8. Kapitel

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Als er endlich zurückkommt, geht gerade die Sonne auf. Normalerweise schlafe ich ja um die Zeit, aber hier in der ungewohnten Umgebung hat das irgendwie nicht geklappt. Beim kleinsten Geräusch saß ich hellwach im Bett. Na ja, eher auf der Blumenerde.

Klar. Das hatte natürlich nichts damit zu tun, dass du dich ohne die starken Arme deines Retters gefürchtet hast, bekomme ich zu hören. Und nein, das war definitiv nicht der Grund! Und dass dein Hoppelchen noch in der Wohnung liegt, spielt sicher auch keine Rolle. Nein, verdammt! Na sicher doch. Erzähl das deiner Großmutter.

Würde ich ja gern ... Die hat sich wenigstens um mich gekümmert. Leider ist sie seit Jahren tot. Als Kind hat mich das total fertiggemacht, aber inzwischen bin ich drüber hinweg. Über Alex' Verschwinden allerdings nicht.

Als er weg war, hab ich ein bisschen rumgeschnüffelt. Jaja. Ich weiß, dass man das eigentlich nicht macht. Aber wir stecken mitten in der Apokalypse. Ich schätze, da gelten solche Benimmregeln nicht mehr.

Jedenfalls bin ich meinem Retter einfach durch den einzigen Ausgang hier gefolgt. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber einen langen dunklen Flur definitiv nicht. Alex war natürlich längst verschwunden, dafür stand die erste Tür rechts einen Spaltbreit offen. Logisch, dass ich nachschauen musste, was sich dahinter verbirgt. Hätte doch jeder getan, oder? Und siehe da – ein kleines Bad!

Noch besser hätte es mir zwar mit Dusche gefallen, aber die Toilette war in dem Moment deutlich wichtiger. Ich meine, ich hatte ja schon befürchtet, einen der Blumenkübel umfunktionieren zu müssen ... Nein, nein, nein. Kein Kopfkino jetzt! Dummerweise fährt der Film in meinem Hirn schon ab und zeigt mich beim Pipi machen auf 'nem Rosentopf. Mit zerstochenem Hintern, versteht sich. Wozu sind die Dornen sonst da?

Energisch schüttle ich den Kopf, um die blöden Bilder zu vertreiben. Keine Ahnung, wo die dauernd herkommen. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, spür ich die Stiche immer noch. Wie kann das bitte sein? Es ist doch gar nichts passiert!

Hmm, macht meine innere Stimme, könnte psychosomatisch sein. Jetzt redet sie auch noch wie die bekloppte Vertrauenslehrerin von damals. Du solltest mal drüber nachdenken, was das bedeutet.

Es bedeutet überhaupt nichts! Ich hab halt super realistische Tagträume. Na und? Zum Glück musste ich die Rosenkübel nicht wirklich benutzen ... Das wär echt in die Hose gegangen!

Genau! Noch 'ne Möglichkeit, ohne Klo klarzukommen, gibt mein Hirngespinst zu bedenken. Aber so weit wär's nicht gekommen! Dann lieber ein zerstochener Po als 'ne nasse Hose. Klar. Damit hättest du dich vor Alex in Grund und Boden geschämt. Du solltest ihn bei Gelegenheit mal nach 'ner Windel fragen – nur für den Fall.

Jetzt kichert die penetrante Stimme auch noch, als wär ihr der Witz des Jahres eingefallen. Einfach unglaublich! Ich sollte ihr wirklich das Maul stopfen. Aber ... irgendwie ist ihrs ja auch meins, oder? Und bringen würde es eh nichts.

Also atme ich tief durch, um mich zu beruhigen. Ein ... und aus. Eiiin ... und auuus. Kann mir doch egal sein, was mein Hirngespinst denkt. Ich bin nicht irre! Ich hab nur 'ne blühende Fantasie. Basta.

Aber zurück zum Thema. Ich war natürlich neugierig, was sich in diesem Haus noch so alles verbirgt. Also hab ich gleich die nächste Tür geöffnet und stand kurze Zeit später in 'ner Küche, die nicht viel größer war als das Bad. Trotzdem ein Glückstreffer! Dummerweise war der Kühlschrank nicht angeschlossen. Doch es gab ja noch die Vorratsschränke und in denen lagen haufenweise Reiswaffeln, Erdnüsse und ein paar weitere Müsliriegel. Nicht das beste Abendessen, aber satt gemacht hat es trotzdem.

Noch tiefer in die Dunkelheit hab ich mich allerdings nicht getraut. Alles, was ich brauchte, war in Reichweite. Also ... na ja. Weiter auf eigene Faust rumzuschnüffeln hätte schließlich gefährlich werden können, oder? Deshalb hab ich mich entschieden, auf Alex zu warten und ihn einfach zu fragen, wohin der Flur führt.

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