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A/N: Dies war eine Oneshot-Sammlung zu Wednesday Addams und Tyler Galpin, die sich unerwarteter Weise zu einer zusammenhängenden Geschichte entwickelt hat. Deswegen ist der Übergang zwischen den Kapiteln sprunghaft und es gibt etliche Zeitsprünge. Dennoch hat die Geschichte einen roten Faden und ein klares Ziel, auf das die Handlung hinausläuft.

Es wird zu Spoilern kommen, was die gesamte Handlung der ersten Staffel betrifft.

In dieser Geschichte werden sensible Themen angesprochen und behandelt, deshalb Triggerwarnung für:
Manipulation, Folter, Vernachlässigung, Kindesmisshandlung, Bodyhorror (angedeutet), Suizidgedanken (explizid), suizidales Verhalten (explizid), Panikattacken, Depressionen (angedeutet), Gewalt, Schmerz.

Ich werde vor den entsprechenden Kapiteln separat nochmal darauf hinweisen, wenn etwas explizid beschrieben wird.

Disclaimer: Ich habe keine Rechte an den Figuren und ich verdiene hiermit kein Geld.

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Wednesday hatte geglaubt, immer die Kontrolle zu haben. Vor allem, was ihre Gefühle anging. Sie wusste, dass Beziehungen, welcher Art auch immer, im Leben wichtig und entscheidend waren, vielleicht hatte sie auch deshalb begonnen, Enid und Eugene als ihre Freunde zu akzeptieren. Und genauso merkte sie aber auch, dass sie begann, in Tyler mehr zu sehen als nur einen Freund, und es machte ihr Angst, es verunsicherte sie. Wenn man sich jemandem öffnete, machte man sich automatisch verletzbar, und sie hatte sich oft genug gefragt, warum man das tun sollte. Sie war bisher immer sehr gut allein zurechtgekommen, also warum sollte das nicht auch weiterhin funktionieren? Wenn man romantische Gefühle für eine andere Person entwickelte, war es sehr wahrscheinlich, verletzt zu werden, weswegen Wednesdays Strategie momentan darin bestand, einfach zu ignorieren, dass ihr Herz schneller schlug, wenn sie mit Tyler redete. Sie weigerte sich, sich von jemand anderem abhängig zu machen, doch genau das würde passieren, wenn sie sich darauf einlassen würde und sie war nicht so naiv zu glauben, dass Beziehungen immer so harmonisch waren, wie die ihrer Eltern. Es war nicht unwahrscheinlich, dass ihr das Herz gebrochen werden würde, und darauf konnte sie getrost verzichten.
Doch mittlerweile genoss sie es sogar ein bisschen, in der Anwesenheit von anderen Menschen zu sein, zum mindesten, wenn diese Menschen Enid, Tyler oder Eugene hießen, und ob sie es sich eingestand, oder nicht, aber damit begann sie automatisch, ihre Prinzipien zu hinterfragen.

Als ihre Gedanken zu Eugene wanderten, verschlechterte sich Wednesdays ohnehin schon miserable Laune noch weiter. Sie fühlte sich schuldig, dass er nun im Koma lag, immerhin hatten sie zusammen zu der Höhle gehen wollen und auch wenn sie nicht wusste, ob das Monster sie nicht trotzdem angegriffen hätte, wenn sie ihn begleitet hätte, hätte sie vielleicht irgendetwas tun können, um das Geschehene zu verhindern. Ihr war bewusst, dass es eigentlich nur Wunschdenken war, und dass es an ein schieres Wunder grenzte, dass Eugene als einziges Opfer des Monsters überhaupt überlebt hatte, die Schuldgefühle blieben dennoch.

Der Himmel vor dem Fenster verdunkelte sich mit jeder Minute mehr und es dauerte nicht lange, bis die Regentropfen gegen das Glas prasselten. Gedankenverloren blickte sie auf das vor sich liegende Blatt Papier, nicht wissend, was sie eigentlich hatte schreiben wollen. Die Hausaufgaben, die Thornhill ihnen aufgab, waren für Wednesday normalerweise nicht schwer zu lösen, hatte sie doch eine Mutter, deren Leidenschaft die Botanik war, weswegen sie schon früh viel über Pflanzen gelernt hatte, vor allem über die giftigen und fleischfressenden. Das Thema begeisterte sie nicht so sehr wie ihre Mutter, dennoch konnte Wednesday nicht leugnen, ein Interesse daran entwickelt zu haben, und sei es nur, um sich das Wissen anzueignen, mit welchem pflanzlichen Gift man Leute am effizientesten aus dem Weg räumen konnte.
Die Schwarzhaarige merkte, dass sie heute wohl nichts mehr zu Papier bringen würde, und trotzdem ihr tausend Gedanken durch den Kopf wanderten, schaffte sie es nicht, sich auf die Hausaufgaben zu konzentrieren. Und so legte sie den Füller und das Papier zur Seite und griff stattdessen nach dem Buch, das neben ihr auf dem Tisch lag.
Umberto Ecos „Der Name der Rose" war schon immer eines ihrer Lieblingsbücher gewesen. Die Morde waren grausig schön, der Schreibstil angenehm und letztendlich hatte sie solche Art von Geschichten schon immer gemocht, inspirierten sie sie doch auch zu ihren eigenen Romanen.

Erst als Tyler sie zwei Wochen darauf, nach der Überraschungsparty in Crackstones Gruft, die zu keiner Party geworden war, als sie im Weathervane saß, darauf ansprach, dass sie ihm aus dem Weg ging, wurde Wednesday bewusst, dass sie es tatsächlich, ohne es wirklich selbst zu bemerken, getan hatte. Sie hatte ihn gemieden, weil sie sich nicht mit sich selbst, und den Gefühlen, die sie für Tyler zu entwickeln begann, auseinandersetzen wollte. Noch war sie nicht bereit dafür, immerhin musste sie erst mal herausfinden, wer hinter den Angriffen steckte, danach konnte sie sich immer noch mit sich selbst und Tyler auseinandersetzen, doch die Identität des Monsters herauszufinden, stand erst mal an oberster Stelle.

Als sie dann ihre beiden Freunde austrickste, damit sie sie zur Gates-Villa begleiteten, konnte sie nicht verhindern, dass die Angst nach ihr griff, als sie einige Zeit darauf seine Stimme vernahm: „Schnell raus hier. Es ist da!" Wednesday spürte Enids Präsenz hinter sich, sie vernahm Tylers schmerzerfüllten Schrei und ein reißendes Geräusch, sah den Schatten des Monsters an der Wand. Doch sie unterdrückte ihre Furcht, sie wusste, dass sie jetzt rational bleiben musste, also tat sie das Einzige, was ihr in diesem Moment einfiel. „In den Speiseaufzug, los", befahl sie und schob Enid resolut in die Richtung, welche sofort die Tür öffnete und hineinkletterte, dicht gefolgt von der Schwarzhaarigen.
Wenige Minuten später, auch wenn es sich für Wednesday anfühlte, als wäre die Zeit viel langsamer vergangen, kroch sie hinter dem Werwolf durch die Fensterluke nach draußen. Doch während Enid in den Wald rannte, zögerte sie nicht, in die entgegengesetzte Richtung zu laufen. „Wednesday, was zum Teufel tust du da?", hörte sie die entsetzte Stimme von Enid. „Wir müssen zurück und Tyler holen."
„Aber das Monster ist dort drin." Sie konnte nicht leugnen, dass sie der Anblick von Tylers Verletzung erschreckte, auch wenn sie es tunlichst vermied, ihre Besorgnis zu zeigen. Schon wieder war jemand ihretwegen verletzt worden, schon wieder überkamen sie Schuldgefühle. Auch wenn sie entscheidende Informationen über die Vorgänge und den Mörder erlangt hatte, fragte sich Wednesday, ob es das wert war, wenn dafür ihre Freunde verletzt wurden. Sie schob es auf pures Glück, dass Tyler von der Kreatur nur verwundet worden war, denn sie wusste, dass er auch genauso gut hätte tot sein können.

Irgendwie konnte sie sogar verstehen, dass der Sheriff ihr daraufhin verbot, sich weiter mit seinem Sohn zu treffen, dennoch merkte Wednesday, dass ihr die Aussicht, Tyler nicht mehr sehen zu dürfen, überhaupt nicht gefiel. Gleichzeitig schämte sie sich ein wenig dafür, dass ihr erst durch die Gefahr, in die sie Tyler und Enid gebracht hatte, bewusst geworden war, dass er ihr tatsächlich mehr bedeutete, als sie sich eingestehen wollte.

Doch vielleicht würde sie doch noch den Mut finden, und ihm das auch zeigen. Sie war nicht feige, sie war nur vorsichtig. Ihr Vertrauen verschenkte sie nicht willkürlich, aber letztendlich hatte es Tyler geschafft, sich ihr Vertrauen zu verdienen, nicht umsonst hatte sie ihn gefragt, als sie den Standort des alten Versammlungshauses suchte, auch wenn sie genauso gut jeden anderen hätte fragen können. Doch es war gleichzeitig auch ein guter Vorwand gewesen, um ihn zu sehen, also hatte sie diesen genutzt. Und sie hatte mit der Zeit festgestellt, dass ihr Tylers Gesellschaft weit aus lieber war, als die von Xavier, Wednesday war die geradezu obsessive Art des Thorpe unangenehm, es erinnerte sie zu sehr daran, dass auch ihre Mutter von Garrett Gates gestalkt worden war, und auch wenn Xavier das bei ihr nicht tat, war er ihr dennoch unheimlich, in seiner Anwesenheit fühlte sie sich mehr als unwohl. Sie empfand nichts für Xavier, nicht einmal freundschaftliche Gefühle, dass er immer wieder unaufgefordert ihre Nähe suchte, ging ihr deshalb tierisch auf die Nerven.

Wednesday war sich bewusst, dass sie einen Fehler begangen hatte, sie hätte ihre Freunde nicht einfach in Gefahr bringen dürfen, es war unverantwortlich und fahrlässig von ihr gewesen. Schweren Herzens musste sie Enid bei diesem Punkt recht geben, auch wenn sie trotzdem versuchte, ihr Verhalten damit zu rechtfertigen, des Rätsels Lösung wieder einen entscheidenden Schritt näher gekommen zu sein. Doch tief im Inneren wusste sie, dass sie es sich nie hätte verzeihen können, wenn Tyler tatsächlich getötet worden wäre, daher entschied sie sich dazu, niemals mehr derart gedankenlos zu handeln, oder wenn überhaupt, nur sich selbst einem solchen Risiko auszusetzen, damit nicht wieder andere aufgrund ihrer Leichtsinnigkeit zu Schaden kamen. Und sie nahm sich vor, sich bei Gelegenheit für ihr Fehlverhalten bei Tyler zu entschuldigen.

Sie hatte ihn fast umgebracht, da war sie ihm sogar eigentlich mehr als das schuldig, und vielleicht war das Anlass genug, über ihren Schatten zu springen und ihm zu zeigen, wie wichtig er ihr geworden war.

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A/N: Ich würde mich wirklich sehr über Votes und Reviews freuen, wenn es euch gefallen hat.

LG, Mare.

Der Seele tiefster SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt