Die Ruhe vor dem Sturm

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Heidrun:
Noch am selben Tag, an dem Rowin und ich auf die Berserker Insel zurückgekehrt waren, hatte Dagur in einer öffentlichen Ansprache hin das Dorf über die Seelenkrieger aufgeklärt. Allerdings nicht ohne vorher von jedem einzelnen zu verlangen, das Wissen über dieses Volk und somit auch über Rowin und mich, niemandem von außerhalb zu erzählen. Wir Berserker waren ein stolzer Stamm, dessen Angehörige eher sterben würden, als ihr Wort zu brechen, daher machte ich mir keine Sorgen, dass dieses Geheimnis sich bald herumsprach. Inzwischen waren bereits drei Wochen vergangen und die Vorbereitungen, auf den Angriff der Seelenkrieger liefen auf Hochtouren. Rowin hatte sich überlegt, dass unsere beste Chance darin bestand, die Seelenkrieger kampfunfähig zu machen, bevor sie den Boden erreichen und sich verwandeln konnten. Ein Plan, der durchaus Sinn ergab, immerhin bestand der größte Vorteil der Seelenkrieger darin unsere Krieger im Kampf Mann gegen Mann auszuschalten. Aber solange sie noch als Drachen in der Luft waren, hatten wir eine gute Chance gegen sie anzukommen. Zu diesem Zweck hatten wir unsere Verteidigungsstellungen so umgestaltet, dass sie jede Art von Drachen leicht bezwingen konnten.

Außerdem hatte Rowin die letzte Woche damit verbracht, eine Rüstung für mich und auch für sich selbst anzufertigen. Bei der Herstellung verwendete er wieder die Schmiedeart seines Volkes, was die Rüstungsteile sehr viel leichter und gleichzeitig auch stabiler machte. Darüber hinaus bestanden die Rüstungen aus zwei einzelnen Schichten, die Innere wurde dabei von den eigentlichen Metallplatten und die Äußere aus einigen abgestoßenen Drachenschuppen gebildet. Bei Rowins Ausführung waren es die Schuppen seiner eigenen Gestalt als Nachtschatten, während er für meine die eines Klingenpeitschlings verwendet hatte. Diese Schicht gab der Rüstung nicht nur ein ziemlich gruseliges Aussehen, sondern schützte den Träger gleichzeitig auch vor großer Hitze und sogar Feuer. Letzteres hatte ich erst geglaubt, als Rowin mir gezeigt hatte, wie er seinen Arm mit der Lederkleidung, welche ebenfalls aus solchen Schuppen bestand, direkt in ein Feuer gehalten hatte, ohne zu Schaden zu kommen.

Vor der Tür der Schmiede stieß ich fast mit Astrid zusammen, die das Gebäude gerade verließ. „Oh, Heidrun! Ich wollte dich gerade holen, Rowin ist nämlich mit deiner Rüstung fertig geworden", teilte sie mir mit einem leisen Auflachen mit. „Das hat sich dann wohl gerade erübrigt", erwiderte ich lächelnd. Sofort nachdem ich diese Wort gesprochen hatte, betrat ich die Schmiede und sah sofort wie Rowin gerade eine Arm- oder Beinschiene mit Nachtschatten-Schuppen bestückte. „Hallo Heidrun, das ging ja schnell", witzelte er und sah von seinem Werkstück auf. „Also, du bist mit meiner Rüstung fertig?", fragte ich scherzhaft. „In der Tat, sie liegt im Nebenraum, wenn du willst kannst du sie gleich anprobieren", antwortete Rowin mit einem breiten Grinsen. „Gerne doch", gab ich zurück und wollte gerade hinüber gehen, als ich plötzlich Hicks Stimme aus dem hinteren Teil der Schmiede rufen hörte. „Rowin, ich krieg den Ausfahr-Mechanismus der Klinge einfach nicht hin, kannst du mal kommen?", fragte er. „Ausfahr-Mechanismus?", erkundigte ich mich in Rowins Richtung. „Oh, der Gute hatte eine Idee, wie er sein Flammenschwert verbessern könnte", gab er zurück, „wenn ich ihn richtig verstanden habe, soll man die Klinge jetzt wie ein Teleskop in den Griff schieben können. Außerdem plant er einen Mechanismus einzubauen, der Zipper-Gas versprüht und es mit einem Funken entzünden kann." „Also eine typische Hicks-Idee", meinte ich lachend. „Ganz genau", erwiderte er und ging zu Hicks nach hinten. Ich verschwand indessen im besagten Nebenraum, wo tatsächlich eine silberne Rüstung auf einem niedrigen Tisch lag.

Grinsend begann ich die einzelnen Stücke anzulegen und betrachtete mich danach in dem kleinen Spiegel, der ebenfalls im Zimmer stand. Staunend stellte ich fest, dass Rowin auch noch ein ausgezeichneter Rüstungsschmied war, die Rüstung passte perfekt und fühlte sich auch nicht so unförmig, wie andere es taten. Allerdings war sie auch nicht zu figurbetont, sondern lag perfekt auf der Mitte zwischen beiden Punkten. Darüber hinaus war die Rüstung sehr leicht und schränkte meine Bewegungen nicht im Geringsten ein, ich merkte fast gar nicht, dass ich sie trug. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich den Helm meiner Rüstung genau betrachtete, er verfügte über ein Visier und einen Mundschutz, beides einklappbar. Diese beiden Teile verhüllten außerdem mein komplettes Gesicht, lediglich meine smaragdgrünen Augen blitzten unter dem Helm hervor. Rowin hatte in ihn auch ein silbernes Horn eingearbeitet, welches zwischen den Augen begann und ein kleines Stück über meiner Stirn endete. In der Rüstung sah ich ein wenig aus wie die menschliche Version eines Klingenpeitschlings, was mir ungemein gefiel. Während ich noch immer voller Staunen meine Rüstung betrachtete, hörte ich auf einmal einen lauten Freudenschrei aus dem Hauptraum der Schmiede. „Es funktioniert! Es funktioniert!", schrie Hicks aus voller Kehle. Mit einem Augenrollen trat ich aus dem Nebenraum und sah, wie Hicks ein neues, etwas kleineres Feuerschwert staunend begutachtete.

Dragons: Der SeelenbundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt