Flug mit dem Nachtschatten

86 6 7
                                    

Heidrun:
Rowin war gerade aufgebrochen, um sich mit Hicks zu treffen. Die Beiden wollten sich noch etwas unterhalten, über das Tattoo auf Rowins rechtem Unterarm, aber auch über einige von Hicks Erfindungen, allen voran seinen Gronckel-Eisen-Schild. Wie sich gestern gezeigt hatte, hatte Rowin ein richtig gutes Händchen für solche Dingen. Ich für meinen Teil konnte nach dem gestrigen Angriff allerdings nur noch an eines denken, die Tatsache, dass Rowin offenbar zu einem Volk gehörte, das sich in Drachen verwandeln konnte. Außerdem ließ es mich ebenfalls nicht los, dass er mich eiskalt darüber angelogen hatte, sich an nichts erinnern zu können. Deswegen hatte ich beschloss ihn zur Rede zu stellen, gleich heute, aber zuerst musste ich noch etwas erledigen. Als Rowin mein Haus verlassen hatte, war mir nämlich aufgefallen, dass er sein Schwert, welches er erst gestern von Leyla zurückbekommen hatte, nicht bei sich trug. Da er seit gestern nicht aus seinem Zimmer getreten war, musste er es irgendwo darin versteckt haben, weshalb ich beschlossen hatte, es mir zu holen. Es dauerte nicht lange, bis ich das kleine Gästezimmer durchsucht hatte, schließlich fand ich das Schwert, versteckt im Kleiderschrank. Vorsichtig zog ich die schlanke Klinge aus der Scheide und betrachtete sie genau. Die Machart war mir völlig fremd, von solch einer Klinge hatte ich zwar schon einmal gehört, angeblich waren sie im fernen Osten sehr beliebt, doch gesehen hatte ich so etwas noch nie. „Zeit Rowin zur Rede zu stellen", dachte ich und hängte die Waffe an meinen Gürtel.

Rowin:
Mein Treffen mit Hicks war ausgesprochen interessant, für einen Wikinger war er überraschend geistreich und einfallsreich. Neben der einzigartigen Schwanzflossen-Prothese seines Drachens Ohnezahn, hatte der Junge auch noch ein Schwert gebastelt, dass sich durch das Umlegen eines Hebels ganz einfach entflammen konnte. Meiner Meinung nach war die beste Erfindung von Hicks ein großer Schild aus Gronckel-Eisen, in den allerlei technische Spielereien eingebaut waren. Darunter war ein Seilwerfer, ein Miniatur Katapult und auch eine Vorrichtung, die Bolas auf Feinde schießen konnte, außerdem war der ganze Schild natürlich fast komplett unverwüstlich.

Mittlerweile saß ich auf der vom Berserkerdorf abgewandten Seite der Insel auf einer kleinen Klippe und meditierte. Das hatte ich schon seit Wochen nicht mehr gemacht, eine viel zu lange Zeit. Nach einigen Minuten, oder vielleicht auch Stunden, spürte ich schließlich wieder eine vertraute Persönlichkeit in meinem Innersten. „Wir sollten von hier verschwinden, aber das willst du nicht, oder?", fragte sie. „Ja, da hast du recht mein Freund. Selbst wenn ich es dafür mit Leyla, dem Seelenherrn und 1000 Seelenkriegern aufnehmen müsste, ich will hierbleiben", antwortete ich in meinen Gedanken, „Die Leute auf der Berserker Insel sind so nett zu mir gewesen und ich habe sie alle so gerne um mich, viel lieber als mein eigenes Volk. Ganz besonders Heidrun, sie ist irgendwie..." Sofort ließ ich von dem Gedanken ab, wie kam ich überhaupt auf so etwas. Ist ja nicht so als ob wir eine Beziehung führen würden, oder doch? Mir war schon aufgefallen, dass sie sich in meiner Gegenwart anders zu verhalten schien, irgendwie fröhlicher und ich musste zugeben, dass ich ihre Gesellschaft wirklich genoss. Aber das konnte man nun wirklich nicht als Beziehung sehen, oder?

„Mein lieber Rowin, nun gib doch endlich zu, dass du dich in deine drachenreitende Retterin verliebt hast", verlangte die Stimme meines Freundes leicht genervt. „Ruhe Feuerblitz", murrte ich, „ich habe mich nicht in sie verliebt. Mal ganz davon abgesehen, dass wir nicht zusammenpassen, würde es auch aus vielen anderen Gründen nicht funktionieren." „Du weißt es offensichtlich nicht, aber deine Gedanken und Fantasien verraten dich. Schon vergessen, dass unsere Seelen praktisch eins sind?", fragte Feuerblitz in meinem Kopf. „Toller Freund bist du. Da steckt dein Seelenbruder in einer kleinen Krise und du meinst nichts Besseres zu tun zu haben, als das Ganze noch zu verschlimmern", warf ich meinem Seelenbruder vor. „Ist ja gut", beschwichtigte Feuerblitz, „Es ist nur extrem nervtötend, wenn die eine Hälfte deines Geistes sich fast rund um die Uhr mit nur einer einzigen Person beschäftigt. Also wie kann ich helfen?" „Du kannst mir deine Meinung darüber sagen, was ich jetzt tun soll. Zurück nachhause ins Seelenreich will ich jedenfalls nicht, aber ich weiß auch nicht genau, ob ich hierbleiben soll. Immerhin bringe ich damit alle auf der Insel in Gefahr, deshalb sollte ich vielleicht für eine Weile untertauchen", meinte ich.

Dragons: Der SeelenbundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt