Kapitel 23

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„Damian?", hauche ich kaum merklich.

„Ihr kennt euch schon?", fragt Karl verwirrt, doch keiner von uns antwortet. Unsere Blicke haften an einander und keine Kraft der Welt kann sie in diesem Moment auseinanderreißen.

Wie kann das sein?

Mein Herz pocht heftig gegen meine Brust und so sehr ich es auch versuche mich aus der Zeitschleife, in der ich mich fühle, zu befreien, schaffe ich es nicht, auch nur ein einziges Wort meinem Mund zu entlocken.

„Hallo?", macht Karl sich wieder bemerkbar und reißt mich damit aus der Erstarrung. Alles um mich herum wird wieder zur Realität und überfordert mich damit umso mehr.

„E... entschuldigen Sie", stottere ich, bemüht nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Mein Blick wandert gleichzeitig über Damians Bein, das bis zu oberhalb des Knies bandagiert ist. „Wir kennen uns von Freunden." Das ist das Einzige, was mir dazu auf die Schnelle einfällt.

Auch Damian scheint sich wieder zu besinnen. „Guten Morgen Frau ..." Er legt den Kopf schief und wartet.

Klar ... meinen Nachnamen kennt er nicht! Ist das nicht lächerlich?

„Lorenz", beende ich seinen Satz, laufe die paar Schritte auf ihn zu und strecke ihm die Hand aus.

Als er sie ergreift, durchzuckt mich wieder dieses Gefühl eines Stromschlags, der an der Stelle der Berührung anfängt zu kribbeln und sich bis tief in meinen Bauch ausbreitet. „Damian Marx."

„Ich weiß", gebe ich kleinlaut zu. Dabei in seine grünen Augen zu blicken ist eindeutig ein Fehler. Diese funkeln mich nämlich so sinnlich an, dass die Schmetterlinge in meinem Bauch wieder zum Leben erwachen.

„Entschuldigen Sie, ich habe vermutet Sie haben meinen Namen längst vergessen", sagt er sarkastisch und seine Mundwinkel zucken dabei ein wenig. Okay, das Funkeln ist weg ...

Ich löse meinen Blick von ihm und mustere seinen Krückstock.

„Gut. Also, wenn ihr euch schon kennt, kann es natürlich auch von Vorteil sein", stellt Karl optimistisch fest und schaut mich und Damian abwechselnd an. Auch er fühlt sich in dieser Situation scheinbar etwas unbehaglich. 

Er wendet sich Damian zu: „Frau Lorenz ist eine der zuverlässigsten und motiviertesten Mitarbeiterinnen, die ich habe. Wenn Sie sich an sie halten, haben Sie schon einen Trumpf im Ärmel. Ich werde dann mal gehen. Frau Lorenz wird Ihnen alles zeigen und wenn Sie Fragen haben, bin ich in meinem Büro."

„Danke, Herr Schmitt", gibt Damian gedankenverloren zurück.

„Frau Lorenz", Karl wendet sich wieder an mich. „Bleiben Sie bitte die erste Stunde hier, bis Frau Mai ihre Schicht anfängt. Sie wird dann Ihre Abteilung übernehmen für heute, damit sie genug Zeit für Herrn Marx haben." Na toll, viel Zeit für Herrn Marx und dazu noch Sandra!

Scheiße Sandra! Ich will nicht, dass ausgerechnet sie die Zeugin der peinlichen Begegnung wird. Aber andererseits, weiß sie ja gar nichts von mir und Damian. Vielleicht wird es gar nicht so schlimm, wenn wir uns beide zusammenreißen.

Karl schlendert den Gang entlang und ich schaue ihm nach, bis er abbiegt und ich die leere Wand anstarre, wo er gerade noch zu sehen war. Ich kann mich nicht überwinden mich umzudrehen, weil ich Angst davor habe, Damian in die Augen zu blicken. Da ich aber weiß, dass ich es sowieso hinter mich bringen muss, atme ich tief durch und drehe mich trotz meines rasenden Herzens langsam um.

Damian lehnt am Schreibtisch - die eine Hand hält sein Krückstock, die andere ist in der Hosentasche seiner schicken Hose vergraben, und sein Blick haftet an mir.

Jess - Strength of FeelingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt