Kapitel 10: Tara

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Kapitel 10

Tara

Manchmal hasse ich es so nah bei dir zu sein. Denn wenn du dich nur ein bisschen zurückziehst, fühlt es sich an, als würde die Welt sich in Zwei teilen. Als würden wir uns in Zwei Teilen. Ich spüre, dass da mehr ist, von beiden Seiten, doch irgendwas hindert dich. Ich wünschte ich könnte wissen, was es ist, dass du uns nicht zulassen kannst.

Mittlerweile wird die Post zu Flynn umgeleitet und heute kam mein erster Brief an. Ich sitze im Esszimmer und öffne ihn. Als ich den Brief lese, schlägt mein Herz schneller. Schulden der eigenen Wohnung. Ich habe die Kaution wiederbekommen, soch im Nachhinein wurden Mängel und Schimmel festgestellt. Sie verlangen die Kaution in Höhe von Dreitausend Dollar. Ich drücke meine Handfläche an mein Kopf, als ich diesen Brief lese. Fast meine ganzen Ersparnisse die ich weggeben muss. Ich bin froh, dass ich es zahlen kann, doch dann kann ich nur noch länger auf die nächste Bude oder eine Location warten. Mein Traum rutscht immer weiter weg. Meine Kraft wird weniger. Es ist, als beginnt wieder alles von vorne. Ich fange wieder von vorne an. Plötzlich bereue ich den Aufenthalt in Australien. Ich sollte es nicht bereuen, denn ich hatte dort die beste Zeit meines Lebens. Nur dafür habe ich jetzt die schlimmste Zeit meines Lebens.

Ich höre wie jemand die Türe öffnet und das Haus betritt. Schnell greife ich nach dem Brief, damit ihn niemand zu Gesicht bekommt. Flynn tritt in die Küche. Er schaut zu mir und ich schaue ihn an, als hätte er mich bei etwas ertappt, so wie ich ihn anschaue und den Brief unter dem Tisch falte. Er grinst verwirrt. „Alles gut?" Er läuft zum Kühlschrank, ohne den Blick von mir zu lösen. Ich lächel ihn an.
„Alles bestens." Dann stehe ich von meinem Platz auf und verlasse die Küche. Meine Laune ist im Keller und ich will nicht, dass Flynn merkt, wie beschissen es mir damit geht. Außerdem interessiert es ihn wahrscheinlich sowieso nicht. Aber ich will auch einfach nicht, dass jemand was von meinen Problemen weiß.

Ich verkrieche mich den ganzen Tag, nur um im Internet nach einem vernünftigen Job zu suchen - vorübergehend. Ich brauche ein geregeltes Einkommen, um meine finanzielle Situation händeln zu können, bis ich wirklich meine eigene Bar eröffnen kann. Ich brauche genug Rücklagen, um mir finanziell überhaupt irgendwas aufbauen zu können.

Weil ich es nicht mehr aushalte, im Zimmer zu hocken und ich das Gefühl habe, die Luft würde mich hier drin ersticken, gehe ich raus in den Garten, wo ich anfange Yogaübungen auszuüben, nur um meinen Kopf freizubekommen. Yogaübungen, die ich in Australien am Strand gerne audgeübt habe, gemeinsam mit Elli und den anderen. Surfen wäre jetzt auch super, auch wenn ich es immer noch nicht kann.

Als ich mich gerade dehne und dabei die Augen geschlossen halte, spüre ich Wärme neben mir. Nicht die Hitze, sondern eine Person.
„Tara, was ist los?" Es ist Flynn, der die Wärme ausstrahlt.
„Ich habe jetzt auch eine Regel, Flynn ... Stell keine Fragen zu meiner Person.", sage ich entspannt.
„Nachmacher, Malone.", lacht er.
„Inspiration, Jenkins.", murmele ich und halte durchgehend die Augen geschlossen. Ich höre wie er sich neben mich setzt, doch lasse mich davon nicht aufhalten. Dachte ich. Denn als er bloß stumm neben mir sitzt, öffne ich die Augen und schaue ihn an. Er schaut mich an. Wir schauen uns an. Als wüsste er genau, dass er mich so zum Reden bringt und mein Schweigen bricht. Ich seufze leise, bevor ich spreche. „Ich schulde meinem alten Vermieter Geld. Fast Dreitausend Dollar. Es wurden im Nachhinein Mängel und Schimmel in den Wänden festgestellt. Ich muss jetzt einen neuen Job finden. Ich kann das mit meiner Bar knicken. Ich kann alles knicken. Ich weiß nicht einmal, wo ich bald wohnen soll. Ich brauche erst einen Job, um dann das Geld zurücklegen und sparen zu können, für eine Bude und für die Location. Ich ... Keine Ahnung. Ich hasse es aktuell. Vielleicht übertreibe ich ja, keine Ahnung. Mal schauen." Ich zucke mit den Achseln, während ich an dem Grad zupfe.
„Ich kann dir helfen." Ich runzle die Stirn und schaue ihn an.
„Wie willst du mir helfen?"
„Ich gebe dir das Geld." Ich schüttele sofort den Kopf.
„Nein. Das ist sehr nett von dir aber nein. Das geht nicht."
„Doch, Tara.", sagt er sofort. „Ich habe genug Geld. Ich habe sehr viel Geld. Dann gibst du es mir eben dann wieder, wenn deine Bar gut läuft. Du kannst auch für mich arbeiten, wenn du willst. Auf dem Boot. Wo du willst. Ich bezahle dich. Ich bezahle dich gut."
„Du hast mir schon zu viel Geld für den einen Abend gegeben."
„Das war nicht zu viel.", raunt er. Unsere Blicke treffen sich wieder.
„Hat jeder Mitarbeiter so viel bekommen? Bist du immer so großzügig?" Er schaut mich lange an, ehe er dann Blick abwendet und gerade aus starrt.
„Nur du hast so viel bekommen, Tara." Ich muss plötzlich lächeln. Ich versuche es mir zu unterdrücken, weil er sonst noch denkt, ich bin völlig in ihn verschossen.
Bloß ich? Wie kommt es, wenn ich für dich bloß ein Gast bin, Flynn?
Er soll nichts vermuten. Er soll nicht vermuten, wie gerne ich ihn wirklich mag. Doch ob er es will oder nicht, spüre ich genau, dass er mich auch mag. Er ist immer in meiner Nähe und fragt mich, was los ist, wenn es mir schlecht geht. Wieso tut er es, wenn ich ihm eigentlich nicht wichtig bin? Wieso küsst er meine Lippen immer wieder, obwohl er mich nicht will? Ist es wirklich nur Sex? Oder ist da mehr?

My Beautiful DisasterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt