Letztendlich tragen Ty und ich Millie abwechselnd. Der Weg ist weit und mit den Kids kommen wir viel langsamer voran. In meinem Kopf rattert's die ganze Zeit – liegt vermutlich daran, dass keiner von uns ein Wort sagt. Wir wollen nicht noch mehr Aufmerksamkeit erregen.
Als endlich der Wald vor uns auftaucht, bin ich zum ersten Mal in meinem Leben froh darüber. Wir haben's fast geschafft! Doch als mich kurze Zeit später die riesigen Stämme umzingeln, sieht's schon anders aus. Ich hasse es, mich so klein und bedrängt zu fühlen! Wieso macht das Alex und den Kids denn nichts aus?
Ähm, na ja. Vermutlich weil du völlig irrational bist und sie nicht?, antwortet mein Hirngespinst.
Irrational?! Was ist denn bitte irrational daran, sich neben Pflanzen-Riesen wie ein machtloser Zwerg zu fühlen?
Du hast echt Probleme, ist alles, was ich zu hören kriege. Denn jetzt bin ich wieder dran mit Tragen. Und das ist Grund genug für mein Hirngespinst, endlich die Klappe zu halten. Die Sicherheit der Kids geht immer vor, da kann ich kein unsinniges Geplapper gebrauchen.
„Tess?", fragt Millie nach ein paar Metern und kuschelt sich noch enger an mich.
„Ja, Liebes?"
„Warum sind plötzlich alle so böse und tun sich gegenseitig weh?"
Das ist 'ne verdammt gute Frage! Ich kapier ja selbst nicht, wie alles dermaßen schnell aus dem Ruder laufen konnte. Klar, die Dämonen kontrollieren die Nahrung und wer weiß, was sonst noch alles, aber ... ist das denn wirklich ein Grund für so viel Gewalt? Gibt's überhaupt keinen Widerstand? Keine Gruppierungen, die sich gegen die Grausamkeit wehren?
„Tess?"
Ups. Ich hab ja noch gar nicht geantwortet. Aber ... ich weiß auch nicht, was ich sagen soll. Wie soll ich dem Kind etwas erklären, das ich nicht verstehe.
Weil ich trotzdem reagieren muss, versuch ich's einfach mit der Wahrheit. „Das kann ich dir nicht sagen, Millie. Keine Ahnung, was mit den Leuten los ist. Aber wir halten zusammen, oder? Ty, du und ich – und Alex. Wir sind nicht böse. Und wir tun uns auch nicht gegenseitig weh. Das versprech ich dir."
Ich würde ihr gern zuversichtlich in die Augen schauen, doch sie hat ihr Köpfchen in meiner Halsbeuge vergraben und macht keine Anstalten, das zu ändern. Also streiche ich der Kleinen nur beruhigend über den Kopf und hoffe, dass es für den Moment reicht.
Dann spüre ich, wie sie langsam nickt. Bei ihren nächsten Worten klingt Millies Stimme schon viel weniger ängstlich. Ich könnte schwören, dass sie sogar ein kleines bisschen lächelt. „Ja, Ty hat die ganze Zeit auf mich aufgepasst. Er ist so lieb wie immer."
„Na siehst du. Und jetzt sind wir Erwachsenen auch noch da, um dich zu beschützen." Mein Blick wandert zu Alex, der ein paar Schritte vor mir neben Ty herläuft und ihn immer wieder verstohlen mustert. Er passt auf den Jungen auf. Gut, dann kann ich mich voll und ganz Millie widmen.
„Aber er macht mir Angst", sagt sie da und ich runzle die Stirn. Was? Warum denn das?
Alex ist auf Abstand geblieben, hat in ihrer Gegenwart mit ruhiger Stimme gesprochen und keine hektischen Bewegungen gemacht. Normalerweise reicht das, um Millies Ängste in Schach zu halten. Bei Männern ist sie zwar immer vorsichtig, doch was ihr an Alex Sorgen macht, versteh ich nicht. Aber statt mir weiter den Kopf zu zerbrechen, frage ich einfach nach.
„Millie-Maus. Siehst du seine Uniform?" Die Kleine nickt zögerlich. „Alex ist Polizist. Es ist seine Aufgabe, liebe Menschen zu beschützen. Warum hast du denn Angst vor ihm?"
„Ich weiß nicht", antwortet sie kleinlaut. „Tut mir leid."
Es bricht mir jedes Mal das Herz, wenn sie sich für Dinge entschuldigt, für die sie gar nichts kann. Gerade seh ich ihren Gesichtsausdruck nicht, aber denn kenne ich eh viel zu gut. Diese tiefsitzende Angst vor Bestrafung geht einfach nicht weg. Ihr Arschloch von Vater hat die Kleine für's Leben gezeichnet – körperlich und seelisch. Und die Zeit, die er dafür im Knast absitzen muss, ist ein Witz!
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Was zur Hölle?!
ParanormalNachdem Tess ganze drei Wochen mit Grippe im Bett gelegen hat, will sie endlich wieder zurück zur Arbeit. Zu dumm, dass in der Zwischenzeit die Apokalypse begonnen hat und haufenweise Dämonen auf der Erde eingefallen sind - völlig unbemerkt von Tess...