Kapitel 41

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„Du siehst toll aus, Mama!", lobt mich Luca, als ich vor dem Spiegel stehe.

„Danke, mein Schatz. Bist du fertig?"

„Ja, ich muss nur noch meine Bücher mitnehmen." Hastig dreht er sich wieder um und verschwindet in seinem Zimmer.

Ich sehe nochmal in den Spiegel. Luca hat Recht, ich sehe gar nicht so schlecht aus, obwohl ich mir heute gar nicht so viel Mühe gemacht habe mich fertigzumachen. Heute ist Freitag, und ich habe ausnahmsweise einen freien Tag, da ich in letzter Zeit zu viele Überstunden gesammelt habe.

Als ich heute Morgen Luca zur Schule gebracht hatte, machte ich mich kaum zurecht. Danach lag ich rund zwei Stunden in der Badewanne mit einem Buch in der Hand. Zuletzt hatte ich mir eine Gesichtsmaske aufgelegt und meine Fingernägel frisch manikürt. Es ist schon zu lange her, dass ich einen ganzen Vormittag für mich hatte. Es hat echt gutgetan.

Ich trage nur einen Hauch von Make-Up und etwas Wimperntusche. Da ich nur zu meinen Eltern fahre, habe ich mir eine enge Jeans angezogen, ein lässiges T-Shirt und Chucks. Die Haare sind zu einem lockeren Dutt zusammengebunden – dadurch kommt mein Gesicht richtig zur Geltung, was ich eigentlich immer versucht habe zu verstecken. Doch heute habe ich keinen Grund dazu. Meine Haut sieht frisch aus, was daran liegen könnte, dass ich momentan durchschlafe, und meine Augen strahlen.


„Hallo, meine Lieben!" Meine Mum rennt mit offenen Armen auf uns zu. „Jessy, du siehst super aus!", bemerkt sie, als sie Luca abgeknutscht hat.

„Danke Mum, ich muss gleich wieder los. Ich hoffe, es macht euch nichts aus." Eigentlich war es so nicht geplant, aber Damian hat vor ein paar Minuten angerufen und wir wollen uns spontan bei ihm treffen. 

„Was?" Mum bleibt stehen und guckt mich verwirrt an. „Bleibst du denn nicht zum Essen?" Dann lächelt sie mich auf einmal an, als ob ihr klar wird, was ich vorhabe.

Ich lächle verlegen zurück. „Ich habe noch was zu erledigen", sage ich und sehe Richtung Luca, in der Hoffnung, dass sie nicht anfängt mich mit Fragen zu löchern.

Zu meinem Glück versteht meine Mutter die Andeutung. „Okay, dann verzeihe ich dir heute ausnahmsweise mal deine Abwesenheit. Viel Spaß bei deinem ... äh, deinen Erledigungen."

Ich schüttle belustigt den Kopf. „Danke und viel Spaß euch." Ich verabschiede mich von allen und kehre zum Auto zurück.

Während der Fahrt überlege ich, was ich heute mit Damian machen werde. Wir haben nichts Festes verabredet, er hat vorgeschlagen, dass ich zu ihm kommen soll und dann spontan entscheiden, was wir machen. Ich freue mich schon zu sehen, wie Damian wohnt. Wohnungen sagen viel über einen Menschen aus.

Als ich von der Autobahn abfahre, folge ich meinem Navi, weil ich keinen blassen Schimmer habe, wo sich diese Adresse befindet.

Mitten im Zentrum der Großstadt, die gar nicht so weit von meinem kleinen Ort liegt, bin ich angekommen, was mich gar nicht wundert. Einen Mann wie Damian hätte ich auch nicht irgendwo außerhalb der Menschenmassen erwartet, so wie mich.

Das Gebäude, in dem er wohnt, ist ein Hochhaus, das modern, aber nicht zu schickimicki aussieht. Ich drücke auf die Klingel mit seinem Namen und die Tür wird aufgemacht. Das Foyer sieht geräumig und sehr gepflegt aus. Durch die riesigen Fenster ist es sehr hell, und die Marmorfliesen steuern dem modernen Stil bei.

Okay, von hier drin sieht es doch etwas schickimicki aus.  Der Aufzug befindet sich genau gegenüber der Eingangstür. Ich drücke auf den Knopf für den sechsten Stock, wie Damian es mir gesagt hat.

Nachdem die Türen schließen, checke ich in dem großen Spiegel noch schnell mein Aussehen. Ein paar lose Strähnen hängen mir schon ins Gesicht, doch es sieht gar nicht schlecht aus. Ich sehe sehr leger aus. Vielleicht zu leger? Vielleicht wäre es doch besser, wenn ich mich vorher umgezogen hätte?

Jess - Strength of FeelingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt