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Vertieft in die Arbeit vergesse ich die Zeit vollends - nicht so Maya. Mit einem leisen klopfen an der Tür kündigt sie sich an. Mittlerweile trägt sie legere Kleidung, ganz anders als ich. Ich habe immer noch den Smoking für die Hochzeit an. " Ja? " frage ich leicht genervt, aber nicht weil sie mich gestört hat, sondern wegen eines Auftrags, den ich wohl oder übel nicht rechtzeitig fertig bekomme. " Es ist 18 Uhr. Das Essen steht bereit. Soll ich dir etwas bringen oder isst du unten? " fragt sie. Sie hält sich also an die Vereinbarung denke ich so bei mir und stehe auf. Ein paar Handgriffe später habe ich wenigstens die Jacke des Smokings ausgezogen und hänge sie zu der Krawatte über meinen Stuhl.

Ich folge Maya in die Küche und bleibe neben der Kochinsel stehen. Allein der Duft der aus den Kochtöpfen strömt lässt mich die Opfer die ich die nächste Zeit über bringen muss fast gänzlich vergessen - zumindest für eine Weile. Neugierig hebe ich den Deckel eines Topfes an und spähe hinein. " Was ist das? " frage ich. Maya lässt sich Zeit mit der Antwort, stellt noch ein Glas an meinen Platz in der Essecke und widmet sich dann mir. " Fasolada. " antwortet sie knapp. " Ein Rezept meiner Großmutter. Als Kind habe ich die meiste Zeit meiner Ferien bei ihr in Griechenland gelebt und Fasolada zählt dort fast schon als Nationalgericht. "
Ich nicke. Maya hat also griechische Wurzeln, scheint mir - eine Sache, die ich nicht gewusst habe.
Generell weiß ich wenig über diese Frau, aber unser Deal beinhaltet auch keine ausschweifenden Unterhaltungen über das eigene Leben, also lasse ich diese Info einfach unkommentiert und setze mich. Der Tisch ist für zwei gedeckt, was nur bedeuten kann das wir gemeinsam essen, aber Maya überrascht mich ein wenig. Statt ihr sitzt mir wenig später Tanner gegenüber, der sich das Essen regelrecht hinein schaufelt. Maya hingegen ist verschwunden.

Einige Zeit später und mit vollem Magen laufe ich in mein Schlafzimmer. Es wird Zeit diesen unbequemen Smoking auszuziehen, bevor ich mich wieder an die Arbeit mache. Die ganze Sache mit der Hochzeit hat viel Zeit in Anspruch genommen - Zeit die mir jetzt eindeutig fehlt. Wenn ich will das der Auftrag doch noch rechtzeitig fertig wird, werde ich Überstunden schieben müssen, was aber nicht so schlimm ist. Es lenkt mich davon ab mein derzeitige Leben zu betrauern, das bereits jetzt - gerade am Anfang - trist und eintönig wirkt.

Als ich zurück in mein Büro komme bleibe ich abrupt stehen. Maya steht am wandhohen Regal  das gefüllt ist mit Büchern und Zeitschriften. Früher hatte ich die Zeit stundenlang zu lesen, heute bin ich froh wenn ich einen Moment finde bei dem ich einfach nur die Augen schließen kann. Trotzdem habe ich es nie übers Herz gebracht all die alten Bücher von Bekannten Schriftstellern weg zu räumen. Diese Sammlung verleiht dem Zimmer einen gewissen Charme - der wohl auch auf andere wirkt. " Kann ich dir helfen? "
Maya erschrickt bei dem Klang meiner Stimme und zuckt zusammen. Dann sieht sie mich unschuldig an. " Ja, äh. Ich wollte fragen ob es in Ordnung ist wenn ich mir Tanner morgen ausleihe... Für zwei Stunden? Ich muss etwas erledigen. "
Ich verstehe die Frage nicht - dann fällt mir aber wieder ein das wir nicht alle Konditionen geklärt haben. Ich laufe an ihr vorbei, steuere meinen Chefsessel an und setze mich. " Wir sind verheiratet. Alles was mir gehört, gehört nun zeitlich begrenzt auch dir. Ich kann Tanner morgen entbehren. Aber wofür? " frage ich neugierig. Maya druckst etwas herum als wolle sie es mir nicht sagen und ich gebe auf - schließlich sind wir uns gegenseitig keine Rechenschaft schuldig. " Schick ihn zu mir, dann kannst du morgen seine Dienste in Anspruch nehmen. Sonst noch was? "
Maya nickt, schaut noch einmal zu den Büchern und verlässt dann mein Büro. Mein Blick gleitet automatisch zu der Stelle, an der ihre Augen zuletzt verweilt haben - es ist ein altes Exemplar von Shakespeare.
Ohne weiter darüber nachzudenken schüttele ich alles andere ab um mich auf die Arbeit zu fokussieren.

Beim Blick auf die Uhr verhöhnt die Zeit mich. Draußen ist es bereits hell, was mir wieder einmal klar aufzeigt das ich die ganze Nacht über gearbeitet habe. Total gerädert lasse ich mich in meinem Stuhl nach hinten fallen und schließe die Augen. Aktuell steht so vieles auf einmal an, besonders seit bekannt ist das Vater bald von uns gehen wird. Es müssen so viele Dinge geklärt und umgeschrieben werden, aber auch bestehende Aufträge wollen sich erledigt wissen. Diese Zeit ist am stressigsten und normalerweise benötige ich eine Zerstreuung, etwas, das mir hilft abzuschalten.

Cora.

Sie war bisher immer da, wenn ich eine Ablenkung benötigt habe. Fast werfe ich Dank meines unstillbarem Triebes alles über den Haufen und rufe sie an, bleibe aber dann als ich die Augen öffne wieder an den Büchern hängen. König Lear kenne ich in und auswendig und doch stehe ich auf um es aus dem Regal zu ziehen. Der Einband ist trotz seines hohen Alters in einem ausgezeichnetem Zustand, doch die Seiten selbst haben schon bessere Tage gesehen.

Maya interessiert sich also für König Lear, wie mir scheint. Es ist genau das Buch welches sie so neugierig betrachtet hat. Mit dem Buch in der Hand verlasse ich mein Büro und marschiere auf direktem Weg zum Zimmer, in dem Maya im Moment lebt. Ich lege das Buch vorsichtig gegen die Tür, überprüfe noch einmal die Uhrzeit an meinem Handgelenk und verschwinde schließlich ins Badezimmer um zu duschen. Mit wenig Schlaf komme ich gut aus, weil ich es gewohnt bin. Früher aus anderen Gründen als heute, aber es macht mir nichts aus. Ich dusche schnell, werfe mir dann Sportkleidung über und verlasse das Haus in den frühen Morgenstunden um die Ruhe und die Natur in all ihrer Pracht zu genießen. Der morgendliche Lauf ist mein Ausgleich für das was derzeit fehlt und nicht möglich ist.

Wenig später komme ich zurück ins Haus und höre Geräusche die dieses Haus noch nie erfüllt haben. Was mit einem summen beginnt endet in Gesang. Dem Lärm entgegen gehend erreiche ich die Küche in der Maya bereits das Frühstück macht und mit dem Rücken zu mir gewandt steht. Sie kann nicht wissen das ich da bin und ich mache auch nicht auf mich aufmerksam. Ungeniert summt und singt sie ein Lied das mir bekannt vor kommt und ich bin verblüfft wie gut es sich anhört und schließlich erkenne ich es. 1883 führte Léo Delibes zum ersten Mal die Oper Lakmé vor. Das darin enthaltene Duett "Flower Duet" ist bekannt, jedoch hört heutzutage kaum einer mehr diese alten Klassiker. Etwas verwundert das Maya dieses Stück zu kennen scheint beobachte ich sie weiter wie sie Eier und Speck miteinander kombiniert, bis sie sich herum dreht. Ihr Gesang verstummt, der Schreck sitzt tief. " Guten Morgen. Ich wollte nicht stören. " sage ich und kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. " Lakmé also, ja? "

Nach dem Frühstück sitze ich wieder im Büro. Maya und Tanner sind seit knapp einer Stunde unterwegs und meine Neugierde wächst, je länger sie fort sind. Gleichzeitig bin ich aber auch darum bemüht nicht zu sehr in diese geschäftliche Beziehung vor zu dringen, schließlich ist sie nichts anderes als das - geschäftlich. In einem Jahr gehen wir getrennte Wege und sehen einander wahrscheinlich nie wieder, wozu also jetzt mehr über eine Person erfahren wollen, die dann sowieso keine Relevanz mehr hat?

Spät am Abend, nach einem ausgezeichneten italienischen Abendessen wage ich es dann aber doch und frage was sie über den Tag so getrieben hat. Ich schiebe es auf den Grund der Sicherheit, schließlich wäre es jetzt kontraproduktiv wenn sie etwas falsches täte.
" Hast du dich mit Freunden getroffen, oder...? "
Maya hebt skeptisch eine Braue. " Nein. Ich habe jemanden besucht, aber anders als du denkst. "
Für sie ist das Gespräch damit beendet, ich hingegen sehe nur noch umso mehr Fragezeichen um mich herum schwirren. Womöglich kann mir Tanner mehr Aufschluss darüber geben was genau da vor sich geht, also bedanke ich mich fürs Essen, stehe auf und verschwinde aus der Küche, auch weil die Stimmung ohnehin merkwürdig angespannt wirkt. Auf dem Weg zu meinem Büro rufe ich Tanner zu mir um ihn auszuquetschen.

Sobald er die Tür hinter sich schließt frage ich drauf los, weil meine Geduld endlich ist. Was verbirgt sie? Und noch viel wichtiger ist... Kann das den Deal gefährden und alles was damit zusammen hängt?

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