Kapitel 23

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Stöhnend setzte Joanne sich auf und fand sich in ihrem Gemach wieder. Ihr Rücken zwickte ein bisschen, aber sie empfand keine Schmerzen. Was war passiert? Da erblickte sie Ozric neben sich. "Wie gehts dir?", fragte er. Sein Gesicht war blass, tiefe Augenringe untermalten seine sonst so sanften Augen. "Mir gehts gut." "Wunderbar. Du hattest einen Pfeil im Rücken, er hätte fast deine Lunge durchbohrt. Merlin hat das wieder grade gebogen." "GeBOGEN", sagte Joanne und prustete los. "Ist dir der Ernst der Lage bewusst? Du hättest sterben können." "Entschuldige." Sein Gesicht entspannte sich langsam. "Aber wenn du Witze reißen kannst, geht es dir wohl wirklich gut. Hast du Hunger?" Sie nickte. Zu zweit machten sie sich auf den Weg zum Speisesaal. Joanne wusste nicht, weshalb sie dem Tod so ins Gesicht lachen konnte, was sie so beflügelte, doch sie fühlte sich unverwundbar. Es gefiel ihr, so zu leben. Vermutlich würde Merlin diesen Lebensstil wieder als leichtsinnig betrachten. Doch es war nicht ihre Schuld, dass sie getroffen wurde, sie hatte es ja nicht einmal bemerkt. Nachdem sie sich etwas zu essen holten, saßen sie jeder mit einem Krug Bier am Tisch und besprachen die nächste Mission, als wäre nichts gewesen. Joanne war froh, dass es so war, denn sie wollte keinen Krankenschutz. Ihr ging es gut, also war sie einsatzfähig und bereit, dem König das Leben schwer zu machen. Als alles besprochen war, setzte sich Arthur zu ihnen. Ozric und er tauschten Zeichen aus und beide lachten dann laut. Joanne hatte nicht die geringste Ahnung wovon sie sprachen, doch es schien alles in Ordnung zu sein. Auch Arthur holte sich ein Bier und so kam es, dass die Drei nach Stunden als Letzte im Saal saßen und tranken. Der Pegel war wieder mehr als spürbar, die Tatsache, dass sie morgen bereits auf die nächste Mission mussten, hielt sie nicht davon ab, über den Durst zu trinken. Sie verloren den Überblick über die Zeit und waren erstaunt, als es draußen bereits wieder hell wurde. Arthur beschloss, sich für ein paar Stunden aufs Ohr zu hauen, also begaben sich auch Ozric und Joanne in ihr Zimmer. Gähnend setzte sie sich auf das Bett und streifte sich das Hemd über den Kopf, ohne auch nur eine Sekunde daran zu denken, dass Oz hinter ihr war. Doch der war überhaupt nicht geistig anwesend und übersah die Tatsache, dass sie sich entblößte. Viel mehr widmete er sich ihrer Wunde, welche eine neue Versorgung brauchte. Als ihm dann dämmerte, was gerade geschah, errötete er und räusperte sich. Joanne lachte. "Ich beiße nicht, Oz. Könntest du dir meinen Rücken einmal ansehen?" "Das tue ich." "Idiot, du weißt was ich meine!" Der Ork vergaß seine Verlegenheit und konzentrierte sich darauf, ihr zu helfen. Mit Hingabe wickelte er den vollgesogenen Verband ab. Das letzte Stück musste er vorsichtig abreißen, da sich der Stoff an der Haut festgeklebt hatte. Joanne schien nichts von alldem zu spüren. "Ich muss das sauber machen", murmelte er. Da er größer als sie war, konnte er über ihren Kopf hinweg schauen und somit auch über ihre Schultern. Hypnotisiert sah er auf die blanken Brüste unter ihm. Nein, dies war ein wahrlich unangemessener Zeitpunkt für sowas. Ozric stand auf und suchte aus der Schublade ein Fläschchen mit hochprozentigem Alkohol. Einfühlsam rieb er die betroffene Stelle damit ein. Auch jetzt verzog die Verletzte keinerlei Miene. Sie hatte offenbar genug intus, um im Stand einfach umzufallen. Seltsamerweise hatte sie dafür gute Kontrolle über ihre motorischen Fähigkeiten. Dachte er zumindest, denn als er gerade einen frischen Verband angelegt hatte, fiel sie nach hinten um und lag mit ihrem Hinterkopf an seiner Brust. Nun kam er dem Anblick nicht mehr aus dem Weg. Ihm wurde ganz heiß. Ganz sachte schob er sie beiseite und legte sie hin. Joanne murmelte irgendwas, doch es war unmöglich sie zu verstehen. Oz empfand den Drang, sie zu berühren, doch er wusste wie falsch das war. Wie er sich derart beherrschen konnte, war ihm jedes Mal aufs Neue ein Rätsel. Behutsam deckte er Joanne zu und legte sich selbst ein wenig hin. Die Mission würden sie verkatert meistern müssen, aber das war ja auch nicht das erste Mal. Sein Kopf drehte sich, als er einschlief und das lag nicht am Bier.


Die beiden schlummerten mit Ach und Krach vier Stunden, bis sie von Merlins Klopfen aus dem Schlaf gerissen wurden. Völlig fertig krabbelte Ozric aus dem Bett und öffnete die Tür um einen Spalt. "In einer Stunde Besprechung im Speisesaal." Als Merlin sah, wie verkatert der Ork war, seufzte er nur noch. Was sollte er auch groß dazu sagen? Anscheinend war die ganze Geschichte für die beiden nur ein einziger Alkoholexzess. Doch solange sie ihre Aufgaben erledigten, konnte er nichts einwenden. Oz kroch wieder zu Joanne unter die Decke und erschrak schon wieder. Er hatte ganz vergessen, dass sie oben ohne eingeschlafen war. Sanft rüttelte er sie wach. Mit einem Ruck schreckte sie hoch und saß aufrecht neben ihm. Sofort schaute er weg. Natürlich war sie noch lange nicht ausgenüchtert. Mit einem Lallen verließ sie das Bett. "Wie lang haben wir geschlafen?" "Ich schätze so vier Stunden." Etwas belustigt war er ja schon. Im Gegensatz zur ihr konnte sein Körper den Alkohol recht schnell abbauen und er war gerade definitiv nüchterner als sie. "Komm, wir essen was und trainieren dann noch einmal deine Kampffähigkeiten." Arm in Arm schlurften sie in den Speisesaal nachdem Joanne sich umgezogen hatte. Dort herrschte reges Treiben. Hungrig stopfte sie sich ein Brot nach dem anderen in den Mund und spülte es mit viel Wasser hinunter. Danach begaben sie sich zum Trainingsplatz. Ozric wollte sich vergewissern, dass sie trotzdem noch halbwegs zielsicher kämpfen konnte. Denn andernfalls wäre die heutige Mission ein unnötiges Risiko. Er tat es immer so, wenn sie am Abend zuvor getrunken hatten. Doch heute war er sich nicht so sicher, ob sie den Test bestehen würde.

Joanne strich sich die Haare aus dem Gesicht und begab sich in Kampfposition. Ihr Schwert wackelte kein bisschen in ihrer Hand, sie hatte einen festen und sicheren Griff. Sie war etwas erstaunt über sich selbst. Vorhin schwankte noch alles um sie herum, doch nun war sie fokussiert und zielsicher, alles andere stand still. Ihr Trainingspartner war Arthur, welcher nur zwei Bier am vorherigen Abend getrunken hatte. Wenn sie gegen ihn ankam, war das ein gutes Zeichen für ihre Mission heute. Es dauerte nicht lange, da war der Kampf entschieden. Völlig verschwitzt pustete sich Joanne die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ozric beobachtete sie aus der Ferne und grinste zufrieden.

Oz war hin und weg, als er sah, wie sie Arthur mit nur wenigen cleveren Schachzügen besiegte. Sie hatte viel dazugelernt in der letzten Zeit, nicht nur pure Körperkraft sondern auch Geschick hatte sie sich angeeignet. Und als sie dort so stand, in Schweiß getränkt und mit schmutzigem Gesicht, war sie atemberaubend. Er musste sich kurz besinnen ehe er zu den beiden ging. "Das ist dann wohl ein klarer Sieg. Komm, wir gehen zur Besprechung." Zufrieden folgte Joanne ihrem Begleiter zu Merlins Zimmer. Dieser hatte einige Bücher und Karten aufgeschlagen und schaute hoch, als sie den Raum betraten. Der Tisch vor ihm war absolut chaotisch, doch Ozric war sich sicher, dass der junge Zauberer als einziger die Ordnung darin verstand. "Da seid ihr ja. Also, eure bisherigen Missionen waren sehr erfolgreich, nunja, größtenteils", unterbrach er, "Aufgrund des Krieges bekommt der König immer mehr Güter aus den besetzten Gebieten. Daher machen ihm unsere niedlichen kleinen Angriffe nicht so viel aus, wie sie sollten. Daher müssen wir ein bisschen mehr Aufsehen erregen." Der Ork strahlte. Das klang vielversprechend. Doch dann schlug seine Stimmung um. War Joanne bereit dafür? Er hatte sich über die Zeit seine Sorgen um sie abtrainiert. Er hatte festgestellt dass sie ihn und sie behinderten, und das wollte er nicht. Doch nun gab es Grund zur Befürchtung, dass ihr etwas zustoßen könnte. Was war, wenn Merlin nicht noch einmal rechtzeitig helfen könnte? Doch er zwang sich zur Beruhigung. Er durfte sie nicht derart bevormunden und ausschließen. Sie hatte ihre Fähigkeiten wiederholt bewiesen, also sollte er sie als gleichstark behandeln. "Heißt das, wir machen was kaputt?", fragte Joanne benommen. Merlin zog mit den Augenbrauen hoch, schmunzelte dann aber. "Damit hast du gar nicht so Unrecht." Merlin setzte seine Erklärung fort und wies die beiden an, sich jeweils eine Gruppe zusammenzustellen, damit sie die Mission meistern könnten. Für Ozric stand bereits fest, dass Arthur dazu gehören würde. Den Rest des Vormittags verbrachten beide damit, ihre Crew zusammenzustellen und in den Plan einzuweihen. Das Ziel: eine Stadt nahe der Kriegsfront in Morlana. Dort hat der König eine Produktionsstätte aufgebaut, welche für die Versorgung der Soldaten unentbehrlich war, angeblich ein großer Getreidespeicher. So zumindest sagte es die Bevölkerung. Merlin wusste aus Quellen, dass es sich dabei um ein Waffenlager handelte. Sie haben dort sogar eine große Schmiede errichtet, um die Waffen nicht durch das ganze Land schleppen zu müssen. Ozric war etwas mulmig zumute, ein von Krieg gezeichnetes Land zu betreten. Doch gleichzeitig wusste er, wie wichtig dieser Angriff war. Er hoffte, dass die dortigen Zustände ihn nicht allzu sehr in die Vergangenheit zurück zogen.

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