Wüstenleuchten

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Ich ziehe mir mein Tuch wieder fester um den Kopf und Hals, um mich vor der Hitze zu schützen. Meine Freude, endlich angekommen zu sein, entgleitet mir, wandelt sich um. Enttäuschung, die ich nicht zulassen wollte, wird entfacht. Ich stehe direkt davor.

»Sieh sie dir an.«

»Was?«, entkommt es mir fast schreiend auf das rau Geflüsterte nahe meinem Ohr. Ich drehe mich um, doch ... da ist niemand. Was ist denn jetzt bitte los? So wenig habe ich jetzt nun auch nicht geschlafen.

»Sieh sie dir an.«

Einbildung. Das ist bloß eine Einbildung. Was soll es auch sonst sein? Ich schüttle mich kräftig durch, wobei ich mich umschaue, ob mich jemand blöd angafft wegen meines merkwürdigen Verhaltens aufgrund dieser kuriosen Halluzination oder wie auch immer ich es nennen soll. Na, zum Glück bin ich wohl unbeobachtet geblieben. Mit dem nächsten Schritt auf meinem Weg flackern schwarze Pünktchen in meinem Sichtfeld auf, wodurch ich noch einmal innehalten muss. Schwindel?! Kreislauf?! Was ist denn heute mit mir los?

Die Sonne brennt sich erbarmungslos in meine Haut. Ist es deswegen? Meine Hand an der Stirn beweist mir jedoch, dass meine Temperatur im Normbereich liegen muss. Alles gut also. Stell dich mal nicht so an, tadele ich mich selbst. Mach jetzt mal, dass du da reinkommst, sporne ich mich wieder an. Und gelange dadurch wieder zu meinem Anliegen.

Mir selbst zunickend, öffne ich schwungvoll die Tür ­­– die viel zu gigantisch für dieses Kleinunternehmen ist –, um ins Innere stolzieren zu können. Mittels ersten inneren Check, indem ich überprüfe, dass meine Haltung gerade ist, meine Schultern gestrafft sind und ich meine Präsenz ausstrahle, fühle ich mich unmittelbar wieder energiegeladener und kann mich auf meine für mich vorliegende Aufgabe fokussieren.

»Beobachte sie mal kurz.«

»Fuck ... ähm ...« Schnell hebe ich mein Handy in die Luft, was ich eh in der linken Hand habe und halte es an mein Ohr. »Fackeln wären super dazu«, spreche ich hinein. Nur ein Nasenkräuseln des Empfangspersonals, ansonsten scheint alles in Ordnung. Außer meinem Herzen vielleicht. Es pumpt und klopft. Irgendetwas stimmt doch nicht mit mir. Ein paar Schritte – immer noch mit dem Handy am Ohr – schreite ich weiter durch den Eingangsbereich, in dem meine Klick-Klack-Schuhe, die ich nicht ausstehen kann, aber für solche Auftritte wiederum liebe, widerhallen. An einer Ecke lasse ich die Hand sinken und befühle noch einmal meinen Kopf.

»Mit deinem Kopf ist alles gut. Also ... Na ja. Zumindest so, wie du es denkst. Jetzt schaue doch bitte mal hin.«

­»Wohin genau?« So unauffällig wie möglich drehe ich mich in diesem Winkel. Immer noch kann ich niemanden ausmachen. »Rede ich­­ nun mit mir selbst? Großartig.« Seufzend hebe ich erst meine Arme und lasse sie dann resigniert fallen.

»Geduld. Habe doch ein wenig Geduld.«

»Keine Zeit dafür.« Beim nächsten Schritt flackern erneut Pünktchen um mich herum auf. Zudem wird mir tatsächlich etwas schummrig und kurzzeitig kann ich nicht genau bestimmen, ob mir heiß oder kalt ist. Ein widerliches Gefühl, was mich dazu drängt, mich mit dem Rücken an die Wand in der Ecke anzulehnen. Irgendetwas stimmt hier ganz gewaltig nicht. Mein Körper ... Das Gefühl ... Es fängt an, sich zu drehen ... Gleich kippe ich um ...

»Siehe hin! Bitte. Los los!«, wird mir freudig aufgeregt mitgeteilt, doch ich bin noch viel zu sehr mit dem ekelhaften Gefühl meines Körperzustandes beschäftigt. Nun stupst mich auch noch plötzlich jemand in die Seite.

»Ey, was soll das? Das ist nicht witzig. Hast du deine Brille vergessen? Siehst du nicht, dass ...« Oh. Als ich meinen Kopf anhebe, um der Person direkt in die Augen sehen zu können, die ich gerade anscheißen will, blicke ich in ein fröhliches Kindergesicht mit strahlend hellgrünen – fast gelben – Augen. Sie funkeln wie zwei Sterne oben am Himmel in der Nacht. Faszinierend. Doch irgendetwas ist hieran komisch. Woher kommt das Kind plötzlich? Und ... Nein ... Unmöglich ... Schnell drehe ich mich um, wobei ich bemerke, dass mein Schwindel verflogen zu sein scheint. Schlafe ich? Bin ich am Träumen? Auf jeden liege ich nicht auf dem Boden, so wie ich vermutet hatte. Wieder ein Stupsen in meine Seite.

KNALLeffekteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt