Prolog

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Flora

Blutgestank füllte die Luft und überdeckte alle anderen Gerüche. Fast schon betäubend hallte der Kampflärm in den Ohren des Mädchens.

Um sie herum waren Wölfe versammelt. Überall klebte Blut, selbst in ihren hellbraunen Haaren mit den blonden Strähnen. Ihre Haare waren feucht und der metallische Geruch von Blut kam aus ihnen hervor. Möglicherweise mein Blut, vielleicht auch das von anderen, ich kann es nicht mehr genau sagen.

Einige von den umstehenden Wölfe lagen am Boden. Nur wenige leckten sich die Wunden, die meisten waren zu schwer verletzt oder zu verängstigt, einige aber auch schon tot.

Flora zitterte bei dem Anblick der schmerzlich vertrauten Gesichter. Sie hatten so wild gewirkt, so unberechenbar. Ihre Augen waren rot gewesen vor Wut und Hass. Jetzt jedoch war ihr Blick völlig abgestumpft. Die alles ausfüllende Trauer hatte auch die letzten Reste ihrer Wut vertrieben.

Das neunjährige Mädchen hatte sich immer geborgen gefühlt, wenn sie bei ihrem Rudel gewesen war. Nun fühlte sie sich verlorener als jemals zuvor.

Ihre komplette Konzentration lag auf den Verwundeten und Toten. Ihre Rudelgefährten hatten ihre Schnauzen in den kalten leblosen Pelzen vergraben oder sahen ihnen resigniert zu, wie sie dalagen.

Die meisten Augen waren jedoch auf drei Werwölfe in der Mitte des Geschehens gerichtet.

Der hellbraune Wolf hörte mit sanftem Blick einer kleinen grauen Wölfin zu. Diese lag vor ihm auf dem Boden und wirkte durch das blutverschmierte Fell kleiner als sonst. Ihr Atem ging flach und ihre Worte waren schwach. Flora musste sich anstrengen um überhaupt etwas zu verstehen.

„Ich kann nicht mehr und ich will das auch nicht mehr. Du hast jemand besseren verdient. Jemand, der dich von ganzem Herzen lieben kann. Denn ich kann es nicht."

Flora konnte den Blick des hellbraunen Werwolfs nicht erkennten, doch das musste sie auch nicht. Dieser war bei ihren Worten kaum merklich zusammengezuckt.

Ein schwarzer Wolf saß völlig in sich zusammengesunken neben den beiden Wölfen, jegliche Kampflust war aus seinem Blick verschwunden. Obwohl er als ihr Mate die Schmerzen der grauen Wölfin spüren müsste, ließ er sich nichts anmerken. Vielleicht nahm er diese aber auch nicht wahr. All die Stärke und die Eitelkeit war weg. Seine Mate so zu sehen zerreißt ihn!

Flora strengte sich an um die weiteren Worte der grauen Wölfin zu verstehen, aber diese waren mittlerweile zu undeutlich geworden.

Noch nie in ihrem Leben hatte Flora sich so hilflos gefühlt. Madelyn war immer für mich da. Sie hat mich zum Lachen gebracht, wenn ich traurig war und mich überallhin mitgenommen, auch wenn sie eigentlich lieber etwas mit ihren Freunden unternommen hätte. Und ich kann ihr nicht einmal jetzt helfen!

Das Beben ihrer Flanke wurde immer schwächer, bis schließlich nur noch der Wind ihr Fell zerzauste.

Dann erfüllte ein herzzerreißendes Jaulen die Luft. Der schwarze Wolf taumelte, als hätte ihn jemand getreten. Immer wieder heulte er auf. Für Flora fühlte es sich an wie ein Schlag in den Magen.

Sie hätte sich am liebsten wimmernd zusammengerollt und von der ihr so vertrauten grauen Wölfin trösten lassen. Doch das ging längst nicht mehr.

Der hellbraune Wolf lag immer noch neben dem leblosen grauen Bündel. Der schwarze Wolf schien vor lauter Schock gar nichts mehr wahrzunehmen.

Er stolperte einfach in eine Richtung. Nach ein paar Schritten brach er jedoch mit einem klagenden Jaulen zusammen. Flora ließ den schwarzen Wolf nicht aus dem Augen.

Ihr ganzer Körper zitterte und ihre Beine drohten nachzugeben, als sie langsam rückwärts taumelte. All der Schmerz und all das Leid schlugen wie Wellen auf sie ein. Sie wollte sich umdrehen und rennen, aber ihre Füße waren wie festgefroren.

Ich will niemals so leiden! Nie, niemals! Ein Mate bedeutet nichts als Schmerz!

Noch während sie ihren Gedanken zu Ende dachte trat sie auf einmal mit ihrem Fuß ins Leere. Mit einem Schrei fiel sie in die Tiefe. Das Licht verschwand und Dunkelheit breitete sich aus.

Völlige Schwärze umgab sie.

Mate of my heart - The new beginning...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt