ZETA (2) - Jonathan

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Es war jetzt schon fast eine Woche vergangen. In der Zeit hatte ich weder mit meinen Eltern, noch mit Fynn gesprochen. Einerseits nahmen mich die Vorbereitungen für das bevorstehende Fest - ein Tag, an dem Studenten Kunstwerke ausstellten - in Beschlag, andererseits ... hatte ich auch keinen Versuch unternommen Kontakt aufzunehmen. Sie hingegen schon, aber den hatte ich geflissentlich ignoriert. Eigentlich war mir auch bewusst, dass die Situation nicht so bleiben konnte. Trotzdem wollte ich mich damit jetzt nicht beschäftigen, wie ein kleines Kind nicht zum Zahnarzt wollte. Das war nur natürlich.

Mir entwich ein Seufzer. Ich erhob mich von meinem Stuhl in der Cafeteria, streifte den Untersetzer von meiner Kaffeetasse (Ist Koffein schlecht für ungeborene Kinder? Sind solche Gedanken unnötig, wenn ich mich doch entscheide es nicht zu bekommen? Kann ich Kinder gebären?), der sich verzweifelt daran festhielt und drehte mich um, um zum Kaffeeautomaten zu gehen. Dabei stieß ich jedoch mit jemandem zusammen und eine heiße, brennende Flüssigkeit durchnässte mein Hemd.

„Pass doch auf wo du hinläufst.", fauchte der Mann, dem der Kaffee in meinem Hemd gehörte, bevor ich überhaupt Au hatte sagen können.
„Entschuldigung?" Fassungslos starrte ich in seine grüne Augen. Sie waren bläulicher als Fynn's und wirkten viel kühler. Ich mochte Fynn's definitiv lieber.
„Steck dir die Entschuldigung sonst wo hin. Wenn du es nicht schaffst, aufzupassen wo du deinen zwergengroßen Körper hinbewegst, bleib einfach zu Hause bei Mami und lass dich trösten. Fick dich." Arrogant strich er sich durch sein violettes Haar und zeigte mir dabei den Mittelfinger. Sein aggressiver Blick schien sich in meine Augen zu bohren; wie hasserfüllt konnte man wegen Kaffee sein?
Dann stolzierte er mit einem Schnauben davon.
Mit offenem Mund stand ich da und starrte ihm hinterher. Wow. Was war denn bei dem heute falsch gelaufen? Mit dem falschen Fuß aufgestanden? Nachdem er aus meinem Sichtfeld verschwunden war, ging ich mit raschen Schritten zu den Toiletten und zog mein Hemd aus. Die Haut hatte sich rot gefärbt. Das war eine schöne Verbrennung. Na toll. Das Hemd war eh schon versaut, also tränkte ich es in kaltes Wasser und hielt es auf die Wunde.
Zwergengroßen Körper, na danke auch. Er war größer als Svante und der hatte schon eine stattliche Größe von ungefähr 1,85 m! Kein Wunder das ich neben ihm klein aussah.

Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und googelte, was man bei Verbrennungen tun sollte. Ich war in eine Anzeige vertieft und nahm erst wahr, dass ich nicht mehr alleine war, als es neben mir plätscherte.
„Wo bleibt mein Geld?" War ich gemeint? „Hey, du."
„Wiebitte?" Ich hob den Kopf und sah wieder in kaltgrüne Augen die mich bitter anstarrten.
„Mein Geld", wiederholte er langsam, als würde ich ihn sonst nicht verstehen. Vielleicht wäre auch schon geholfen, wenn er die Zigarette aus dem Mund nahm.
„Ich wüsste nicht wofür ich dir Geld schulden sollte.", antwortete ich verwirrt.
Der Mann kam auf mich zu und stellte sich direkt vor mich. „Für meinen Kaffee.", erklärte er und blies mir Qualm ins Gesicht.
„Du hast nicht gespült.", erwiderte ich nur und sah auf mein Handy. Notruf 112 tätigen. Schutzhandschuhe anziehen. War das wirklich nötig?
„Denkst du das juckt mich?" Er kickte gegen mein Schienbein, aber ich versuchte ruhig zu bleiben. Und mich weder davon, noch von seiner tief hängenden Hose mit offenem Hosenstall beirren zu lassen. Widerlich. „Der Kaffee hat mich fucking drei Euro gekostet." Er kam wieder näher und hielt mir die Zigarette unter die Nase.
„Sorry, aber das war einfach nur ein unglücklicher Zufall. Kann ich auch nichts dafür. Wenn du Geld brauchst, such dir einen Job.", antwortete ich ruhig, nahm mein Hemd aus dem Waschbecken und stellte mich an ein anderes. Kleine Verbrennungen können mit Leitungswasser gekühlt werden. Schon mal nichts falsch gemacht.

Nur ein unglücklicher Zufall", äffte er mich nach (und schloss seinen Hosenstall endlich). „Kann ich auch nichts dafür. Das ich nicht lache. Ich habe dich freundlich gebeten. Ich kann auch anders."
„Drohst du mir?", fragte ich abgelenkt. Ich musste also schon wieder ins Krankenhaus.
„Wenn du das so sehen willst." Er baute sich hinter mir auf. War er dicht oder warum machte er so einen riesen Hehl aus drei Euro? Ein unangenehm scharfer Geruch mischte sich in den typischen Toilettengestank. Ich musste mich aufs Waschbecken stützen, sonst wäre ich umgekippt. Shit. Nein, das konnte nicht war sein. Ich atmete tief durch, doch ich hatte aus meinem Fehler nicht gelernt. Es wurde dadurch nur noch schlimmer.

„Beruhig dich, bitte." Er war also ein Alpha, dessen Pheremone bei Wut austraten. Klasse, dass ich ausgerechnet auf ihn stoßen musste. „Ich hab kein Geld dabei. Ich gebe es dir, aber beruhige dich.", wiederholte ich mit Nachdruck.
„Kein Geld dabei? Das wollen wir doch mal sehen." Er schmiss die Zigarette achtlos auf den Boden und steckte seine Hände in meine Hosentaschen. Dabei überrollte mich ein Schwall Pheromone und ließ mich zusammenbrechen. Schwer atmend saß ich auf dem Boden und starrte auf den Abfluss. Meine Finger krallten sich verzweifelt an das glatte Waschbecken.

„Was zum ...?!" Überrascht trat er von mir weg. „Oh mein Gott scheiße, ist das Parfüm? Sag dass das Parfüme ist." Er lachte trocken auf. „Hey, antworte!" Er griff an meine Schulter und drehte mich zu sich rum.
„Fass mich nicht an", nuschelte ich. Mein Körper fühlte sich wieder an, als hätte ich meine Heat. Eine erzwungene, quälende. Und diesmal fühlte ich mich nicht wohl in der Nähe eines Alphas. Nicht dieses Alphas. Nicht meinen Alphas.
„Mein Alpha." Die Worte entwichen mir einfach, ich hatte keine Kontrolle darüber.
„Dein Alpha." Er schien nachzudenken. Den Moment nutzte ich, um mich von seinem Griff zu befreien und unterm Waschbecken zu verstecken, nicht ohne mir den Kopf zu stoßen. Bei meiner Zwergengröße musste das ja wirklich Pech sein. Und ich fühlte mich sicherer. Vor dem Alpha.

„Nein." Die Fassungslosigkeit in seinem Gesicht kam mir bekannt vor. Er zog die Augenbrauen zusammen und kniete sich mit einem süffisanten Lächeln vor mich. „Ein Beta, der Omegapheromone nutzt um einen Alpha zu beeindrucken." Aus seinen Augen sprang mich Spott an und seine Stimme hatte einen Unterton, der nicht verbarg, wie angewidert er war. Sollte ich jetzt froh oder beleidigt sein, dass er nicht dachte, ich sei ein Omega? „Weiß er, dass du ein Beta bist?"
Mir fiel auf die Stelle keine passende Antwort ein, also schwieg ich. Aber keine Antwort könnte man auch als Antwort deuten.
„Also nicht." Er sah ein wenig verwirrt aus, als ihm die Lücke in seiner Theorie auffiel. „Du hast ihm nicht ernsthaft erzählt, dass du ein männlicher Omega wärst?" Sein Gesicht kam immer näher als er sich vorbeugte. So viel zu sicher. „Und er hat es geglaubt?" Sein Hemd war nicht ganz zugeknöpft sodass ich einen weiten Einblick hatte, den ich nicht haben wollte. Nicht mein Alpha. Abstoßend.
Ich schüttelte meinen Kopf, doch der Gedanke blieb hartnäckig.

Der Mann mit den violetten Haaren nahm es natürlich als Antwort. „Und er steht trotzdem auf dich?" Er packte meinen Kopf und drehte ihn zu sich.
„Hör auf." Panisch versuchte ich mich zu befreien. Es müsste eigentlich dasselbe sein wie mit Fynn, doch es fühlte sich ganz falsch an. Sein Lippen pressten sich auf meine. Mir wurde übel. Also biss ich ihm auf die Zunge. Verärgert zog er den Kopf weg, ließ mich aber nicht los. Ich trat ihm in den Schritte und kroch unterm Waschbecken hinaus. Ich rannte halb zurück in die Cafeteria, zog mir meine Jacke über und packte in Windeseile meine Sachen zusammen. Die anderen Studenten warfen mir verwunderte Blicke zu.
Ich stürmte hinaus. Ich wollt nach Hause.
Als ich den Zündschlüssel herumdrehte tropfte eine Träne auf mein Bein. Ich weinte, schon wieder. Es war so beschissen sich nicht währen zu können. Vom eigenen beschissenen Körper abgehalten zu werden, zu sich selbst zu stehen. Von jemandem abhängig zu sein, den ich kaum kannte und ihn trotzdem als Mein bezeichnete.

DARLING, You are mine and I am yoursWo Geschichten leben. Entdecke jetzt