22. Kapitel

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„Ich habe auch noch nie etwas mit meinem Boss angefangen und weiß gerade nicht, was ich dazu sagen soll. Vielleicht bin ich auch einfach über mich selbst erschüttert."

Dylan sieht mich wieder mit seiner typisch wortlosen Eindringlichkeit an. Es ist, als ob er stumm mit mir kommunizieren würde. Ich schlucke. Er fordert mich heraus, weil er nicht das von mir insgeheim Erwünschte sagt. Also muss ich es selbst sagen?

„Du kommentierst das nicht?", sage ich schließlich.

„Willst du denn unbedingt, dass ich das kommentiere? Du hast dich entschieden, dich auf das hier einzulassen. Wenn du im Nachhinein darüber erschüttert bist, dann ist das so. Ich kann dir deine Empfindungen doch nicht absprechen, auch wenn du dir das anscheinend gerade von mir wünscht."

„Mein Gott, bist du immer so therapeutisch?"

„Du findest das therapeutisch?"

Ich zucke mit den Schultern.

„Also gut, ich weiß nicht, ob ich wirklich erschüttert über mein Handeln bin. Jedenfalls bin ich aber sehr überrascht und nicht sicher, ob ich richtig entschieden habe."

„Nichts ist ohne Konsequenzen, Hannah. Ich verspreche dir jedoch, dass das hier für dich keine beruflichen Konsequenzen in meiner Firma haben wird."

Ich nicke erleichtert.

„Du bist eben geübter in so etwas."

Er lacht.

„Jedenfalls routinierter, wenn es um Sex ohne das Versprechen auf eine Beziehung im klassischen Sinne geht."

Er greift in seine Hosentasche und hält anschließend meine Mitgliedskarte für den Club in die Höhe. Mein Herz schlägt daraufhin wieder gefühlt Saltos in meinem Brustkorb.

„Du kannst es dir in Ruhe überlegen, ob du eine Wiederholung wünscht. Solange überlasse ich dir gerne wieder deine Mitgliedskarte", bemerkt er mit einem überheblich wissenden Grinsen.

Ich weiß nicht genau warum, aber in diesem Moment regt er mich ungemein auf. Ich verschränke die Arme vor der Brust und presse die Lippen aufeinander. Und Dylan besitzt die Frechheit auf meine Reaktion mit einem Lachen zu reagieren.

„Verstehe, du willst also etwas kokettieren, um mir was zu entlocken? Etwa eine romantische Geste?"

„Erstaunlich wie unsympathisch du dich mit einem Mal machst."

„Du schätzt Ehrlichkeit also nicht?"

„Doch, aber ...", beginne ich, als Dylan mir plötzlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht streicht und mich somit völlig aus dem Konzept bringt. Anschließend beugt er sich zu mir vor.

„Ich wünsche mir wirklich sehr, dich hier wiederzusehen. Und ich hoffe, du wirst dich dafür entscheiden. Ich finde dich außerordentlich spannend, Hannah. Wir kennen uns zwar kaum, aber da ist etwas zwischen uns, das mich fesselnd."

Mir wird glutheiß, während mein Herzschlag explodiert. Habe ich nicht auf genau solche Worte gewartet? Ich bin so überrumpelt, dass ich es nicht schaffe, etwas zu erwidern und ihm zu sagen, dass ich ihn ebenso spannend finde. Ich finde auch, dass da etwas zwischen uns ist, das sich zu etwas entwickeln könnte, das ich so noch nicht erlebt habe. Ich kann dieses Etwas nicht in Worte fassen und ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt irgendetwas Romantisches ist. Jedenfalls könnte es etwas sein, das mehr als rein körperlich ist. Und genau das macht die ganze Sache so faszinierend.

Nachdem er sich wieder von mir gelöst hat, reiße ich ihm die Mitgliedskarte aus der Hand, was er mit einer erhobenen rechten Augenbraue quittiert.

„Zufrieden", presse ich hervor.

„Überaus", erwidert er lächelnd.

„Wirst du dich jetzt noch mit anderen Frauen hier im Club vergnügen?", frage ich ihn. Eigentlich wollte ich mir diese Frage verkneifen. Aber warum sollte ich nicht auch ehrlich und direkt sein?

„Nein", erwidert er überraschend knapp. Ich warte noch einen Augenblick auf einen weiteren Kommentar von ihm. Aber er belässt es tatsächlich bei seinem schlichten Nein.

Als wir gemeinsam in Richtung der Ausgangstür laufen, ertappe ich mich dabei, wie ich mich danach sehne, ihn zu berühren und die Wärme seiner Haut unter meinen Handflächen zu spüren. Doch ich wage mich nicht, was ziemlich irrsinnig ist, nachdem wir miteinander Sex gehabt haben. Warum sollte ich ihn also nach dem Sex nicht berühren? Innerlich stöhne ich und ringe mit mir, bis wir die Tür erreicht haben und ich ihn nicht angefasst habe. Wenn das jetzt immer so ist, habe ich echt ein Problem. Vielleicht habe ich ja fortan auch in der Firma in seiner Gegenwart das Bedürfnis, ihn zu berühren. Möglicherweise fällt es mir schwerer, als erhofft, den Sex mit ihm von allem anderen zu trennen. Oder aber ich bin gerade einfach nur verwirrt und muss das, was zwischen uns passiert ist, erst noch in Ruhe für mich selbst einordnen. Immerhin war das ein ziemlicher Schritt mit meinem zuvor immer unnahbaren Chef derart intim zu werden.

Im Flur verabschieden wir uns voneinander. Und in diesem Moment gelingt es mir endlich, ihn mit der Handfläche an der Seite seines Bauches zu berühren. Er hält dabei sofort inne und wirkt überrascht. Sind solcherart von Berührungen in einem Erotikclub nach dem Sex etwa nicht üblich oder warum wirkt er so verwundert?

„Entschuldige", sage ich schnell und ziehe meine Hand wieder weg.

„Du musst dich doch nicht entschuldigen", erwidert er.

„Ich dachte nur, du hast so überrascht gewirkt."

Statt einer Antwort sieht er mich nur an. Ich kann seinen Blick dabei nicht wirklich deuten.

„Auf wiedersehen, Dylan", sage ich und wende mich dann schnell von ihm und seinem durchdringenden Blick ab.

„Hannah", höre ich ihn hinter mir sagen, als ich bereits die Türklinke zum Barbereich in der Hand halte. Ich tue, als hätte ich ihn nicht gehört und verschwinde kurz darauf in den Bar-Raum, in der Hoffnung Kate dort anzutreffen. 

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