Öffne mich, wenn ... Ich spüre, wie sich meine Lippen sachte bewegen wollen.
Durch Zufall habe ich ihn entdeckt, wollte ich doch nur endlich mal aufräumen. 'Klar Schiff machen', wie alle immer so gerne sagen. Und dann das. Damit habe ich nicht gerechnet.
Zurücklegen und einfach weiter machen.
Ich sortiere und mache und eigentlich tue ich nichts davon. Immer wieder wandert mein Blick dahin. Es bringt mich völlig aus dem Konzept.
Wollte sie das? War das ihr Wunsch? Oder hatte sie ihn vergessen? Was soll das jetzt?
Ach, was kann sie denn dafür? Nichts.
Aber ich auch nicht.
Ich muss hier raus. Ich kann doch jetzt hier nicht einfach weiter putzen und sortieren. So als wäre nichts, als hätte ich ihn nicht gefunden.
Ich verlasse den Raum direkt durch die Terrassentür. Hibbelig gehe ich hin und her. Unentschlossen, was ich nun mit diesem Tag machen soll, blicke ich immer mal wieder hinein in den Raum, wende meine Augen aber wieder ab. Zu schmerzvoll.
Sie hat mich verlassen.
Durch die andere – zum Glück ebenfalls geöffnete – Tür zur Terrasse betrete ich die Wohnung und setze mich auf den Sessel.
Warum und wie ich hier noch wohnen kann, fragen mich viele. Warum denn nicht? Es ist mein Zuhause, hier fühle ich mich wohl.
Öffne mich, wenn ..., schießt es mir wieder durch den Kopf. Ich muss an mein Versprechen denken. Aber gehört das jetzt noch dazu? Das kann ja bloß ein doofer Zufall oder blödes Missgeschick sein. Ich weiß nicht, ob ich den Inhalt erfahren möchte.
Dennoch. Wie oft sie mir eine Freude damit bereitete. Oft mit kleinen aufmunternden Briefchen oder zu bestimmten Anlässen oder Situationen. Wenn ich mal meinen Frust nicht unter Kontrolle halten konnte oder so. Dann kam sie und überreichte oder legte mir einen Umschlag hin.
Öffne mich, wenn ... war auf der einen Seite geschrieben. Um den Anlass herauszufinden, sollte ich ihn umdrehen. Um zu enthüllen, ob es passt.
Einmal stand dort auf der anderen Seite ... du Luft rauslassen musst. Den habe ich sofort aufgerissen! Mir kamen drei – nicht aufgepustete – Luftballons entgegen. Ich musste sofort lachen und sah sie im Augenwinkel, schelmisch am Grinsen. Das hat ja schon direkt gutgetan. Aber auch die Ballons aufzupusten, das war wirklich super. Und wie süß sie war.
'Ich glaube immer an dich, Nora' und 'Du bist stark' und 'Jetzt ist die Luft raus' hatte sie auf die Ballons geschrieben. Je mehr ich Luft in die Ballons ablassen konnte, desto besser kamen jene Buchstaben zum Vorschein.
Ein leichtes Lächeln zupft an meinen Lippen. Sie glaubte wirklich immer an mich. Ich ebenso an sie.
Diese Umschläge taten mir gut, es war nichts Aufgezwungenes, sondern etwas Schönes, was ich gerne annahm. Sie konnte mich auf eine wundervolle Weise runterbringen.
Jetzt ist sie nicht mehr an meiner Seite.
Öffne mich, wenn ... Ich habe nur diese Seite gesehen, die andere wagte ich gar nicht anzuschauen. Sollte ich auch jetzt noch an mein Versprechen denken und es einhalten? Was würde sie wollen?
Wie hältst du es nur mit diesen ganzen Erinnerungen aus, werde ich ständig angesprochen. Für mich klingt es oft nach einem Vorwurf statt einer Frage.
Hier fühle ich mich ihr nah. Ich möchte sie auch nicht vergessen, sie soll in meinen Erinnerungen bleiben. Es sind doch schöne Erinnerungen. Natürlich bin ich traurig, unfassbar traurig und an manchen Tagen schmerzt es mich so sehr, dass ich kaum Luft bekomme, aber unsere Zeit will ich nicht auslöschen. Das hätte sie nicht verdient.
Wie ich hier mit ihr schöne Abende auf dem Sofa oder unseren zwei unterschiedlichen Sesseln, die wir uns einander gegenüber gestellt haben, verbracht habe. Wie wir uns kennen und lieben gelernt, unser Zuhause eingerichtet, uns gestritten und versöhnt haben. Nichts davon möchte ich missen.
Ja, ich muss ohne sie an meiner Seite weiterleben, aber nicht ohne sie in meinen Gedanken.
Öffne mich, wenn ...
Ich erhebe mich und gehe langsam wieder in ihr Zimmer, der einst ihr Rückzugsort war. Es ist sowieso schon schwer für mich, diesen Raum zu betreten, es war und irgendwie ist es auch immer noch ihr Reich. Alles steht noch so an seinen Platz.
Heute war der erste Tag, an dem ich ihr Zimmer betreten konnte.
Ich gehe an ihren Schreibtisch heran ... und nehme den Umschlag in die Hand. Mein Herz klopft ganz wild.
Öffne mich, wenn ...
Ich drehe ihn um.
... du so weit bist.
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KNALLeffekte
Historia Corta◦𝗞𝗡𝗔𝗟𝗟𝗲𝗳𝗳𝗲𝗸𝘁𝗲 - 𝗘𝗶𝗻𝗲 𝗦𝗮𝗺𝗺𝗹𝘂𝗻𝗴 𝘃𝗼𝗻 𝗸𝗹𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗞𝗻𝗮𝗹𝗹𝗲𝗿𝗻 - 𝗞𝘂𝗿𝘇-𝗚𝗲𝘀𝗰𝗵𝗶𝗰𝗵𝘁𝗲𝗻◦ Zu Themen, wie Sehnsucht | Vertrauen | Gefühle | Action | Liebe | Freundschaft | Entwicklung | u.v.m., aber schaut doch...