Kapitel 29

0 0 0
                                    

Ozric stand neben seiner Partnerin und betrachtete die riesige, schwere Tür. Sie war unbewacht. „Überlass mir den Vortritt", bot er an. Joanne schüttelte den Kopf und zückte ihren Bogen. Gerade als sie die Tür öffnen wollte, tat sie sich von allein auf.

Der Saal war dunkel, keine Lichter brannten, niemand war hier. Der Ork entzündete eine Fackel und nahm sie in die Hand.

Im schummrigen Licht erblickten die beiden Grausames.

Eine gewaltige Folterkammer. 

Fürchterliche Gerätschaften standen im Raum herum. Man hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, die verendeten Menschen zu entfernen. Überall hingen oder lagen verstorbene, zu Tode gefolterte Morlaner. Das war nicht einfach nur ein Lager, der König ließ hier Menschen foltern, vermutlich regierte er sogar aktuell von diesem Standort aus, denn am Ende des Raumes stand ein Thron. Kisten standen in den Ecken des Saals, Gold und andere Wertgegenstände quollen aus ihnen heraus. Neben den Foltergeräten lagen fein säuberlich sortierte und zusammengelegte Kleidungsstücke. Es herrschte eine nahezu akribische Ordnung und Sauberkeit, wobei letzteres absolut makaber schien, bei all den Leichen.

Joanne stand immer noch wie angewurzelt am selben Fleck. Inzwischen hatten sich weitere Leute zu ihnen gesellt und betrachteten das Grauen. „Herr Gott, jetzt nehmt doch die Armen endlich von den Geräten!", rief Ozric. Er war aufgebracht, das alles erinnerte ihn an dunkle Zeiten. Zeiten, die anscheinend zurückgekehrt waren, nur waren die Morlaner dieses Mal die unschuldigen Opfer. Aggression kochte in ihm hoch und drohte, heraus zu sprudeln. Die Rebellen nahmen die Toten behutsam von den Foltermaschinen und trugen sie aus dem Raum.

Es waren auch Kinder unter ihnen.

Ozric wurde schlecht. Seine Mundwinkel zuckten, er ballte die Fäuste. Das konnte sich unmöglich wiederholen. Durfte es einfach nicht. All diese unschuldigen, einfachen Leute wurden völlig grundlos zu Tode gequält. Und das einfach nur zum Amüsement des Königs. Dieser sadistische Hurensohn.

Das wars, Oz konnte es nicht mehr in sich halten. Unter lautem Gebrüll schlug er die Geräte um. Etwa eine halbe Stunde lang prügelte er auf diese schrecklichen, von Menschen erbauten Konstrukte ein, vor seinem inneren Auge Bilder von leidenden Menschen, die hier sterben mussten, sie verwandelten sich in Bilder von Seinesgleichen, die elendig dahingerafft wurden. Er zerstörte jedes einzelne Foltergerät, bis nur noch ein Haufen Holz und Metall übrigblieb. Blut tropfte an seinen Händen herunter, er hatte sie sich in Rage aufgeschlagen. Jetzt war alles vorüber, was blieb war das Entsetzen, die Trauer. Tränen schossen ihm in die Augen und ehrfürchtig fiel er auf die Knie. Da spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Joanne. Auch sie hatte glasige Augen. „Ozric. Ich weiß, dass es dich sehr mitnimmt... Aber... Wir müssen uns jetzt erst einmal um unsere Leute kümmern. Ihnen können wir immer noch helfen, diesen Menschen hier nicht mehr. Lass sie uns, wenn alles vorbei ist, angemessen begraben, ja?" Ihre Stimme war so ungewohnt sanft. Sie bemühte sich offensichtlich, ihn zu beruhigen. Und es funktionierte. Schniefend nickte er und lehnte seinen Kopf nach hinten an ihre Brust. Ihr Herz pochte sehr schnell, die Hände legten sich an sein Gesicht und wischten die Tränen weg. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er weinte.

Wenig später befanden sie sich im Schlafsaal neben dem Bett von Arthur. „Wann wacht er auf?", fragte Joanne. „Schon sehr bald. Er ist gut davongekommen", antwortete einer der Kameraden. Zufrieden nickte sie. Ozric war immer noch sehr niedergeschlagen, er brauchte frische Luft. Er ließ sie mit den anderen allein und schaute draußen nach dem Rechten. „Wie sieht es aus?", murmelte er. „Wir rechnen in der nächsten Stunde mit den Truppen des Königs. Die Ablenkung wird nicht lang effektiv sein", erklärte Arthurs Vater. „Was Neues von Merlin?" „Negativ." „In Ordnung. Seht zu, dass wir möglichst viel Proviant mitnehmen, bevor wir die Hütte anzünden."

On the runWo Geschichten leben. Entdecke jetzt