Am liebsten würde ich Alex anschreien, Antworten verlangen und versuchen, ihn zur Vernunft zu bringen. Aber ich kann mich dummerweise nicht bewegen. Ich höre und spüre nur, wie er 'nen Schlüssel ins Schloss steckt und ihn umdreht. Dann öffnet sich 'ne knarrende Tür und er trägt mich noch ein paar Schritte weiter, bevor er mich auf dem harten Boden ablegt. Nach seinem Verrat verstehe ich echt nicht, warum er dabei so vorsichtig ist. Auch die liebevolle Geste, mit der er ein paar verirrte Haarsträhnen zurück hinter mein Ohr steckt, kann ich nicht einordnen. Er ist doch böse ... oder?
Aber was, wenn nicht?! Alex ist Polizist. Er könnte auch undercover arbeiten, um den Rest seiner Familie wieder wegzusperren!
Ich enttäusch dich ja nur ungern, aber hier herrschen immer noch Dämonen. Die Bösen landen nicht mehr hinter Gittern, also gibt's auch keine Undercover-Einsätze.
Aber vielleicht arbeitet er für 'ne Geheimorganisation, die alle Dämonen einfängt, um die Erde zurückzuerobern. Das wär doch möglich!
Klar, im Märchen. Aber das hier ist keins.
Ich glaube einfach nicht, dass alles gelogen war! Alex hat sich so toll um mich und die Kids gekümmert. Warum hätte er das tun sollen, wenn er mich von Anfang an nur zu seinem mörderischen Erzeuger bringen wollte?
Keine Ahnung. Vielleicht hat er gedacht, dass er bloß durch dich an die anderen beiden herankommt. Auf jeden Fall kannst du dich vom Gedanken verabschieden, dass ihm jemals was an dir lag. Das alles hatte nur einen Zweck: Er wollte reine Seelen für seinen Vater sammeln. Was auch immer das heißt ...
Das kann aber nicht sein! Alles in mir sträubt sich gegen den Gedanken. Ich habe Alex vertraut! Und meine Menschenkenntnis ist gut. Hinter der Sache steckt noch mehr. Das weiß ich! Irgendwas entgeht mir hier.
Doch ich kriege einfach keine Ordnung in meine wirren Gedanken. Immer wieder drifte ich weg, es ist zum Verrücktwerden! Warum bin ich denn schon wieder so müde, verdammt? In dem Zustand kann ich nicht klar denken.
„Es tut mir leid, Teresa. Wirklich. Aber ich hatte keine andere Wahl. Nur so konnte ich die Kinder schützen", flüstert mir Alex ins Ohr und plötzlich bin ich hellwach. Er will die Kids beschützen? Das ... Oh nein! Sind Millie und Ty etwa die reinen Seelen, die sein Vater noch sucht?!
Das ist zu viel. Ich hyperventiliere und habe keine Tüte zum Reinatmen, um das Ganze zu stoppen. So ein Mist! Aber ... die könnte ich ja sowieso nicht halten. Also atme ich weiter viel zu schnell. Schwarze Flecken breiten sich in meinem Blickfeld aus. Erneut verschlingt mich Dunkelheit, als ich in Ohnmacht falle.
***
Keine Ahnung, wie lange ich schon bewegungslos in diesem Käfig liege. Als ich vorhin zu mir kam, war Alex weg. Na ja, zumindest nicht mehr in meiner unmittelbaren Nähe. Irgendwo hier muss er ja sein – das hat sein Vater schließlich befohlen.
Ich kann einfach nicht glauben, dass er mich in dieses Ding gesperrt hat, um ... Ja, was eigentlich? Mich zu foltern? Zu opfern? Auf 'nem Scheiterhaufen zu verbrennen?
Und dann diese seltsamen Andeutungen! Was sind überhaupt reine Seelen? Und was zur Heugabel hat es mit den 666 Stunden auf sich? Das sind ... ich rechne kurz nach ... 27 Tage und 18 Stunden. Also fast vier Wochen. Sind die Dämonen schon so lange hier? Hab ich denn wirklich so viel verschlafen? Eins ist jedenfalls klar: Wenn ich gesund gewesen wär, hätte ich höchstpersönlich 'nen Widerstand organisiert!
Vielleicht ... Nein, das ist Quatsch.
Was denn? Jetzt spuck's schon aus!
Meinst du, du warst deshalb krank?
Deshalb? Ich versteh mal wieder nur Bahnhof.
Vielleicht haben Dämonen irgendein Mittel, um reine Seelen unschädlich zu machen, solange sie selbst angreifbar sind. Geschwächte Menschen haben keine Energie, um sich aufzulehnen und 'ne Revolution anzuzetteln.
Willst du damit sagen, sie haben mich krank gemacht?
Möglich wär's doch, oder? Immerhin hat dich Alex vorhin auch außer Gefecht gesetzt. Nicht gleich für drei Wochen, aber immerhin.
Das ... klingt ja furchtbar! Wer weiß, mit wie vielen Menschen die das gemacht haben! Und ich wunder mich noch, dass niemand gegen diese Monster rebelliert. Aber wie denn auch, wenn alle krank sind, die was unternehmen könnten!
Das ist doch nur 'ne Theorie. Ich weiß es nicht mit Sicherheit, Tess!
Na und? Ich glaube dir. Doch das lass ich nicht mehr mit mir machen!
Also mobilisiere ich all meine Kräfte und ... schaff's tatsächlich, meine Augen ein winziges Stück zu öffnen. Keine Ahnung, ob das an meinem Kampfgeist liegt oder nur die Wirkung des Was-auch-immer nachlässt. Aber ich kann mich endlich wieder bewegen und sogar meine Umgebung sehen, nur darauf kommt's an.
In meinem Kopf rasen die Gedanken, während ich mich vorsichtig umschaue. Noch soll niemand merken, dass meine Starre nachlässt. Wer weiß, was sie sonst mit mir machen. Ich will nicht gleich wieder ausgeknockt werden.
Zuerst kapiere ich, dass ich völlig falsch lag. Das ist kein Krankenhaus, nein. Der blöde Käfig steht in 'nem Fernsehstudio! Ich kenne die Kulisse. Wir sind im Innenhof eines großen Senders, hier wird das Morgenmagazin produziert.
Irgendwie logisch, dass sie hier ihr Lager aufgeschlagen haben, oder?, meint meine innere Stimme völlig unbeeindruckt.
Ach ja?
Ich blinzle irritiert und zermartere mir das Hirn, warum sich Alex' Mörder-Vater unbedingt diesen Ort ausgesucht hat. Aber ich komme einfach nicht drauf. Die senden doch jetzt kein Frühstücksfernsehen mehr, oder?
Was ist denn nur los mit dir? Hast du's etwa immer noch nicht kapiert?!, kommt es genervt aus meinem Oberstübchen und ich schnaube nur. Dann soll sie mir halt sagen, was ich übersehe! So schwer ist das doch nicht! Schau hin. Was stimmt nicht mit dem Kerl da vorne?
Außer dass er auf 'nem Thron sitzt? Das finde ich jedenfalls schon schräg genug. Ist sicher Alex' Vater, der sich dadurch noch wichtiger machen will. Aber sonst? Er hat genauso wilde schwarze Haare wie sein Sohn. Auch er scheint 'ne sportliche Figur mit definierten Muskeln zu haben und ist vermutlich sogar so groß wie Alex. Und überhaupt. Er ist meinem angeblichen Retter wie aus dem Gesicht geschnitten, wirkt kaum älter. Wie kann das bitte sein?!
Irritiert sehe ich genauer hin und ... Was zur Heugabel?! Das ... Nein, das ist unmöglich!
Oh, es hat Klick gemacht.
Ja, verdammt!
In seinen Augen glimmt ein rotes Licht. Und das bedeutet, Alex' Vater ist ein Dämon.
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Was zur Hölle?!
ParanormalNachdem Tess ganze drei Wochen mit Grippe im Bett gelegen hat, will sie endlich wieder zurück zur Arbeit. Zu dumm, dass in der Zwischenzeit die Apokalypse begonnen hat und haufenweise Dämonen auf der Erde eingefallen sind - völlig unbemerkt von Tess...