und ich bekomme erst morgen früh von der Obrigkeit eine neue Liste in einem anderen Gebiet zugeteilt. Ich habe 83 Seelen. Mir fehlen noch 16. Sebastian sehe ich nur noch selten, er steckt mitten in den Prüfungen, aber er kommt trotzdem manchmal vorbei um zu sehen, wie es mir und Alan geht. Und manchmal bringt er noch Seelen mit. Die Zeit wird immer knapper, Alan hat inzwischen schon täglich schlimme Anfälle.
Ich ging die Treppen runter und klingelte bei Alan. Das war gar nicht so einfach, mit den Teetassen. Ich drückte mit meinem Ellenbogen gegen den Klingelknopf und während ich wartete, verbrannte ich mir fast die Finger an den Tassen. Als Alan dann endlich die Tür öffnete, stürzte ich sofort in die Wohnung und stellte die heißen Tassen ab. "Hi Eric, wie schön, dass du vorbeikommst!" Freute sich Alan. Ich erschrak bei seinem Anblick, er wirkte noch blasser und kränklicher als zuvor. An seinem Hals war der bläuliche Schatten der Dornen zu sehen. Ich schluckte. "Äh, hallo Alan, wie geht es dir?" Brachte ich mühsam heraus. Alan wandte den Blick ab. "Bitte, reden wir nicht darüber," flüsterte er. "Okay." Ich machte mir wirklich Sorgen um ihn. "Eric, hier steckst du also!" Rief eine Stimme hinter mir. Ich zuckte zusammen, wusste aber sofort, dass es Sebastian war. "Hallo, Sebby!" Riefen Alan und ich wie aus einem Mund. Wir sahen uns an und lachten beide, wobei Alans Lachen in ein Husten überging. "Hier," sagte Sebastian und berührte mein Pentagramm, das zu kribbeln begann. "Tut mir leid, es sind nur zehn. Mehr Zeit hatte ich nicht." Entschuldigte sich Sebastian. "Schon okay. Es sind jetzt schon 93, das ist doch gut!" Freute ich mich und sah dabei einen leichten Hoffnungsschimmer in Alans Augen aufblitzen. "Nur noch sechs, das schafft ihr doch, oder? Mir bleiben vielleicht noch zwei Tage." Lächelte er traurig. Ich wechselte das Thema. "Alan, ich habe dir was mitgebracht." Er blickte neugierig auf und ich hielt ihm eine Tüte hin. Beim Anblick der Tüte grinste er. "Manga? Ist der neue Teil von Black Butler etwa schon draußen?" Fragte er glücklich und sah in die Tüte. "Ja, erst seit heute." Antwortete ich und freute mich insgeheim darüber, dass ich ihn ablenken konnte. "Supi!! Danke, Eric! Du hast recht, vor meinem Tod muss ich das noch gelesen haben!" Er war so glücklich. "Alan, jetzt hör doch mal damit auf! Du wirst nicht sterben." Seufzte ich. "Das weiß man nie." Er hustete wieder und wischte sich schnell mit dem Ärmel etwas Blut vom Mundwinkel.
Sebastian stupste mich an. "Ich muss wieder gehen, wer weiß, was Sutcliff gerade anstellt." Erklärte er bedauernd. "Ich komme so bald wie möglich wieder." "Schon gut." Erwiederte ich lächelnd. "Es freut mich zu hören, wie pflichtbewusst du deiner Arbeit nachgehst." "Ich tue das nur, weil ich dein Butler bin. Außerdem kann man Grell nicht lange alleine lassen, ohne es später bereuen zu müssen." Er verbeugte sich leicht vor mir - und weg war er.
Aus der Sicht von Sebastian Michaelis:
Ich beeilte mich, schnell wieder zu Thomas Wallis zurückzurennen. Ich erwartete zu sehen, wie Grell gerade irgendetwas anstellte, wenn ich nicht da war. Aber es war nichts von ihm zu sehen. Er hatte wohl keine Lust, zu arbeiten. Egal. Ohne ihn komme ich besser klar. Aber ich machte mir trotzdem ein bisschen Sorgen. Wo treibt er sich eigentlich rum?
"Ähem." Räusperte sich jemand hinter mir. Da stand William und sah mich vorwurfsvoll an. "Ja?" Fragte ich vorsichtig. Was macht er hier? Musste er nicht woanders sein? "Passen Sie bitte auf, wo sich Sutcliff rumtreibt. Er hat mich jetzt schon dreimal während der Arbeit belästigt. Ich wollte Sie nur warnen, nicht dass er noch etwas Dummes anstellt. In diesem Fall wären Sie mitverantwortlich." Er sah sich um. "Übrigens, wo ist er denn?" Fragte er. Ich zuckte mit den Schultern. "Woher soll ich das wissen? Gestern ist er abgehauen. Jetzt ist er irgendwo und macht, was er will." "Dieser rothaarige Bastard!" Ärgerte sich William leise. "Nun gut. Es ist Ihre Pflicht, ihn zurückzuholen. Ich muss wieder zurück zu Mr. Knox." Er verabschiedete sich und ging davon.
Das ist jetzt ja wirklich klasse. Ich muss diesen Typen beobachten und ein Protokoll über sein Leben führen, währenddessen so gut es ging Seelen sammeln und jetzt musste ich auch noch nach diesem rothaarigen Perversling suchen. Und morgen soll dieser Typ sterben. Ich weiß noch immer nicht, ob er den Tod verdient hat oder nicht. Außerdem musste ich ständig Bedenken haben, das Claude es auf die Seelen abgesehen hat. Bei meinem früheren Herrn hatte ich es wirklich leichter. Da musste ich nur gut Kuchen backen können und noch ein paar andere Kleinigkeiten erledigen. Aber wenn man einen Shinigami als Herrn hat... wie sollte ich das nur anstellen?
Na gut. Eine Stunde. Aber nur eine Stunde werde ich dafür verschwenden, Grell zu suchen, keine Sekunde länger. Ich ging zu meinem üblichen Aussichtsplatz, die Spitze vom Big Ben. Ich saß dort eine Viertelstunde lang. Dann streifte ich 45 Minuten lang durch die Stadt, aber es war nichts von ihm zu sehen. Okay, ich fliege jetzt noch ein allerletztes Mal über die Stadt. Wenn ich ihn dann nicht finde, Pech.
Ich wechselte in meine Rabengestalt und suchte ihn. Aber er war absolut nirgends. Ich gab es auf. "Er kommt schon wieder." Murmelte ich zu mir selbst. "Und wenn er wiederkommt, bekommt er ganz sicher wieder Ärger mit William." Ich grinste und lief zurück zu Thomas Wallis. Er saß in seinem Zimmer und schrieb an seinem Roman.
Nach einer Weile hörte ich ein Miauen und spürte, wie sich etwas weiches an mein Bein schmiegte. Die Katze, die mir immer hinterherläuft. Ich beugte mich zu ihr und streichelte sie, das beruhigte mich ein wenig. Sie ist so wunderschön. Ich liebte Katzen über alles. Hunde mochte ich nicht besonders, sie waren mir zu gehorsam. Ich kannte kein Tier, das so schön und edel war wie eine Katze. Außerdem reden sie kein unnötiges Zeug wie die Menschen, sie können nämlich nicht sprechen. Natürlich gab es auch in meiner Welt Haustiere, aber so ein Monster würde ich mir nie zulegen. Die Katze legte sich vor mir auf den Boden und ließ sich von mir kraulen. Dabei schnurrte sie entspannt. "Hast du eigentlich nichts besseres zu tun, als Katzen zu streicheln?" Fragte jemand. Als ich aufsah, stand Grell vor mir. Die Katze fauchte ihn an und stellte sich kampfbereit vor mich hin. Bestimmt war sie verärgert, weil er ihre Massage unterbrochen hat. "Oh, wie süß, sie scheint dich zu mögen!" Lachte Grell. Murmelnd fügte er hinzu: "Ich hasse Konkurrenz. Kann ich nicht einmal einen Basti für mich alleinhaben??"
Ich stand auf. "Grell, wo um alles in der Welt warst du? Ich habe die ganze Stadt nach dir abgesucht!" Schrie ich ihn an. "Jetzt werd doch nicht gleich so wütend! Ich habe doch nur mal eine kleine Pause gemacht!" Verteidigte er sich. "Eine kleine Pause? Das war ein ganzer Tag!" Fauchte ich. "William war schon da und hat sich über dich beschwert!" "Oh, Will? Hach, ich hätte da sein sollen...♥" seufzte Grell verträumt. "Wenn du das nächste mal einfach so abhaust, dann..." fing ich an. Grell unterbrach mich genervt. "Jaja. Schon gut! Jetzt geh mal nicht so an die Decke. Ich hab eben eine Auszeit gebraucht." "Die kannst du haben." knurrte ich. "Wenn du deinen Job verlierst! "
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Black Butler - Another Tale
FanfictionIn der modernen Welt des 21. Jahrhunderts ist derTeufel und Butler Sebastian arbeitslos und streift ziellos durch London. Doch dann schließt er unerwartet einen Vertrag mit einem Shinigami. Als wäre das nicht schon schlimm genug muss er, um sein Geh...