Kapitel 19

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"Gott sei Dank haben wir einen Enterhaken dabei. So ziehen wir nicht so viel Aufmerksamkeit auf uns", meinte Ozric und schoss ihn durch das Fenster des Gebäudes. Joanne und er befanden sich auf ihrer ersten Mission. Sie sollten die Sommerresidenz des Königs ausrauben. Ziel war es, die Pläne des Schlosses sowie wertvolle Gegenstände zu erbeuten, letzteres sollte verkauft werden, um die arme Bevölkerung zu unterstützen. Angestrengt zog Joanne sich am Seil empor und kletterte über die Steinkante durchs Fenster. Sie hatten Glück, dass gerade keine Wachen vorbeikamen. Ozric folgte ihr und legte sich das Seil dann über die Schulter. 

"Also, zum Besprechungsraum geht es da lang", flüsterte Joanne und schlich durch die Gänge, ohne auch nur einen Mucks zu machen. Ihr Begleiter hielt ihr den Rücken frei. Nach einer Weile erreichten sie eine verschlossene Tür. "Mal sehen was ich dabei habe, bestimmt finde ich etwas Spitzes um das Schloss aufzu- " Mit einem lauten Krachen stürzte die Tür zu Boden und wirbelte Staub auf. Der Ork hatte sie mit einem Tritt dem Erdboden gleich gemacht. "Ist das dein Ernst? Ist das deine Definition von unauffällig?", flüsterte Joanne. "Jetzt brauchst du nicht mehr zu flüstern", entgegnete Oz witzelnd. Seine Begleiterin warf ihm einen Blick zu, der tausend Worte sprach. Eilig sprang sie in den dunklen Raum und schnappte sich die Schriftrollen. Schnurstracks bahnte sie sich danach ihren Weg zur Schatzkammer. Auf dem Weg dorthin kreuzten Wachmänner ihren Weg, da kamen sie um einen Kampf nicht herum. Sie waren in der Unterzahl und trotzdem konnten sie alle überwältigen. Die nächste Patrouille würde nicht lange auf sich warten lassen. Sie mussten sich beeilen. Hastig rannten sie zu Schatzkammer, erledigten die dortigen Wachen und stießen die Tür auf. "Schnapp dir, so viel du tragen kannst", keuchte Joanne und stopfte sich allen möglichen protzigen Klunker in die Taschen. Als sie keinen Platz mehr fanden, beschlossen sie zu gehen. Die Tür schlossen sie wieder, in der Hoffnung, dass es dann nicht allzu schnell auffallen würde. Mit klimpernden Taschen flohen sie vor den herbeistürmenden Palastwachen. Einzelne Ringe und Armreife purzelten hinter ihnen zu Boden und zogen eine goldene funkelnde Spur durch die Gemäuer. Als sie das ursprünglich als Einstieg genutzte Fenster erreichten, warteten dort bereits weitere Wachen auf sie. "Gibst du mir Schwung?", fragte Joanne während sie auf sie zuhielten. Ozric schien zu verstehen und so sprang sie auf seine gefalteten Hände und machte einen Satz über die erstaunten Männer vor ihr. Sie sahen ihr erschrocken hinterher. Als sie sich wieder umdrehten, bekamen sie Ozrics Fäuste zu spüren. Nun mussten sie sich einen anderen Ausweg suchen. Da erblickte die junge Frau einen Balkon. Perfekt. So schnell sie konnte fixierte sie das Seil an einer der Marmorsäulen und winkte Ozric zu sich. "Du zuerst", rief sie. "Kommt gar nicht in Frage", entgegnete er und metzelte noch einen Gegner weg. Schulterzuckend seilte sie sich ab und schaute nach oben. Er ließ sich ganz schön Zeit da oben, das konnten sie sich gar nicht leisten. Bald würde gegnerische Verstärkung eintreffen. 

Da kam er endlich hinunter, er fiel mehr als zu klettern. Er stürzte. "Alles okay?", fragte sie ihn mit einem leichten Grinsen, sie versuchte nicht zu lachen. "Ja. Los, lass uns verschwinden." In diesem Moment erschienen Bogenschützen an den Fenstern. Es war wirklich an der Zeit. Die beiden sprinteten zu ihren Pferden, welche im Gebüsch versteckt auf sie warteten. Mit einem lauten Wiehern setzten sich die beiden Gaule in Bewegung und retteten die Einbrecher aus der Gefahrensituation. Die Pfeile sausten durch die Luft, erreichten allerdings nicht ihr Ziel. Erleichtert atmete Joanne auf und blickte zurück. Niemand folgte ihnen. "Das lief doch gut für unsere erste gemeinsame Mission!", rief Ozric und grinste breit. "Das lief bei weitem nicht gut! Wärst du nicht so übertrieben laut gewesen hätten sie uns gar nicht bemerkt. Wir wurden fast von Pfeilen durchbohrt!" Joanne war wütend. Das war ein unnötiges Risiko das hätte vermieden werden können. "Das ist aber nicht passiert! Komm schon, lass es uns feiern, wenn wir zurück sind." "Und ich dachte, ich sei leichtsinnig!", meckerte sie, dann schwieg sie. Sie wollte sich eigentlich gar nicht aufregen, er hatte Recht, sie hatten es geschafft. Plötzlich verspürte sie eine Sehnsucht nach Alkohol. Ein kaltes Kellerbier war jetzt genau das, was sie brauchte, um diesem Tölpel nicht den Kopf abzureißen. Er hatte Glück, dass sie ihn mochte.

"Auf die Mission!", grölte Ozric und stieß mit Joanne und Arthur an. Sie tranken bereits das zweite Bier. Da erschien Merlin neben ihnen und setzte sich. "Die Karten die ihr gebracht habt, sind unvollständig." Entgeistert starrte Joanne ihn an. "Wie meinst du das, unvollständig?" "Ihr habt die Hälfte dort vergessen, es fehlen diverse Etagen auf den Skizzen." "Es waren dort keine weiteren Papiere!", entgegnete sie und schlug den Bierkrug auf den Tisch. Das durfte nicht wahr sein. Den Wachen nur um ein Haar entkommen, und dann noch nicht einmal die Aufgabe erledigt. Das konnte nicht sein Ernst sein. "Das möchte ich dir gern glauben, aber ich weiß wie du bist." "Achja, wie bin ich denn?", fragte Joanne und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Oz beobachtete die Szene beunruhigt. Wenn die beiden aneinander gerieten, wusste er nicht, wer gewinnen würde. So oder so würde das bittere Konsequenzen nach sich tragen. Vorsichtig berührte er Joannes Schulter und versuchte, sie zu besänftigen. Sie zuckte kurz zusammen und atmete dann tief durch. "Komm schon, du weißt dass es berechtigte Kritik ist. Du bist leichtsinnig und erledigt Aufgaben viel zu hastig und lässt die Qualität und Vollständigkeit darunter leiden." Er hatte Recht, dachte sich der Ork. "Leichtsinnig? Dann kannst du Ozric genauso eben belehren, er hat Türen eingetreten, ohne mit der Wimper zu zucken." Verpetzte sie ihn etwa? Merlin zog die Augenbraue hoch. "Nun, dazu fällt mir wahrlich nichts mehr ein." "Sagst du dazu nichts???", meinte Joanne und kippte sich den Krug Bier hinter, den sie sich in Rage befüllt hatte. "Vor ihm habe ich dann doch zu viel Angst, äh ich meine Respekt." Grummelnd blickte sie ihn an. Oz wusste, dass sie Merlin am liebsten einen Kopf kürzer machen würde. Doch überraschenderweise hielt sie sich zurück und setzte sich wieder an ihren ursprünglichen Platz am Stammtisch. Seufzend verließ Merlin daraufhin den Keller und überließ die Truppe wieder ihrem Alkoholexzess. Nun hatte der Ork ein schlechtes Gewissen. Behutsam rückte er näher an Joanne heran und legte seinen Arm um sie. "Hör mal, es tut mir leid, dass ich heute so unüberlegt gehandelt habe. Das war nicht meine Absicht. Manchmal sind meine Muskeln schneller als mein Hirn." Frustriert nahm sie seinen Arm von ihren Schultern und schaute ihn auch nicht an. "Ich verstehe das nicht. Dort waren keine weiteren Pläne, ich hab es doch gesehen. Jemand muss sie versteckt haben. Jemand der wusste, dass wir kommen würden." Etwas seltsam war es schon. Doch Ozric vertraute lieber auf Merlins Vermutung, dass sie nicht gründlich genug suchte. Denn warum sollte man die andere Hälfte der Karten dort lassen? Das ergab nun wirklich keinen Sinn. "Weißt du, ich denke die Pläne die du gefunden hast, werden uns schon eine große Hilfe sein. Vielleicht brauchen wir die restlichen Seiten gar nicht. Warten wir, bis Merlin sie studiert hat. Hm?" Aufmunternd stupste er sie mit dem Arm an. "Ich bin trotzdem unzufrieden mit dem Verlauf des heutigen Tages", murmelte sie. "Ich kann ihn für dich besser machen", raunte Ozric. Joanne drehte sich zu ihm und realisierte dann, was er damit überhaupt meinte. "Oz!", rief sie und schlug ihn von der Bank. Das war wohl unangebracht.

On the runWo Geschichten leben. Entdecke jetzt