15. Kapitel

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Ihn jetzt weiterhin nur stumm anzustarren, bringt gar nichts, ermahne ich mich, nachdem keiner von uns ein weiteres Wort gesagt hat. Schließlich kann er keine Gedanken lesen.

„Ich habe heute etwas sehr Interessantes in meinem Briefkasten gefunden", bringe ich endlich mein Anliegen hervor, ohne mich von seinem lächelnden Blick beirren zu lassen, mit dem er mich gefüllt komplett einhüllt.

Er sieht mich an, als wären wir beiden die einzigen Menschen in dieser Bar.

Ich muss schlucken und mein Hals ist immer noch ganz trocken.

Wie intim ein Blick eines noch weitgehend fremden Menschen sein kann, war mir zuvor nicht bewusst. Mr. Landons Blick ist sogar so intim, dass er mir gar nicht mehr so fremd vorkommt. Wie kann das sein?

„Ach ja", erwidert er, während er eine Augenbraue in die Höhe und seine Mundwinkel noch weiter nach oben wandern lässt.

Er weiß also genau, was ich meine.

Ich fasse in meine kleine Handtasche und halte ihm kurz darauf meine Mitgliedskarte des Dark Secret Clubs entgegen.

„Das hier", sage ich und sehe ihn ohne das geringste Lächeln an.

Er lässt seinen Blick nur flüchtig in Richtung der Karte schweifen, nur um mich gleich darauf wieder zu mustern.

Ich spüre die Präsenz dieses Mannes geradezu körperlich. Als würde etwas von seiner Kraft in pulsierenden Wellen durch meinen Körper fahren. Das ist intensiv, ungewohnt und macht etwas mit mir, das ich noch nicht benennen kann.

„Stellen Sie sich vor, da hat doch tatsächlich jemand mir eine Mitgliedschaft für den Dark Secret Club verschafft, ohne mich vorher zu fragen, ob ich überhaupt Interesse daran haben."

„Aber Sie sind hier", erwidert er.

„Ja, um Sie zur Rede zu stellen."

„Ach so", bemerkt er nur, während er noch immer erstaunlich entspannt wirkt.

„Sie können mir die Karte gerne geben. Dann würde ich die Mitgliedschaft rückgängig machen", fährt er ebenso ruhig fort.

Ich bin vollkommen perplex. Er hat mir gerade komplett den Wind aus den Segeln genommen.

„Gut, das kann ich gerne machen. Sie sind da einfach zu weit gegangen, wissen Sie."

„Wenn Sie das so empfunden haben, dann weiß ich das jetzt."

Wow, jetzt nimmt er mir sogar noch das letzte laue Windchen.

„Immerhin sind Sie mein Vorgesetzter."

Er nickt und hält mir lächelnd seine Handfläche entgegen.

„Was?", erwidere ich.

„Wollten Sie mir nicht Ihre Mitgliedskarte geben?", fragt er mit einem noch breiteren Lächeln.

„Ja, natürlich", erwidere ich schnell und lege die Karte kurz darauf in seine Hand.

Dabei streifen unsere Finger einander. Zwar nur hauchzart, aber dennoch hinterlässt bereits diese kleine Berührung ein Prickeln auf meiner Haut.

„Süßes Kleid übrigens", sagt er mit einer Mischung aus Lächeln und Grinsen, während er die Karte in seiner Hosentasche verschwinden lässt und zu mir hinunterschaut beziehungsweise seinen Blick über meinen Körper schweifen lässt.

Sofort spüre ich wieder ein Ziehen zwischen den Beinen, wie auch schon heute im Büro. Die Luft zwischen uns knistert förmlich. Wenn er nicht mein Boss wäre, könnte ich momentan wahrscheinlich für gar nichts mehr garantieren.

Ich sollte jetzt umkehren und diesen Club für immer verlassen. Ich möchte nur noch ein klitzekleines bisschen bleiben.

„Du willst jetzt aber nicht etwa schon gehen, Hannah", sagt er und nimmt eine Schlaufe meines Kleides zwischen zwei Finger.

Für einen Moment bin ich so perplex und aufgeregt, dass ich gar nichts mehr herausbringe. In meinem Hinterkopf schwebt dieser Gedanke, mich einfach fallen zu lassen, den ich jedoch schnellstens verbannen sollte.

Er hat mich Hannah genannt, er kennt meinen Vornamen. Erstaunt mich das jetzt?

„Ich bin ja bald kein Mitglied mehr. Ich sollte also besser gehen."

„Und was willst du?"

„Ich will gehen."

„Vorhin hast du noch gesagt, du solltest besser gehen."

„Ich sollte und ich will", gebe ich trotzig zurück.

„Ich bedaure das sehr. Aber hier geht es einzig und allein um das Wollen."

„Und was wollen Sie?", platzt es aus mir heraus.

Ich hätte das nicht fragen sollen.

„Das ist jetzt irrelevant."

Mein Herzschlag setzt zum Trommelwirbel an.

Was soll ich jetzt tun?

„Es ist bei mir auch mehr ein Sollen als Wollen", sage ich.

Vor Schreck über meine eigenen Worten fühle ich mich für den Moment wie erstarrt.

Seine Finger, mit denen er eben noch die Schlaufe meines Kleides umfasst hat, lässt er jetzt über die Seite meines Oberkörpers gleiten und hinunter zu meinem Schenkel. Währenddessen sieht er mir unentwegt in die Augen. Ich ertrinke.

„Wollen wir woanders hingehen?", fragt er, während er seine Finger mittlerweile in Richtung meines Innenschenkels wandern lässt.

„Nein, nein, nein" und „doch unbedingt", schreit meine innere Stimme zugleich.

„Das ist ohne Verpflichtungen, Hannah", bemerkt er lachend. „Du kannst es dir gerne vor Ort überlegen, ob wir dort weitermachen, wo wir heute im Büro aufgehört haben oder nicht."

In meinem Kopf wirbeln augenblicklich jede Menge nicht-jugendfreier Gedanken und Bilder umher. Es ist nicht so, dass mich diese Art von Vorstellungen wirklich überraschen. Allerdings haben diese in Gegenwart eines mir noch fremden Mannes in einem Erotikclub eine ganz andere Brisanz.

„Ich ...", beginne ich, während ich seine Hand glühend heiß durch den dünnen Stoff meines Kleides auf meinem Schenkel spüre.

Seine Augen wirken noch einen Tick dunkler als zu Beginn unserer Begegnung. Er verhehlt nicht, was er will. Er strahlt sein Wollen ganz ungeniert aus. Ich spüre seine Energie und vielleicht so etwas wie zurückgehaltene Dominanz. Beides erregt mich und macht mir zugleich auch ein wenig Angst.

Es geht hier nur ums Wollen, gehen mir seine Worte wieder durch den Kopf. Aber was will ich? Was will ich wirklich? Ist das alles nur pure Lust und Hormone? Oder ist da noch etwas darüber hinaus?

Wenn es nur Lust und Hormone wären, könnte ich vielleicht noch mit größter Willensanstrengung widerstehen. Aber da ist noch etwas anderes, das mich mehr als alles zuvor in meinem Leben elektrisiert. Und deshalb nicke ich ihm schließlich zu.

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