Kapitel 26 - Djamila

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Djamila war am Verzweifeln. Sie drängte sich durch die vielen ankommenden Eltern und freudigen, aufgeregten Schülern. Lautes Geplapper und Lachen von allen Seiten. Es war Familientag.

Einmal im Jahr wurden alle Familien der Schüler auf die Auradon Prep eingeladen. Es gab ein großes Fest und alle berühmten Helfer der Guten, Könige und Prinzessinnen kamen mit großem Tam-Tam an, um den neusten Klatsch und Tratsch auszutauschen.

Djamila bahnte sich ihren Weg durch die Menge auf der Suche nach ihrer Familie.

Themis hatte sich schon verabschiedet, kaum dass sie die weißen Haare ihrer Großmutter entdeckt hatte.

„Djamilaaaaaaa", schallte auf einmal eine helle Stimme über den Platz.

Djamila fuhr herum und entdeckte endlich, endlich ihre Familie. Oder zumindest einen Teil davon. Mit großen Schritten ging sie auf ihre beiden jüngeren Geschwister zu. Die zwei standen alleine in der Menge. Mit ihrer schönen orientalischen Kleidung stachen sie total heraus und Djamila wunderte sich, dass sie sie nicht direkt gesehen hatte.

„Hey, ihr zwei", begrüßte sie sie freudig und schloss sie in die Arme. Ihre zwölfjährige Schwester drückte sie begeistert zurück während der zwei Jahre ältere Dalyan wahrscheinlich gerne im Erdboden versunken wäre.

Dann erschien Jasmin hinter einer Menschentraube.

Djamila spürte einen Stich in ihrem Herzen. Dass Jasmin die beiden begleitete, bedeutete, dass ihre eigenen Mutter es nicht geschafft hatte.

Jasmin hatte in ihrem letzten Brief zwar schon angedeutet, dass Dalia es wohl nicht schaffen würde zum Familientag zu kommen, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Nun, jetzt ist sie tot. Also, die Hoffnung.

Aber sie würde bald mehr erfahren. Schließlich war wenigstens Jasmin hier, die ihr endlich Klarheit über den Zustand ihrer Mutter verschaffen konnte. Djamila wechselte einen Blick mit der Königin von Agrabah. Sie würden reden. Alleine.

„Kommt mit! Ich zeige euch den Garten. Ich meine, ich hätte heute morgen dort drüben ein paar Leute ein königliches Buffet aufbauen sehen"

Tatsächlich lag schon ein verführerischer Duft in der Luft, dem die vier nur zu gerne folgten. Ein paar Minuten nachdem sie einen leeren Platz an einem Picknicktisch gefunden hatten, traten Ben und ein paar ihrer anderen Mitschüler in die Mitte des Gartens.

Djamila wusste, was jetzt kam. Sie hatte die anfangs holprigen und chaotischen Proben in der leeren Aula mitangesehen und stundenlange Monologe über Musik und Tanzschritte von Audrey ertragen müssen. Später hatte dann ein professioneller Tanzlehrer übernommen und am Ende kam sogar ein gar nicht so übler Tanz heraus.

Selbstsicher und fehlerfrei führte die Schülergruppe ihre Performance auf und zog die Zuschauer in ihren Bann, einschließlich Djamilas kleine Geschwister Djasindra und Dalyan.

Djamila nickte Jasmin zu und wenige Minuten später hatten sie ein ruhiges Plätzchen gefunden.

„Also, was ist los?", wollte Djamila wissen.

Jasmin seufzte.

„Dalia ist vor ein paar Wochen krank geworden. Wir wissen nicht, was es ist. Sie ist total fertig, liegt den ganzen Tag nur im Bett und hat Geschmacksstörungen. Kein Arzt oder Schamane konnte ihr helfen. Wir wissen nicht wie lange sie das noch durchhält"

Betroffen schaute Djamila zu Boden.

„Was wissen die Kleinen davon?"

„Die zwei sind nicht mehr so klein. Sie wissen, dass es ihr nicht gut geht, aber, ich denke, sie haben den Gedanken an ihren Tod noch nicht zugelassen"

Im Falle ihres Todes wären sie Waisen. Oder sowas Ähnliches.

„Was können wir dagegen tun?", fragte Djamila verzweifelt.

„Wir wissen ja nicht, was es ist. Also erstmal gar nichts. Wenn wir jetzt einen Wunsch frei hätten..."

Das hatten sie leider nicht.
„Ich wünschte, sie würde wieder gesund werden"

„Ich muss mich von ihr verabschieden" Djamila schluckte.

„Wann... wann kann ich kommen?"

„Bei uns bist du immer willkommen", meinte Jasmin.

„Nach der Krönung haben wir ein paar Tag frei... Wenn es sich einrichten lässt, komme ich dann"

Jasmin nickte nur.

Djamila schaute in den blauen Himmel. Das waren zwar keine guten Nachrichten, aber immerhin hatte sie sich nun Klarheit verschafft. Das war besser als diese ständige Ungewissheit, die sie von Innen auffraß. Das Schicksal meinte es eben nicht gut mit ihr. Irgendwer musste halt Pech haben, wenn die reichen Prinzen und Königinnen immer Glück hatten.

Aber da war sie immerhin nicht die Einzige. Das wäre dann auch wieder zu viel des Guten oder des Schlechten, wenn das Pech der ganzen Welt auf ihren Schultern lasten würde. Jay und alle auf der Insel hatten auch Pech gehabt.

Jay... Wieder spürte sie dieses Ziehen im Bauch, das die letzten Tage der Unwissenheit unterdrückt hatten. Aber sie durfte sich nicht von ihren Gefühlen leiten lassen. Jay war ihr Freifahrtschein auf die Insel. Und den brauchte sie jetzt dringender denn je. Da durfte sie sich nicht von Gefühlen ablenken lassen, die sie ohnehin nicht einordnen konnte.

Jasmin musste eine Regung auf ihrem Gesicht bemerkt haben, denn sie fragte, was noch los sei. Und das erzählte Djamila ihr alles, von vorne bis hinten. Es tat gut alles mal rauszulassen, was in ihr steckte und so lange vor allen verborgen geblieben war. Jasmin hörte ihr aufmerksam zu und nickte hin und wieder verständnisvoll.

„... und jetzt weiß ich nicht mehr, was ich tun soll", beendete Djamila ihren Bericht.

Da fing Jasmin an zu singen. Ihre klare Stimme schallte über die Wiese, kräftig, aber nicht so laut, als dass einer der Gäste, die etwa hundert Meter weiter standen, etwas bemerkten.

Uralte Regeln, die ewig bestehn

Stärker als steinerne Wände

(...)

Doch nein, ich breche nicht zusammen

Versucht, was ihr wollt, nein, ich schwöre, ich geb nie auf

Ich bleib nicht sprachlos, lass mich nicht verbiegen

Ich werd euch nicht erliegen

Und ich schwör, ich wird niemals schweigen

(...)

Damit war alles gesagt. Djamila wusste, was sie zu tun hatte, nämlich endlich über ihre Gefühle zu reden.

Djamila - eine Descendants FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt