12. Kapitel

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Bevor ich die Tür öffne, drehe ich mich noch einmal zu Mr. Landon um, hole tief Luft und fixiere ihn für einen Moment ebenso fest mit meinem Blick wie er vorhin mich.

„Reißen Sie sich das nächste Mal bitte besser zusammen, Mr. Landon. Schließlich sind wir hier nicht im Club. Sie sollten als mein Vorgesetzter nicht so mit meiner Lust spielen"

Die Worte sind mir ganz spontan herausgerutscht, denn nach diesem Hormonrausch gerade eben, fühle ich mich plötzlich überraschend wütend, weil ...ja, weil Mr. Landon viel zu selbstherrlich ist. Oder?

„Ich werde es versuchen", erwidert mein Boss jedoch überraschend seelenruhig.

Dieser Mann ist unglaublich.

„Am besten Sie erinnern mich das nächste Mal noch einmal daran. Sie stellen die Regeln auf", fährt er fort.

Dieser Mann, der mir immer so unnahbar und kühl vorgekommen ist, ist erstaunlich frech. Er reagiert einfach nie so, wie ich es erwarte und ist mir dadurch immer einen Schritt voraus.

„Auf Wiedersehen, Mr. Landon", sage ich schließlich, drehe mich wieder um, reiße die Tür auf und stürme in das Zimmer seiner Sekretärin.

Ich schnappe wie eine Ertrinkende nach Luft

„Ms. Adams, konnten Sie alles zufriedenstellend klären", vernehme ich nach nur einer Sekunde Verschnaufpause die Stimme von Ms. Mills.

Sie sitzt hinter ihrem Schreibtisch und sieht mich an.

Sofort reiße ich mich wieder zusammen, versuche meinen Atem zu kontrollieren und ein diskretes Lächeln aufzusetzen.

„Ja, danke", erwidere ich und hoffe, dass sie sich daraufhin wieder ihrer Arbeit widmet.

Aber stattdessen mustert sie mich weiterhin mit einem röntgenartigen Blick.

„Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag", sage ich und durchquere anschließend mit großen Schritten ihr Büro.

Ich spüre genau, wie ihr Blick mir folgt und bin mir sicher, dass sie mich in Zukunft auf dem Radar haben wird.

„Das wünsche ich Ihnen auch, Ms. Adams", höre ich sie sagen, als ich gerade durch die offene Bürotür trete.

Mit zittrigen Beinen laufe ich durch die langen Flure, bis ich mein Arbeitszimmer erreicht habe und mich kurz darauf in meinem Bürostuhl plumpsen lasse. Mein ganzer Körper pocht und pulsiert immer noch wie verrückt. Was verdammt ist das gerade gewesen?

Ich seufze tief, während ich mir die Schläfen massiere. Glücklicherweise ist meine Kollegin, mit der ich mir das Büro teile, noch nicht da. Mein aufgewühlter Zustand hätte vermutlich nur Fragen bei ihr aufgeworfen. Als sie eine halbe Stunde später kommt, habe ich mich wieder halbwegs im Griff.

„Ehrlich, ich bin immer noch ganz fix und fertig vom Wochenende", begrüßt Annabelle mich, so wie eigentlich fast jeden Montag. Sie streicht sich mit der Hand durch ihr langes braunes Haar und sieht mich mit ihren immer einen Tick zu stark geschminkten Augen an.

Kaum hat sie sich auf den Platz mir gegenüber niedergelassen, beginnt sie ausführlich über ihren Samstag und Sonntag zu berichten. Ihr Bericht ist eine Mischung aus rauen Mengen Alkohol, diversen fremde Zungen in ihrem Mund und ein missglücktes Rumgefummel mit einem Typen auf einer dreckigen Clubtoilette. Ganz wie es meine Aufgabe an jedem Montagmorgen ist, rümpfe ich auch dieses Mal wieder empört die Nase, damit sie sich noch ein bisschen verruchter vorkommt.

„Und wie war dein Wochenende?", erkundigt sie sich, nachdem sie mir alle Details ihrer zwei freien Tage mitgeteilt hat.

„Sehr ruhig", gebe ich ihr auch dieses Mal wieder meine Standardantwort.

„Hannah, so kann das mit dir nicht weitergehen. Für so ein Leben bist du definitiv noch zu jung. Nächstes Wochenende werde ich dich mitnehmen. Damit du weißt, was es heißt, jung zu sein und seinen Spaß zu haben."

Kopfschüttelt sehe ich sie an.

„Ich bin zufrieden, wie es ist, ob du es glaubst oder nicht."

Sie seufzt, bevor sie energisch beginnt in ihre Computertastatur zu tippen.

Der restliche Montag vergeht erstaunlich schnell. Ich habe genug zu tun, um abgelenkt zu ein. Und um mein Glück Mr. Landon nicht zufällig begegnet zu sein, nicht noch weiter herauszufordern, mache ich pünktlich Feierabend. Als ich nach draußen trete und die Sonnenstrahlen auf meiner Haut spüre, amte ich erleichtert aus.

Spontan entscheide ich, ein paar U-Bahn-Stationen früher als gewöhnlich auszusteigen. Das Wetter ist herrlich. Der Sommer ist mit großen Schritten in die Stadt gezogen. Ich laufe durch einen Park, der sich in der Nähe meiner Wohnung befindet, sehe mir das frische Grün der Blätter an, genieße die Wärme der Sonne und die wohltuende Wirkung der Natur auf meine angespannten Nerven. Ich nehme meine Umwelt mit allen Sinnen wahr und schaffe es dadurch immer wieder, nicht an meinen Boss zu denken und an das, was er seit kurzem in mir auslöst. Ich versuche ganz nüchtern auf diesen Mann zu blicken. Er ist abgebrüht, arrogant und die Art wie er seine Sexualität auslebt, finde ich nicht unbedingt ansprechend. Der vernünftige Teil in meinem Hirn hat längst ein Urteil über ihn gefällt. Nur leider ignoriere ich dieses, wenn er in meiner Nähe ist und seine Gegenwart ein Kitzeln an meinem Lustzentrum auslöst.

Von der Sonne erhitzt, erreiche ich schließlich das Haus, in dem sich mein geliebtes Ein-Zimmer-Apartment befindet. Meine Wohnung ist wirklich klitzeklein und dennoch fühle ich mich dort pudelwohl. Da sich der mehrstöckige Apartmentkomplex in einer Nebenstraße befindet, ist es dort sehr ruhig und genau das schätze ich so sehr an meinem kleinen Reich. Hinzu kommt noch die Nähe des Stadtparks, in dem ich gerne lange Spaziergänge mache und den Wandel der Jahreszeiten beobachte.

Meinen Blazer habe ich bereits ausgezogen und dennoch fühle ich, wie sehr ich unter den Achseln meiner Bluse geschwitzt habe. Bevor ich meinen Schlüssel aus meiner Tasche fische, streife ich mir eine Haarsträhne aus der verschwitzen Stirn. Mein Körper muss sich erst noch an die wärmeren Temperaturen gewöhnen.

Wie immer, wenn ich von der Arbeit komme, öffne ich zuerst meinen Briefkasten. Schon wieder kommt mir dabei ein Schwall an Werbeprospekten entgegen. Mit einem Stöhnen prüfe ich, ob sich in dem Stapel möglicherweise ein Brief verirrt hat. Und tatsächlich greife ich nach einigem Gewühle nach einem weißen Briefumschlag. Um mir diesen genauer anzusehen, lege ich die Werbesachen zunächst zurück in meinen Postkasten. Verwundert stelle ich fest, dass auf dem Umschlag kein Absender steht. Vermutlich steckt darin auch nur eine Werbebotschaft, mutmaße ich. Trotzdem bin ich neugierig geworden und reiße noch an Ort und Stelle den Umschlag auf und halte kurz darauf eine kleine scheckkartenförmige Karte in der Hand. Fast rutscht mir diese aus der Hand, als ich die goldene Aufschrift auf dem schwarzen Kärtchen erblicke. Immer wieder lese ich die Worte „Dark Secret Club". Darunter ist mein Name und Geburtsdatum zu lesen.

Ich halte wahrhaftig eine Mitgliedskarte für den Dark Secret Club in der Hand. Wie zum Teufel komme ich so plötzlich zu einer Mitgliedschaft. Dahinter kann eigentlich nur eine Person stecken.

Kate, murmelte ich vor mich hin und noch als ich das Treppenhaus betrete, wähle ich die Nummer meiner Freundin auf meinem Smartphone.

Dark SecretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt