Kapitel 42

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"Du erzählst uns hier gerade sonst noch was. Von wegen du willst alleine sein, wovon du weißt, dass uns das nicht aufhält. Du bist eben schon mehrmals weggerannt und hast es indirekt gesagt, dass es noch dein Plan ist. Also gehen wir jetzt zurück und reden. Bis dahin bleibst du hier." meinte Alex mit Nachdruck. Sein Griff wurde etwas stärker.
"Meintest du nicht, der Plan weshalb du hier her bist war ein anderer?" hinterfragte Birgit.
"Schon, aber ich war mir nicht 100% sicher, dass ich es überhaupt schaffe. Mich traue."
"Haben dir die Tage überhaupt was gebracht?" fragte Phil.
"Ja. Ihr habt mich erfolgreich davon abgehalten." meinte sie. Doch glücklich klang sie nicht. Was dir anderen merkten.
Ehrlichgesagt wusste sie es nicht. Sie wusste nicht, ob es hilfreich war. Die letzten Tage waren das reinste Gefühlschaos.
"Wie sollen wir deiner Meinung nach weiter machen?" fragte die Älteste.
"Lasst mich ruhig hier in Ruhe. In bin doch nicht bereit, zurück zu ziehen, aber ihr habt mir geholfen. Danke."
"Ich bezweifel, dass das eine gute Idee ist."
"Warum? Ich habe doch jahrelang so durchgehalten. Ich schaffe das noch irgendwie."
"Mmmm. Sicher? Es hat nicht so gut geednet."
"Da war ich in einer Ausnahmesituation. Immerhin ist die Sache mit Finn nicht so lange her. Deswegen werde ich auf jeden Fall nochmal mit kommen, um wenigstens auf der Beerdigung zu sein. Dann werde ich schauen, was passiert."

Und so verließen sie am nächsten Morgen die Berghütte. Birgit fuhr wieder Jackys Auto.
"Wer weiß davon das wir wieder zurück kommen?" fragte Jacky.
"Nur unsere Familien, warum?"
"Weil ich keinen sehen will."
"Du weißt schon das wir dich nicht alleine lassen? Du hast das Privileg
Alleine zu sein verloren. Ob das eine mal eine Ausnahme war oder nicht. Wir wollen nichts riskieren."
"Und wie lange soll das so weiter gehen?"
"Weiß nicht. Mir wäre es ja am liebsten, wenn du dich in Psy.."
"Nein." unterbrach Jacky sie.
"Lass mich doch wenigstens Ausreden. Hier spricht ja keiner direkt von der geschlossenen Station, und auch wenn, du warst da schonmal beruflich, du weißt das das nicht schlimm ist."
"Trotzdem. Ihr wollt dann das ich rede. Und ganz schnell komme ich da nicht mehr raus. Warum genau habe ich nicht selbst die Entscheidung über mein Leben? Ich meine was ist daran so verwerflich?"
"Weil es dir momentan nicht so gut geht. Du kannst es momentan nicht einschätzen. Außerdem ist da Hoffnung."
"Naja, ich habe schon mit Therapeuten geredet, mehrmals. Also warum sollte es besser werden? Und momentan ist ein wirklich schwerer Ausdruck. Weißt du wann mir das erste Mal der Gedanke kam?"
"Nach Dustins Tod?"
"Nein, mit 5. Wir reden hier über mehr als ein Jahrzehnt. Das hat mit im Moment nichts mehr zu tun."
"Mit 5?"
"Ja. Außerdem habe ich jeden Tag das Leben anderer in der Hand, aber nicht meins?"
"Probierst du gerade das ich dich alleine lasse, weil ich dir die Entscheidungsfreiheit lasse?"
"Nein, ich will das du mich Verstehst."
"Aber warum jetzt?"
"Keine genauere Begründung."
"Es gibt doch immernoch Menschen die dir wichtig sind?"
"Ja, aber die wird es immer geben."
"Das ist doch ein Grund weiter zu machen."
"Nein. Absolut nicht. Ich lerne neue Menschen kennen. Das geht nicht. Ich kann aber auch nicht weiter leben, ohne neue Menschen kennen zu lernen. Zu Finn muss ich nichts mehr sagen, oder?"
"Das war nicht deine Schuld."
"Sondern? Du weißt doch gar nicht was genau passiert ist."
"Doch, ich habe deine Aussage gelesen."

"Da gibt es noch was." sagte Birgit nach etwas Pause.
"Ja?"
"Von der Wache aus sollte jemand eine Rede halten. Und da viel dein Name. Ich habe angeboten es zu übernehmen, aber ich wollte dir die Chance geben, dass du auch etwas sagen kannst."
"Ich würde die Rede gerne übernehmen."
"Unter einer Bedingung. Du sagst in der Rede kein Wort darüber, dass du Schuld seist."
"Ich wollte ja auch über ihn reden, nicht den Einsatz."

Am Morgen seiner Beerdigung war Phil bei ihr.
"Ist es nicht extrem anstrengend?" fragte Jacky ihn aus dem nichts.
"Was?"
"Ich. Ich meine ihr habt schon den bisschen Urlaub für mich geopfert. Dann habt ihr ständig noch 24h Schichten und dann in dem bisschen Zeit, dass ihr eigentlich mit eurer Familie nutzen solltet, verbringt ihr bei mir."
"Wir nehmen uns die Zeit gerne für dich."
"Du wirst die Zeit mit deinen Kindern nicht zurück bekommen. Sie werden älter und das schneller als du willst. Ich möchte dir die Zeit wirklich nicht wegnehmen. Ich werde sowieso bald wieder arbeiten und dann bin ich nicht immer unter eurer Kontrolle."
"Du weißt genau, dass wir dich nicht alleine lassen können?"
"Schon, aber mir geht es nicht besser, wenn ich mich immer schlecht fühle."
"Ich glaube das Besprechen wir zusammen später. Außerdem würden dann wahrscheinlich nur mehr Menschen involviert werden. Möchtest du nicht mal jemanden von den anderen sehen?"
"Nein. Aber das tue ich sowieso gleich."
"Stimmt, bereit?"
"Nein, aber wir können los."

Gemeinsam betraten sie den Friedhof. Die Stimmung war gedrückt, kein Wunder bei einer so jungen Person. Zum ersten Mal sah Jacky die Eltern und Geschwister von Finn. Ziemlich verunsichert hielt sie ihre Rede. Bevor der schlimmste Moment jeder Beerdigung begann. Währenddessen probierte sie sich zurückzuhalten. Nicht aufzufallen. Was erstaunlich gut funktionierte. Danach ging es weiter in einen Saal, doch wirklich lange hielt es keiner aus. Viele waren sehr früh gegangen. Langsam kamen die Eltern zu ihr.
"Ich möchte dass sie wissen, dass mein Sohn zu ihnen aufgeschaltet hat. Er hat sehr begeistert von euren Schichten erzählt." erzählte die Mutter.
"Sagen Sie doch bitte Jacky und Du. Und mit ihrem Sohn gemeinsam zu arbeiten hat mir ebenfalls viel Spaß gemacht."
"Ich glaube mein Bruder war etwas verliebt in dich." meinte die kleine Schwester geknickt.

Jeder trägt seine Last - nur nicht jeder zeigt sieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt