1. Bonusteil: Das Seelenreich

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Heidrun:
Seit dem Angriff der Seelenkrieger war nun etwa ein halbes Jahr vergangen. Ein halbes Jahr in dem ich Rowin viele meiner Lieblingsorte gezeigt hatte, die ich in den mir bekannten Inselreichen gefunden hatte. Unteranderem hatten wir auch Berk einen kleinen Besuch abgestattet, damit Rowin Haudrauf kennenlernen konnte. Natürlich hielten wir dabei unsere Verwandlung zur Sicherheit vor dem größten Teil des Dorfes geheim, lediglich Haudrauf selbst und seinen besten Freund Grobian weihten wir ein. Ansonsten verlief unser kleiner Ausflug ohne weitere Schwierigkeiten, was uns mehr als genug Zeit gab, die vielen Momente der Zweisamkeit zu genießen. Jetzt jedoch waren wir an einem Wendepunkt unserer Reise angelangt, denn nun wollten wir dem Seelenreich einen kleinen Besuch abstatten. Dies war natürlich Rowins Idee gewesen, da er mir nach der Reise durch meine Welt nun die seine zeigen wollte. Aus diesem Grund standen wir nun auf einer Felsenklippe, die an eine hohe Felswand anschloss und in der ein dunkler, schmaler Höhleneingang aufklaffte. „Hier ist es?", fragte ich vorsichtig. „Ja", antwortete er mir, „zugegeben es sieht nicht nach viel aus, aber am Ende dieser Höhlen liegt unser Ziel." „Höhlen?", erkundigte ich mich, „Ich dachte es wäre nur eine Höhle, die zum Seelenreich führt?" Ein leises Lachen verließ den Mund meines Freundes, bevor er antwortete: „Das stimmt auch, theoretisch ist es nur eine Höhle, aber es gibt drumherum noch sehr viele andere Höhlen, die ein ziemlich verwirrendes Labyrinth bilden."

„Ein Labyrinth? Habt ihr das erbaut, oder war es bereits so, als ihr es gefunden habt?", wollte ich nach dieser Aussage wissen. „Nein, tatsächlich haben wir Seelenkrieger dieses Höhlensystem zu dem gemacht, was es heute ist, um unseren Rückzugsort besser sichern zu können. Das Ganze geht auf meinen Vorgänger, den Nachtschattenkrieger von vor 200 Jahren zurück. Er sagte es wäre besser, wenn weder wilde Drachen, noch Menschen einfach so den Eingang zu unserer Welt erreichen könnten", erklärte Rowin. „Dein Volk war damals wirklich besorgt darum, dass die Menschen es nochmal entdecken könnten, oder?", fragte ich etwas unsicher, immerhin war ich ja auch ein Mensch, zumindest gebürtig. „Oh ja, aber du musst bedenken, dass die Menschen zu jener Zeit mein Volk auslöschen wollten, heute sieht die Situation selbstverständlich ein Wenig anders aus", gab er Auskunft. „Ja, aber nur dank dir", bemerkte ich lächelnd. „Nicht ganz, dein Bruder hat auch mitgeholfen, zusammen mit Hicks, Astrid, den Berserkern und nicht zuletzt auch dir", fügte er hinzu. „Danke für die Blumen", erwiderte ich geschmeichelt. „Wollen wir dann Liebes?", erkundigte sich Rowin lächelnd. „Wenn es sein muss", lenkte ich gespielt enttäuscht ein. „Begeisterung", murmelte Rowin, bevor er noch hinzufügte: „Hier geht es lang." Mit den letzten Worten hatte er ohne Vorwarnung meine Hand genommen und war in Richtung der Höhle gegangen, wobei er mich natürlich mitzog. Jedem anderen, den ich kannte, hätte ich dafür wahrscheinlich die Hand gebrochen und eine übergezogen, aber bei Rowin sah die Sache ganz anders aus.

Irgendwie hatte es durchaus etwas Reizvolles, mir von ihm diese neue und völlig fremde Welt zeigen zu lassen. Es erinnerte mich stark an die Zeit, die wir auf der Drachenklippe miteinander verbracht hatten und als er mir gezeigt hatte, wie ich mit meinen Fähigkeiten als Seelenkriegerin umgehen musste. Eine Zeit, die wir denke ich mal beide sehr genossen haben. Ungefähr eine halbe Stunde wanderten wir durch die dunklen Gänge des Höhlenlabyrinths und ohne meinen Fremdenführer, würde ich hier vermutlich nie mehr herausfinden. Zu meiner mittleren Überraschung benutzten wir keinerlei Fackeln oder andere Lichtquellen, denn unsere durch den Seelenbund geschärften Augen waren mehr als genug, um sehen zu können. „Wie lange dauert es denn noch?", fragte ich schließlich. „Nicht mehr lange, nur noch einmal Links, dann Rechts, Links, noch zweimal Rechts und ein allerletztes Mal Links", erklärte Rowin. „Langsam, wie kannst du dir das überhaupt merken?", wollte ich nur noch wissen. „Ganz einfach", antwortete er, „als meine Vorfahren diese Tunnel angelegt haben, haben sie die Abfolge der Gabelungen so gestaltet, dass sie mit der Schrittfolge eines traditionellen Tanzes der Seelenkrieger identisch ist." „Echt jetzt, ihr tanzt euch also hier durch?", erkundigte ich mich überrascht. „Wenn du es so sehen willst, ja", meinte Rowin mit einem Lachen, „Aber am Boden der Gänge befinden sich außerdem haarfeine Ablagerungen eines bestimmten Minerals, das bei völliger Dunkelheit leuchtet. Mittels dieses Minerals haben wir den Weg durch die vielen Höhlen markiert, da Menschen sich hier ohne Licht ja nicht zurechtfinden würden. Außerdem können, menschliche Augen nach unseren bisherigen Erkenntnissen das Licht des Minerals überhaupt nicht sehen, zumindest können auch wir das nicht vor dem Eintritt in den Seelenbund."

Dragons: Der SeelenbundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt