11. Kapitel

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„Geh weg von ihr, Dämon! Ich lasse nicht zu, dass ihr Millie auch noch holt!"

„Ty?" Ich blinzle. Ist das wirklich der 13-jährige Junge, der die kleine Millie schon seit Langem beschützt? Der blonde Haarschopf, der mir gerade die Sicht nimmt, spricht jedenfalls dafür. Und als ich dann auch noch von wilden grauen Augen angefunkelt werde, ist ein Irrtum ausgeschlossen. Tyler hat mich zu Fall gebracht, um Millie zu retten.

„Was für ein Glück, dass ihr beide hier seid!", rufe ich erleichtert und falle Ty überschwänglich um den Hals. Während mir Freudentränen übers Gesicht laufen, schniefe ich wie 'ne alte Dampflok. Aber was soll's! Diesen Kids geht's gut, das ist die Hauptsache.

„Alles in Ordnung?", fragt Alex plötzlich und reißt mich damit aus meinem rosaroten Glücksmoment. Noch immer freudestrahlend drehe ich mich um, stutze dann aber. Warum wirkt er so angespannt? Alex müsste doch genauso erleichtert sein wie ich, dass wir zumindest zwei der Kids gefunden haben.

Also löse ich mich sanft von Ty und stelle klar: „Natürlich. Warum auch nicht?"

„Ach, ich weiß nicht ... Zum Beispiel, weil dich dieser Halbstarke angegriffen hat?" Alex' Stimme klingt eisig, während er den Jungen in Grund und Boden starrt. Ty schrumpft in sich zusammen und stammelt eine Entschuldigung nach der anderen. Dabei ist das gar nicht nötig!

„Ist schon okay", sage ich in einem hoffentlich beruhigenden Ton und streiche ihm liebevoll über den Kopf. „Alex ist ein bisschen überfürsorglich, weil er dich nicht kennt. Aber ich bin sehr stolz auf dich. Du hast Millie ganz toll beschützt."

„Wirklich?" Der Junge sieht mich schüchtern, aber hoffnungsvoll an. „Bist du wirklich stolz auf mich?"

„Natürlich! Ohne dich wär unsere Millie-Maus bestimmt nicht mehr hier." Ich werfe Alex einen scharfen Blick zu. Der soll sich ja nicht noch mal trauen, eins meiner Kinder so zu verunsichern! Sie haben's eh schon schwer genug.

Alex zuckt nur die Schultern und verschwindet kommentarlos aus der Küche. Hoffentlich durchsucht er auch die anderen Räume. Ich kann hier jetzt nicht weg. Erst muss ich rausfinden, ob den beiden wirklich nichts fehlt und was mit ihnen passiert ist, während ich außer Gefecht war.

Doch bevor ich auch nur eine Frage stellen kann, höre ich Millies kraftlose Stimme. „Ich hab solchen Durst ..."

„Warte, Liebes. Ich hol dir ein Glas Wasser."

Ich will gerade aufstehen, aber Tys verzweifelte Worte halten mich zurück. „Unsere Vorräte sind doch alle! Wir haben nur noch leere Flaschen ..."

„Macht nichts. Ich wollte sowieso Wasser aus dem Hahn nehmen." Ich versteh die Aufregung nicht, das ist ja kein Problem. Stirnrunzelnd mustere ich die beiden. Warum ist Ty denn nicht selbst auf die Idee gekommen? Die Kids wissen eigentlich, dass man unser Leitungswasser trinken kann. Haben sie das in dem Chaos etwa vergessen?

„Aus dem Hahn kommt aber kein Wasser!" Ty klingt noch verzweifelter als vorher, während er mir die Antwort gibt. „Schon seit Tagen nicht mehr!"

Was?! Wie ist das denn möglich? Bei mir zu Hause und im Waldhaus ging es doch ...

„Alex!" Wenn einer die Antwort kennt, dann er.

Keine Minute später steckt er auch schon den Kopf durch die Tür, wirkt dabei aber nicht gerade glücklich. Könnte daran liegen, dass ich ihn quasi im Befehlston herzitiert habe ... Na, egal. Sonst bin ich hier die Autoritätsperson, also muss er jetzt damit leben.

„Was denn?" Als ich nicht gleich mit der Sprache rausrücke, wirkt er noch ungehaltener. „Ich bin drüben noch nicht fertig."

„Warum kommt schon seit Tagen kein Wasser mehr aus dem Hahn? Die Kids haben Durst", stelle ich ihn also zur Rede.

Was zur Hölle?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt