Ein folgenschwerer Entschluss

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„Jetzt hör endlich auf zu schmollen." Quen war mit ihrem Gefährten tiefer in den Wald gewandert, um ihm eine deutliche Ansage zu machen. Die anderen Großhexer brauchten nicht zu hören, was sie ihm zu sagen hatte.

„Aber es wäre die perfekte Lösung", fing er abermals an, genauso wie wenige Stunden zuvor, als sie seinen Vorschlag zum ersten Mal abgeschmettert hatte. „Damit wäre uns allen geholfen."

„Die Antwort bleibt Nein. Es wäre viel zu gefährlich", erwiderte sie streng. Sie hielt mitten auf dem Trampelpfad an und drehte sich zu ihm um. Mit kraus gezogener Nase musterte sie den Mann, der sich als äußerst hartnäckiger Gegner entpuppte. Zumindest bei diesem Thema. Wieso bekam sie keine Vernunft in seinen Dickschädel hinein? Er musste doch mal einsehen, wie hirnrissig sein Plan war. Resignierend hob sie den Blick zum Blätterdach, das hoch über ihnen in der leichten Brise raschelte. Eigentlich sollte die Natur sie beruhigen, so wie früher auf Hayreni. Als sie nur für ihr eigenes Leben die Verantwortung trug. Doch jetzt lastete das Wohl Vieler auf ihr. Sie rollte mit den Schultern, als ob die Bewegung die Bürde von ihr nehmen könnte.

Alasdair trat hinter sie. „Du änderst auch nicht deine Meinung, wenn ich dir dafür den Rücken massiere?" Er hauchte ihr einen Kuss auf den Nacken.

Manipulation. Etwas Besseres fiel ihm wohl nicht ein. Quen schnaubte empört. „Wenn du glaubst, mich damit rumzukriegen, täuscht du dich."

Sein Atem strich über ihre Haut, als er leise lachte. „Einen Versuch war es wert. Aber ich schaffe es noch, dich zu überzeugen." Er schlang seine Arme um sie und zog sie an seine Brust. Einige Atemzüge standen sie still aneinandergekuschelt da. Nach einer Weile wurde ihm langweilig und er knöpfte frech ihre Jacke auf.

„Lass das! Dafür ist jetzt nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt." Spielerisch schlug sie ihm auf die Hand. „Was die andere Sache betrifft: wenn du dich da mal nicht irrst. Wir sollten übrigens langsam zurückgehen. Aruna sprach davon, dass sie früh aufbrechen wollte. Wenn wir herumtrödeln, gibt Andreu nur wieder dir die Schuld."

Alasdair ließ sie los, hakte sich aber sogleich bei ihr ein. „Mit Andreu werde ich nie auf einen grünen Zweig kommen. Er ist jetzt zu allem Überfluss noch eifersüchtig, weil Vela so gern Zeit mit mir verbringt." Voller Hoffnung sah er Quen an.

„Lass den Welpenblick", tadelte sie ihren Gefährten. „Das wird dir auch nichts bringen."

Er seufzte. „Du bist echt stur." Seine Miene hellte sich wieder auf. „Aber damit bist du bestens geeignet, über Macra und Hayreni zu herrschen. Die gütige, gerechte Herrscherin, die immer ein offenes Ohr für die Belange ihres Volkes hat .."

„Hör auf zu schleimen. Das zieht bei mir ebenfalls nicht", schimpfte sie. Er meinte es nicht böse, das war ihr bewusst. Nur mittlerweile nervte es sie, dass er nicht aufgab. Dabei war es in dieser Angelegenheit weitaus klüger, es – zumindest vorläufig – ruhen zu lassen. Sie entzog ihm ihren Arm und stapfte voraus zum Dorf. Ihr Gefährte folgte ihr still.

Die Großhexer, die für den Schutz der Kinder verantwortlich waren, verabschiedeten sich gerade von Arachné und überreichten ihr eine gewebte Tasche aus bunten Fäden. Quen hatte eine Ahnung, was sich darin befand. Diverse Mittelchen, mit denen die Kräuterhexe an ihren Tinkturen arbeiten konnte. Vor allem etwas, was ihr bei der Herstellung des Trunks aus den Ranken der Chrysocoma half. Die Frau bedankte sich und wandte sich dann um. „Wir sollten aufbrechen. Andreu und Aruna meinten, wir sollen schon einmal vorgehen."

Alasdair seufzte schwer. Mit hängenden Schultern lief er zu den Kindern, um sich von Vela zu verabschieden. Die Kleine schlang ihre Arme um seinen Hals, als er sich vor sie hockte, und weinte bitterlich. Das Mädchen, das beide Elternteile verloren hatte, war dem Mann seit der Ankunft im Dorf kaum von der Seite gewichen. Wo er ging, folgte sie. Selbst in der Nacht war sie zu ihm gekommen, hatte so lange vor dem Bett gestanden, bis er ihr erlaubte, bei ihnen zu schlafen. Sie hatte eine Bindung zu ihm aufgebaut und weigerte sich jetzt, ihn ziehen zu lassen.

In den Fängen der GripariWo Geschichten leben. Entdecke jetzt