32. Kapitel

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Eine viertel Stunde später betreten wir eine Bar, in der ich noch nie zuvor gewesen bin. Vermutlich auch, weil sie nicht ganz meiner Preisklasse entspricht.

Ich sehe mich hastig um.

„Und wenn uns hier jemand sieht", flüstere ich Barron besorgt zu.

„Dieses Risiko müssen wir schon eingehen."

Nachdem wir uns an einen der Tische gesetzt und einen Rotwein bestellt haben, sieht mich Barron einfach nur an und lächelt. Diese Situation macht mich fast noch nervöser als unsere sexuellen Begegnungen. Mir wird bewusst, dass mich selten jemand derart aufmerksam ansieht wie er gerade. Barron wirkt, als wäre er momentan kein bisschen mit sich selbst beschäftigt. Stattdessen blickt er mich mit einer Neugierde an, die er nicht im Geringsten zu verbergen versucht.

Ich räuspere mich, bevor ich das Wort ergreife.

„Hast du viele feste Partnerinnen in diesem Club?"

Er schüttelt leicht den Kopf, während er mich weiterhin aufmerksam ansieht.

„Also immer wechselnde Partnerinnen?", hake ich nach.

Er lächelt. Es ist dieses leichte in sich hineinlächeln, das ich so an ihm mag.

„Ok, offensichtlich bist du gerade auf den Mund gefallen. Oder bist du etwa zu nervös, um ein normales Gespräch mit mir zu führen? Auf körperlicher Ebene bist du jedenfalls nicht so zurückhaltend."

Haben wir uns tatsächlich nichts zu sagen?

„Ich habe schon lange kein Date mehr gehabt", erwidert er.

Vermutlich reiße ich die Augen ziemlich weit auf. „Und weißt jetzt nicht, wie du dich verhalten sollst. Ist das dein Ernst? Das nehme ich dir nicht ab, Barron Landon. Und in deinem Leben wird es ja wohl noch mehr geben als deine Arbeit und Sex."

„Tatsächlich gibt es in meinem Leben momentan nicht wirklich viel anderes. Über was möchtest du denn reden?"

„Ist das nicht traurig?"

„Ich fühle mich nicht traurig. Fühlst du dich traurig?"

„Äh." Komischerweise fühle ich mich von seiner direkten Frage überrumpelt. „Na ja, so wie jeder sich hin und wieder mal traurig fühlt. Es ist dieses Gefühl, dass man auf das richtige Leben wartet und immer kurz davor steht und es doch nie ganz erreicht."

„Ich verstehe, was du meinst. Vielleicht hindert dich gerade das Nachdenken über das richtige Leben daran, dich wirklich lebendig zu fühlen."

„Ok, und anstatt zu denken, hätte ich mich lieber auf rauschhaften Sex mit dir einlassen sollen."

„Dafür ist es noch nicht zu spät."

Ich schüttele den Kopf, kann mir aber ein Lachen nicht verkneifen.

„Verrätst du mir dann auch dein Geheimnis, wie man möglichst wenig denkt?"

„Indem man arbeitet oder Sex hat."

„Das würde ich eher als Flucht vor sich selbst bezeichnen."

Auf seinen Lippen zeichnet sich ein Lächeln ab.

„Hast du Geschwister?"

„Was für ein abrupter Themenwechsel. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt ein so seltsames Gespräch mit jemanden geführt habe."

„Ok, willst du lieber das andere Thema noch weiter ausführen, auch wenn du mich dabei so mitleidig ansiehst."

„Vielleicht sollte ich es mir zur Aufgabe machen, dir zu zeigen, dass es so viel mehr in dieser Welt gibt als Arbeit und Sex."

„Ich bin für alles offen."

„Wow, ok, wir könnten uns regelmäßig treffen und ich zeige dir die Welt", erwidere ich grinsend.

„Gerne."

Ich muss wieder lachend den Kopf schütteln, während ich ihn sacht am Arm anstupse. In diesem Moment überkommt mich vollkommen überraschend das Bedürfnis, ihn in den Arm zu nehmen, mich an ihn zu lehnen und die Wärme seines Körpers in mich aufzunehmen.

„Ehrlich gesagt, bin ich ziemlich überrascht, dass du dich darauf einlässt", bemerke ich, grinse ihn spielerisch zu und versuche dabei meine Empfindungen für ihn in diesem Moment zu überspielen. „Ich dachte, du bist gerne immer der Boss."

„Ich finde es auch mal ganz angenehm, es nicht zu sein und bin gespannt, was kommt.

„Und baust auch überhaupt keinen Druck auf mich auf."

Er lächelt nur.

„Ich habe übrigens eine Schwester", beantworte ich seine Frage von vorhin. „Wir haben einen guten Draht zueinander, auch wenn wir zurzeit wenig Kontakt haben."

Er hört mir aufmerksam zu.

„Hast du Geschwister?"

„Einen Bruder."

„Und ihr habt ein gutes Verhältnis zueinander?"

„Ich schätze, dass es mit ihm zusammen in meinem Leben mehr als Sex und Arbeit gab."

„Dann solltet ihr euch unbedingt öfter treffen."

Er schweigt wieder und das erste Mal, seit wir uns gegenübergesetzt haben, sieht er zur Seite. Kurz darauf wird uns unser Rotwein gebracht und auch ohne einen einzigen Schluck von diesem genommen zu haben, kribbelt bereits alles in meinem Körper. Vielleicht liegt das an der gespannten Erwartung, auf das was der Abend noch bringen wird oder an diesem äußert seltsamen Einstieg in unser Gespräch.

Nach einer Weile muss ich feststellen, dass wir entgegen meiner Erwartung doch ganz gut miteinander reden können. Ich entspanne mich dabei sogar allmählich immer mehr, während ich zu meinem eigenen Erstaunen viel über mich erzähle. Vielleicht liegt das daran, dass er mich die ganze Zeit über so Aufmerksam ansieht. Und während ich rede, vergesse ich sogar ganz, dass ich eigentlich diejenige sein wollte, die ihn ausfragt. Seine Wirkung auf meinen Redefluss ist ganz erstaunlich.

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