Alasdair starrte konzentriert auf die Wand, die den Sitzbereich vom Cockpit abtrennte. Quendresas Reaktion auf einen der Arbeiter im Hangar missfiel ihm. Für einen Augenblick hatte sie wie versteinert gewirkt. Ganz so, als hätte sie nicht erwartet, den Mann dort zu sehen. Da steckte somit mehr dahinter. Seine Gefährtin sorgte sich. Ein Grund mehr für ihn, um wachsam zu bleiben. In der Welt der Gripari war sie auf seinen Schutz angewiesen. Ein Punkt, der noch zu einigen Diskussionen führen würde.
Kaum hatte das Shuttle an die Caleasse angedockt, führte er Quendresa zu einer Biresse, einem der Jägerschiffe, und forderte sie auf, einzusteigen. Kurz zog sie ihre Augenbrauen zusammen, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst.
Alasdair zögerte. Wenn er ihr jetzt erzählte, was ihn beschäftigte, verloren sie kostbare Zeit. Seine Sinne warnten ihn ohne Unterlass vor einer drohenden Gefahr. Das brennende Kribbeln im Nacken, sein Herz, das ständig aus dem Takt stolperte. Sein Instinkt riet ihm davon ab, auf der Caleasse zu bleiben, obwohl es in diesem Teil der Galaxie keine Gegner gab, die ihnen gefährlich werden konnten. Das Gefühl war zu ausgeprägt, um es zu ignorieren. Einmal hatte er nicht auf seine innere Stimme gehört. Mit welchen Folgen? Einhundert Jahre im Kryoschlaf. Doch jetzt blühte ihnen Schlimmeres, das spürte er genau. „Ich erkläre es dir später", merkte er mit einem Seitenblick auf seine Gefährtin an. Er würde dafür sorgen, dass sie vorläufig immer in seiner Nähe blieb.
War es falsch, sie im Dunkeln zu lassen? Vermutlich. Förderlich, um ihr Vertrauen zu gewinne, war es auf jeden Fall nicht. Doch je mehr sie erfuhr, desto größer wurde die Zielscheibe auf ihrem Rücken. Das Ergebnis des zweiten Bluttests allein bedeutete den sicheren Tod, wenn die falschen Personen davon Kenntnis nahmen.
Gerade dieses Wissen führte dazu, dass er im Augenblick seine Loyalität grundlegend überdachte. Nach der Ankunft auf Macra wartete Arbeit auf ihn. Tätigkeiten, die nicht legal sein würden.
„Dein Unbehagen steht dir ins Gesicht geschrieben." Mit dieser beiläufigen Bemerkung ließ seine Gefährtin sich auf den Co-Pilotensessel fallen.
„So viel glücklicher siehst du im Moment auch nicht aus", brummte Alasdair. Er schuldete ihr einige Erklärungen. Vor allem, wenn er sich erhoffte, dass sie seine Gegenwart nicht nur duldete, sondern sich danach sehnte, von ihm gehalten zu werden.
„Warum sollte ich, wenn ich verschleppt werde?" Sie zuckte mit den Schultern, wandte sich dann den verschiedenen Knöpfen, Reglern und Schaltern zu und musterte diese ausgiebig.
Womöglich war das ein Punkt, an dem er ein Gespräch anknüpfen konnte. Irgendwie musste er das Eis doch brechen. „Weißt du, wie man einen Jäger fliegt?" Er setzte sich, zog sein Buch aus der inneren Manteltasche und legte es zur Seite. Niemals würde er zulassen, dass es in einem Gepäckstück transportiert wurde. Feinde lauerten überall, wie es schien.
„Nein, ich bevorzuge es, mit beiden Füßen auf dem Erdboden zu bleiben. Bevorzugt auf meinem Heimatplaneten." Sie zog die Nase kraus. „Du befürchtest einen Angriff auf den Konvoi. Deswegen bist du so nervös." Sie schüttelte den Kopf. „Der Widerstand verfügt nicht über die notwendigen Raumschiffe, um den Caleassen gefährlich zu werden."
„Das habe ich auch gehört." Er rollte mit den Schultern, um das Kribbeln zwischen den Schulterblättern zu verscheuchen. „Doch etwas gefällt mir an der Sache nicht."
„Hast du mich deshalb in dieses Skelett aus Metall und Elektronik verschleppt?" Sie wandte ihm das Gesicht zu, auf dem er nur zu deutlich ihre Zweifel ablesen konnte.
„Sei froh, dass ich eine Biresse ausgewählt habe", brummte er. Ihr zickiges Verhalten nagte an seinen strapazierten Nerven. Er wollte sie doch nur beschützen. Wie dankte sie es ihm? „In einer Konterse hättest du nicht mit im Cockpit sitzen können."
„Dann hätte ich wenigstens vor dir Ruhe gehabt." Sie richteten den Blick auf die Schwärze des Weltalls, als er den Jäger von der Caleasse wegflog.
Er gab Vollschub auf die Triebwerke. Die Zwillingsmotoren heulten auf. Misstrauisch suchte er die Leere ab. Das Kribbeln breitete sich über seinen gesamten Körper aus. Wo hielt sich der Gegner auf? Hinter dem kleinen Mond? Alasdair runzelte die Stirn. Hatte er sich im Wahn, Quendresa beschützen zu müssen, die Gefahr nur eingeredet?
„Alles vorbereiten zum Sprung", plärrte die Stimme des Kommandeurs aus dem Lautsprecher des Bordcomputers. Genauso blechern wie vor einhundert Jahren. Alasdair verzog das Gesicht. Die Technik schritt immer weiter voran, doch das bekamen sie mit all der Erfahrung nicht auf die Reihe.
„Falsches Teil verbaut?", Quendresa rieb sich die Schläfen. „Ich wäre lieber im Sumpf unter dem Baum geblieben, mit dem du mich erschlagen wolltest, als in diesem metallenen Grab zu stecken."
„Du wolltest mir einen Pfeil in den Rücken schießen", verteidigte er sich sofort und ärgerte sich über den defensiven Tonfall, den er anschlug. „Da hatte ich recht dazu, mich zu verteidigen." Er sah, wie seine Gefährtin auf ihrem Platz versteifte. „Ich, es tut mir ..."
„Halt die Klappe", fuhr sie ihn an, wies mit zitterndem Zeigefinger auf ein künstliches Wurmloch, das sich öffnete. „Was ist das?"
Er runzelte die Stirn. Das war zu früh, um von einer der Caleassen zu stammen. Die Haare auf seinen Armen stellten sich auf, verschlimmerten den Juckreiz so sehr, dass er sich am liebsten die Kleidung vom Körper reißen würde.
„Halt dich fest!", schrie er Quendresa an, drückte gleichzeitig das Steuer nach vorn. Der Jäger rauschte in die Tiefe. Der Bordalarm schrillte in seinen Ohren. Der Sturzflug presste ihn in den Sitz, nahm ihm für einen Wimpernschlag die Luft. Vor seinen Augen tanzten Lichtblitze und leuchtende Punkte. Ein Wimmern gab ihm das Zeichen, dass es seiner Gefährtin ähnlich erging. Sie musste noch ein wenig länger durchhalten.
Behutsam zog er das Steuer an. Die Biresse trudelte nun wie ein halbseitig betäubtes Insekt vom Konvoi weg, bis sie sich langsam stabilisierte. Nicht einmal eine Minute war seit der Einleitung des Manövers vergangen und doch kam es ihm vor wie eine Ewigkeit. Sein Magen rotierte weiter. Ein schneller Seitenblick auf Quendresa zeigte ihm eine verängstigte, leichenblasse junge Frau, deren Finger panisch im Sitz vergraben waren. „Gleich wird es besser", sprach er beruhigend auf sie ein.
„Bist ..." Sie schluckte, schien sich zu sammeln. „Bist du völlig wahnsinnig geworden? Was sollte das?" Ihre Stimme klang fast so schrill wie der Alarm, den er schleunigst ausschaltete.
Alasdair atmete tief durch. Hatte er überreagiert? Er flog einen Bogen, um den Konvoi aus drei Kriegsschiffen und zwei Frachtern in Augenschein zu nehmen. Nichts wies darauf hin, dass eine Gefahr drohte oder etwas Außergewöhnliches vonstattenging. Er presste die Lippen aufeinander. Mit seinem Verhalten machte er sich vor seiner Gefährtin zum Deppen. Besser, sie kehrten um, damit sie in ihrem gemeinsamen Quartier zur Ruhe kam. Das Wurmloch war womöglich von einem der kleinen privaten Raumschiffe geöffnet worden. Er seufzte, schüttelte über seine Paranoia den Kopf, und betrachtete das Loch. Verwirrt kniff er die Augen zusammen. Was war das?
Ein blauer, pulsierender Lichtblitz schoss aus dem Wurmloch auf das riesige Raumschiff zu, auf dem sie mitfliegen sollten. Auf das Flaggschiff des Konvois. Gleißendes Licht hüllte es ein, blendete ihn so sehr, dass er den Blick abwandte. Gleich darauf erfasste eine Druckwelle die Biresse. Trudelnd, vom schrillen Alarm begleitet, entfernten sie sich weiter von dem, was ihnen Sicherheit hatte bieten sollen. Alasdair saß wie erstarrt auf seinem Sitz. Er kannte die Art Waffe, die solch eine Zerstörungskraft besaß. Am Aufspüren und an der Vernichtung war er damals beteiligt. Wieso tauchte ausgerechnet jetzt ein Nachbau auf und wer war dafür verantwortlich?
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In den Fängen der Gripari
FantasySeit langer Zeit kämpfen die Oameni gegen die Gripari. Bewohner eines fremden Planeten, die ihnen Rohstoffe und junge Frauen stehlen. Als Quendresa, die letzte Hohe Großhexe der Oameni in die Hände der Gripari fällt, erweckt sie aus Versehen den dun...