Das kann doch alles nicht wahr sein! Ich blinzle. Dann blinzle ich erneut. Dummerweise ändert sich dadurch rein gar nichts. Mein ganzes Viertel liegt in Schutt und Asche. Trümmerteile und Glassplitter so weit das Auge reicht. Alle paar Meter wirft der Asphalt Blasen oder ist aufgerissen. Um die tiefen Krater sollte ich wohl besser einen Bogen machen ... Die meisten Häuser sind eingestürzt, einige nur stark demoliert – wie meins. Zum Glück! Und überall dieser widerliche Ruß. Was zur Hölle war hier bitte los?
Ich schüttle den Kopf. Und was habe ich gemacht, als all das passiert ist? Hmm? Ich habe geschlafen!
Ich wusste ja schon immer, dass du 'ne Schnarchnase bist, aber das toppt wirklich alles, meint meine innere Stimme stöhnend und ich muss ihr ausnahmsweise mal zustimmen. Sowas kann man doch nicht einfach verschlafen!
Völlig überfordert rattert mein armes Hirn auf Hochtouren, um sich die ganze Sache zu erklären. Und tatsächlich ... ich hab's! Ich bin einfach nur auf einem schlechten Trip! Das müssen die Nebenwirkungen sein. Von sowas hört man doch immer wieder. Leute nehmen Medikamente und werden davon high. So muss es sein. Ich liege bestimmt seelenruhig in meinem Bett und träume das alles nur. Erleichtert atme ich auf. Ich dachte ja schon sonst was ...
Hey, Dumpfbacke, holt mich die ätzende Stimme in meinem Kopf zurück in die Realität. Sieh dich um. Das ist kein Traum. Oder hat sich der Tote etwa wie dein Plüschhäschen angefühlt?!
Hitze schießt mir ins Gesicht, als sie Hoppelchen erwähnt. Das ging eindeutig unter die Gürtellinie! Ich kann ohne meinen kleinen Fellfreund nun mal nicht einschlafen ... Was ist daran bitte so schlimm?
Ach, gar nichts, bekomme ich zu hören. Außer dass du eine 27-jährige Frau bist, die immer noch mit Kuscheltier im Arm einschläft.
„Na und? Jeder hat doch wohl ein Laster, oder?", versuche ich mich zu verteidigen, ernte aber nur ein Lachen. Klar doch. Wie ich diese blöde innere Stimme hasse! Dabei hat sie mir früher so geholfen ...
Na, was ist nun? War der Kerl kuschlig weich oder nicht?, bohrt sie weiter und ich kann mir die Situation nicht länger schönreden. Das hier ist real. Und ich hab keinen blassen Schimmer, was eigentlich passiert ist.
Erneut wandert mein Blick zu dem Toten und mir fällt ein, dass ich ja die Polizei rufen wollte. Um es so schnell wie möglich hinter mich zu bringen, krame ich hektisch in meinem Rucksack ... und finde nichts. Warum zur Hölle ist das blöde Teil nie da, wenn man es braucht?! Frustriert stöhne ich auf und überlege fieberhaft, wann ich mein Handy zuletzt gesehen habe. Ich hatte es noch, als ... Oh, verdammt! Schon wieder raufe ich mir die Haare und dieses Mal wegen meiner eigenen Dämlichkeit. Vor ein paar Tagen war der Akku leer und ich wollte ihn eigentlich auch aufladen. Aber dann kamen mit dem Fieber die Kopf- und Gliederschmerzen zurück und ich dumme Kuh hab es vergessen. Erklärt natürlich auch, warum mich keiner vor dem hier gewarnt hat.
Hilflos sehe ich mich um. Mein Blick gleitet über die zerstörten Straßen und Häuser und plötzlich spüre ich nur noch eine tiefe Traurigkeit. Das hier war seit meinem neunzehnten Lebensjahr mein Rückzugsort. Und nun? Liegt er in Trümmern. Das ist einfach nicht fair!
Ich lasse den Kopf hängen und erinnere mich augenblicklich daran, dass vor meinen Füßen immer noch ein Toter liegt. Er ist ja nicht zu übersehen ... Also straffe ich die Schultern. Für ihn muss ich jetzt stark sein. Ich muss irgendwie die Polizei verständigen.
Falls es die überhaupt noch gibt, merkt meine innere Stimme an, doch ich ignoriere sie gekonnt. Es ist schließlich die Polizei und die hat für alles mögliche Notfallpläne. Genau. Ich nicke energisch. Langsam bessert sich meine Stimmung auch wieder. So leicht lasse ich mich doch nicht unterkriegen!
Aber was soll ich jetzt konkret tun? Holen kann ich mein Handy nicht, weil ... na ja. Die Treppe und so. Außerdem ist der Akku eh tot. Ich kratze mich am Kopf, während ich krampfhaft überlege, was ich sonst machen kann.
„Vielleicht sollte ich einfach losgehen und nach einer Wache Ausschau halten", murmle ich vor mich hin und könnte mir mal wieder in den Arsch beißen. „Warum hab ich nie daran gedacht, nach der nächsten Polizeistation zu fragen?"
Weil es ja auch sooo wahrscheinlich war, dass du einen Großangriff auf die Stadt verpennst und dann über eine Leiche stolperst, oder?
Ich verdrehe die Augen und ignoriere die vor Sarkasmus triefenden Worte in meinem Kopf schon wieder. Ich brauche einen Plan. So schutzlos liegen lassen will ich den Kerl eigentlich nicht. Aber ich kann ja auch schlecht den ganzen Tag an seiner Seite sitzen und Händchen halten, bis endlich irgendwer auftaucht und mir erklärt, was hier eigentlich los ist.
Moment. Was?! Händchen halten?! Wie komme ich denn bitte bei dem klaffenden Loch in seinem Schädel auf Händchen halten?! Dummerweise geht direkt mein Kopfkino an und ich sehe mich schon Händchen haltend mit meiner Leiche vor'm Altar stehen. Ich als Braut natürlich alles andere als wunderschön. In einem zerfetzten, rußverschmierten Kleid stehe ich da, weil es in dieser beschissenen Stadt nicht ein einziges Brautmodengeschäft gibt, das offen hat. Als mir die Leiche dann auch noch einen Schmatzer aufdrücken will, während die magischen Worte ‚Sie dürfen die Braut jetzt küssen!' ertönen, reicht es mir. Mit wildem Kopfschütteln vertreibe ich den Schwachsinn aus meinem Schädel und hoffe inständig, dass niemand von diesem Tagalptraum erfährt ... Denn irgendwas scheint ganz gewaltig schiefzulaufen in meinem Denkapparat.
Das sag ich doch seit Jahren, kommt es auch prompt aus meinem Oberstübchen. War ja klar. Ich seufze. Das bringt mich nur dummerweise nicht weiter.
Und während ich noch grüble, was zu tun ist, nehme ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Am Ende der ehemaligen Straße hockt ein bulliger, muskelbepackter Kerl und schnüffelt. Ja, verdammt! Er hockt auf dem Boden und wirkt fast wie ein Jagdhund, der drauf und dran ist, die Fährte seiner Beute aufzunehmen. Oh, oh. Das ist nicht gut.
Instinktiv weiche ich einen Schritt zurück und starre wie hypnotisiert auf diesen Hunde-Mann mit seinen kurzen rotbraunen Haaren und dem gepflegten Dreitagebart, der so gar nicht zu seinem irren Verhalten passen will.
Okay, das reicht. Ich für meinen Teil hab genug gesehen und will nur noch weg. Doch als ich den nächsten vorsichtigen Schritt nach hinten mache, stößt er plötzlich ein tiefes Knurren aus und reißt den Kopf in meine Richtung. Aber das ...
„Was zur Hö–"
Weiter komme ich nicht, weil plötzlich eine große Hand vor meinem Gesicht auftaucht und sich fest auf meine Lippen presst. Dann werde ich zurückgerissen – in die starken Arme eines Mannes, der nach Rosen duftet. Wie seltsam.

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Was zur Hölle?!
ParanormalNachdem Tess ganze drei Wochen mit Grippe im Bett gelegen hat, will sie endlich wieder zurück zur Arbeit. Zu dumm, dass in der Zwischenzeit die Apokalypse begonnen hat und haufenweise Dämonen auf der Erde eingefallen sind - völlig unbemerkt von Tess...