2. Bonusteil: Die Seelenvereinigung

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Heidrun:
Zähneknirschend warf ich einen weiteren halbfertigen Dolch auf einen Haufen mit Altmetall und zerknüllte anschließend die dazugehörige Zeichnung auf dem Werktisch. „Wer hat sich denn bitte ausgedacht, dass die Seelenkrieger ihre Ehe nicht mit Ringen, sondern selbstgeschmiedeten Dolchen besiegeln?", fragte ich wütend in Gedanken. Bereits seit drei Tagen versuchte ich mich in der Herstellung meines Dolches, aber fertig war ich noch nicht einmal im Entferntesten und selbstverständlich war die Hochzeit schon morgen. Nach der Tradition von Rowins Stamm musste man den Dolch nämlich auch so gestalten, dass er dem Charakter der Person, die man heiraten wollten, möglichst genau entsprach. Wie genau das funktionieren sollte, hatte ich allerdings noch nicht herausgefunden und der einzige Tipp, den mir Rowin geben konnte, war, dass ich es schon erkennen würde, wenn ich fertig wäre. Dazu kam selbstverständlich noch die Tatsache, dass es als schlechtes Omen angesehen wird, wenn dem zukünftigen Gemahl der Dolch nicht gefiel. Mürrisch setzte ich mich an den Tisch, nahm einen Kohlestift in die Hand und grübelte über den nächsten Entwurf nach, leider mit bescheidenen Ergebnissen. „Kommst du nicht voran?", fragte plötzlich Astrids Stimme hinter mir. Ihr war es genauso wie Hicks und Dagur erlaubt worden, sich für die Dauer der Hochzeit, sowie einige Tage davor und danach im Seelenreich aufzuhalten. „Ja", grummelte ich zurück.

„Kann ich irgendwie helfen?", erkundigte sie sich weiter. „Solange du nicht in meinen Kopf gucken und mir sagen kannst wie der perfekte ‚Ehedolch' für Rowin aussieht nicht. Verdammt, ich versuche schon seit Stunden mir Klarheit darüber zu verschaffen, wie ich Rowin sehe, aber erreicht habe ich absolut nichts", antwortete ich. „Vielleicht solltest du das Ganze einmal etwas anders angehen und nicht versuchen dir Rowin jetzt vorzustellen, sondern im Verlauf eurer gemeinsamen Zeit", schlug Astrid vor. „Na schön", stimmte ich zu, eine bessere Idee hatte ich immerhin auch nicht. „Gut, also wie hat Rowin auf dich gewirkt, als du ihn zum ersten Mal gesehen hast?", hakte Astrid genauer nach. „Ehrlich gesagt, habe ich Rowin anfangs für einen eher weniger kampfstarken Pechvogel gehalten, da er nun mal die Statur von Hicks hatte. Aber als ich dann seine wahre Identität als Seelenkrieger entdeckte, habe ich angefangen ihn mehr und mehr zu mögen", erklärte ich leise. „Also, du konntest ihn am Anfang nicht richtig leiden, aber als du dann seine wahre Seite kennengelernt hast, hast du begonnen dich in ihn zu verlieben, korrekt?", fragte Astrid. „Grob gesagt schon", bestätigte ich, „von außen schien er mir unscheinbar und irgendwie auch langweilig. Doch schließlich habe ich den wahren Rowin hinter seiner Maske erkannt und entdeckt, dass er einen überraschend angenehmen Charakter hatte." Kaum hatte ich zu Ende gesprochen, blitzte auf einmal eine Idee durch meinen Kopf und schlagartig wusste ich, wie der Dolch aussehen musste. Begeistert fing ich an, aus meinen Gedanken eine Skizze und diese im Anschluss in einen fertigen Dolch zu machen. Astrid ließ mich bereits nach wenigen Minuten alleine, um mich nicht weiter zu stören, wofür ich ihr auch dankbar war. Am Ende des Tages hatte ich es schließlich geschafft, der traditionelle Ehedolch aus silbernem Stahl, sowie die dazugehörige, mit Klingenpeitschlingschuppen bestückte Scheide, waren endlich fertig.

Rowin:
Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen, mein Ehedolch für Heidrun war bereits seit gestern fertig. Als ich endlich erkannt hatte, was ich wirklich für sie empfand, ging der Rest vergleichsweise schnell, auch wegen meines umfangreichen Wissens in Sachen Schmieden. Dennoch war ich unglaublich aufgewühlt wegen des morgigen Tages, genauer gesagt meines Hochzeitstages. Natürlich liebte ich sie von ganzem Herzen, aber Heidrun war nun mal... Heidrun. Sie war wunderschön, unfassbar willensstark, aber vor allem hatte sie ihren eigenen Kopf. „Konnte das auf Dauer geht gehen?", fragte ich mich immer wieder im Stillen. Zugegeben, Heidrun und ich waren jetzt etwas weniger als ein Jahr offiziell zusammen, aber trotzdem war ich mir immer noch unsicher. Den einzigen Trost fand ich in der Tatsache, dass es uns nach den Traditionen der Seelenkrieger für diese Nacht verboten war, in einem Bett, oder auch nur im Selben Zimmer zu schlafen. Hätte ich die ganze Nacht mit ihr verbringen müssen, wäre das sicherlich nicht gut gegangen. So lag ich jetzt also in einem der vielen Gästezimmer der Zitadelle und versuchte meine Aufregung zu vergessen, um endlich einschlafen zu können. Aber selbstverständlich gelang mir das nicht, egal was ich auch ausprobierte, irgendwie musste ich immer wieder an den morgigen Tag denken, wodurch ich wachgehalten wurde. Schließlich gab ich es auf, stieg wieder aus dem Bett und zog mich an, hier konnte ich gerade einfach nicht zur Ruhe kommen. Vielleicht half es ja, wenn ich für eine kurze aus der Zitadelle herauskam.

Dragons: Der SeelenbundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt