Alasdair lehnte an der Wand und starrte aus dem Fenster. Geistesabwesend steckte er eine Hand in die Manteltasche, in der er den Bluttester verstaut hatte. Einer Eingebung folgend hatte er nur nach der Abstammung väterlicherseits gesucht. Mit dem gewünschten Ergebnis. Wieso nur hatte er ihre Gene noch weiter überprüfen lassen? Im ersten Moment hatte ihn das Resultat in Hochstimmung versetzt. Doch je länger er nun darüber nachdachte, desto vertrackter wurde die Situation. Mit ihr alles zu besprechen, widerstrebte ihm. Er drehte sich abrupt zu ihr um, überwand die Distanz in wenigen Schritten. Erneut zuckte sie vor ihm zurück, bestätigte damit seinen Verdacht. Er würde sie nicht darauf ansprechen. Wenn sie genug Vertrauen zu ihm fasste, würde sie selbst zu ihm kommen.
Er sank vor seiner Seelengefährtin auf ein Knie. Der Bluttest änderte nichts daran, dass sie zu ihm gehörte und er zu ihr. Er berührte mit der Hand seine Brust, auf der Höhe seines Herzens. „Erlaube mir, mich vorzustellen. Ich bin Alasdair Chavdar, ein ergebener Untertan unseres Königs, dem Herrscher von Macra."
Die junge Frau sah ihn einen Moment zweifelnd an, dann seufzte sie. „Quendresa." Sie straffte den Rücken. „Ich möchte gern nach Hause zurückkehren. Ihr dürft mich hier nicht festhalten."
„Warum so förmlich?" Er schmunzelte. Glaubte sie wirklich, er würde sie noch gehen lassen? „Aber keine Sorge, wir werden bald nach Macra heimkehren." Keine Regung entging ihm. Das Zucken eines Augenlids, das angespannte Schlucken. Wie sie schnell ihre Lippen befeuchtete.
„Ich wurde auf Hayreni geboren. Hier ist meine Heimat." Sie warf einen Blick zur Tür, wünschte ihn in diesem Moment vermutlich zurück in den Sumpf. Unter den Baumstamm, den er auf sie hatte niedergehen lassen.
„Dann wird es Zeit, dass du unseren Heimatplaneten genauer kennenlernst." Er weidete sich einen Augenblick an dem Entsetzen, das sich auf ihrem Gesicht abzeichnete. Es würde ihr nichts anderes übrigbleiben, als sich seinem Befehl zu beugen. „Nur weil du einen oamenischen Namen hast, bedeutet es nicht, dass du zu diesen minderwertigen Kreaturen gehörst. Du bist eine Gripara. Dein Blut beweist es."
Sie öffnete den Mund zu einer Erwiderung, schloss ihn eilig wieder. Zorn blitzte in ihren Augen auf, wie Alasdair mit Genugtuung bemerkte. Das Spielchen gefiel ihm, denn er bestimmte die Spielregeln. Ab jetzt würde alles seinen Vorstellungen entsprechend ablaufen.
„Dann wäre das geklärt." Er stand auf und drehte sich zurück zum Fenster. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, starrte er hinaus, bis die Tür zu seinem Gemach aufglitt. Mit erwartungsvoller Miene wandte er sich dem Störenfried zu, einem einfachen Soldaten, der seine Ausbildung gerade abgeschlossen hatte.
„Mein Lord, morgen brechen zwei Frachter nach Macra auf. Vier unserer Caleassen werden dafür sorgen, dass kein Pirat sich an der Ware vergreift", teilte ihm dieser mit erhobenem Haupt mit.
Alasdair nickte zufrieden. Die Jägerschiffe waren mit den feinsten technologischen Errungenschaften, vor allem auf dem Gebiet der Waffen, ausgerüstet. Perfekt, um die wertvollste Fracht Hayrenis heimzubringen. Selbst gegen ihren Willen, stellte er schmunzelnd mit einem Blick auf seine wutschnaubende Gefährtin fest. Doch vorerst gab es noch einen Punkt, der auf Klärung wartete. „Gibt es Neuigkeiten in Bezug auf die entflohene Oamena?"
„Ich bedaure, mein Lord, doch in dieser Angelegenheit habe ich keine erfreulichen Nachrichten für Euch. Sie ist wie vom Erdboden verschluckt." Der junge Soldat brach den Blickkontakt ab. Sein zuvor gezeigtes Selbstvertrauen schmolz dahin wie Schnee unter der Frühlingssonne. Zu einfach, jemanden wie ihn auf seine Grenzen hinzuweisen.
„Verdoppelt die Anstrengungen", herrschte Alasdair ihn an. „Wie ist es möglich, dass euch eine einzelne Frau entwischt?"
„Die Oameni helfen ihr", stotterte der Jüngling. „Das ist die einzige Erklärung. Oder sie hat den Planeten bereits verlassen."
„Sie ist noch hier. Das spüre ich." Er lief zu Quendresa, die nach seinen letzten Worten auf ihrem Stuhl herumrutschte. Er packte sie bei der Schulter, drückte sie energisch auf ihren Platz. Dass sie Aufmerksamkeit auf sich zog oder eine Szene veranstaltete, konnten sie beide nicht gebrauchen. Seine Gefährtin spannte die Muskeln unter seiner Hand, aber schien sonst zur Ruhe zu kommen. Das Gefährtenband entfaltete seine volle Wirkung. Das würde er auf dem Flug nach Macra vertiefen. Doch erst würde er dafür sorgen, dass die Garnisonen auf Hayreni beschäftigt waren. „Also sucht sie weiterhin", knurrte er mit Nachdruck.
„Es wird den Oameni nicht gefallen, wenn wir auch zukünftig alle Häuser durchsuchen", erwiderte der Soldat noch immer eingeschüchtert. „Ihre Streitlust nimmt zu. Sie sind nicht mehr so untertänig wie in den letzten Jahrzehnten." Der junge Mann schluckte, benetzte seine Lippen. „Wenn Ihr mir die Bemerkung erlaubt – Euer Wiederauferstehen weckt den Widerstand."
„Gut, der hat lange genug geschlafen. Die Soldaten von früher drehen sich im Grab um, wenn sie Euch verweichlichten Gören sehen, die kaum in der Lage sind, mit einer Waffe umzugehen."
„Aber wenn diese Großhexe die Oameni eint, so wie einst die Hexe, die Euch ..." Der Soldat schaute betreten auf seine Stiefelspitzen.
„Die Hohe Großhexe ist eine direkte Nachfahrin der Hexe von damals." Alasdair verkniff sich ein Schmunzeln, als er die leichten Muskelkontraktionen der Schultermuskeln Quendresas unter seinen Fingern wahrnahm. „Natürlich wird sie daran interessiert sein, mein Ableben zu beschleunigen." Sanft drückte er die Schulter seiner Gefährtin, genoss das angenehme Kribbeln, das ihn ergriff. Morgen schon würde er sie von Hayreni fortbringen und die Jagd anderen überlassen. „Also setzt Euch endlich in Bewegung, statt meine kostbare Zeit zu verplempern."
„Sehr wohl, mein Lord." Der junge Soldat eilte aus dem Raum. Alasdair schaute ihm nachdenklich hinterher. Das Erstarken des Widerstands bereitete ihm keine Sorgen. Es existierte nur noch eine Hohe Großhexe und sie würde nicht in der Lage sein, ihm zu schaden. Doch sollte er schleunigst herausfinden, wer seine Widersacher von damals dezimiert hatte. Gripari hatten es nicht auf sich genommen, die Magier zu jagen. Da steckte jemand anderes dahinter. Ein Gegner, den man nicht kannte, galt als unberechenbar. Welches Spiel wurde gespielt? Was würde der nächste Schritt sein?
„Ihr werdet sie nicht fangen." Quendresa packte seine Hand und hob sie von ihrer Schulter. „Und ich bin nicht Euer Haustier oder eine Untergebene." Sie stand auf und starrte ihn finster an. Nur das Band der Seelengefährten hinderte sie daran, ihn anzugreifen. Die Zeichen des inneren Kampfes zeichneten sich auf ihrem Gesicht ab, als sie versuchte, ihm die Stirn zu bieten.
„Meine Männer werden sie nicht fangen, das stimmt." Er lachte leise. „Doch mir wird sie nicht entgehen. Das schwöre ich dir." Erneut weidete er sich daran, wie sie um Fassung kämpfte, dann atmete er betont langsam aus. „Und du solltest lernen, dich wie eine Gripara zu verhalten. Du hast schon viel zu lange auf Hayreni gelebt, doch du bist eine Gripara." Er würde dafür sorgen, dass Quendresa es schnell lernte. Für ihre eigene Sicherheit und damit sie nicht seine Pläne zunichtemachte. Das Spiel konnte beginnen.
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In den Fängen der Gripari
FantasySeit langer Zeit kämpfen die Oameni gegen die Gripari. Bewohner eines fremden Planeten, die ihnen Rohstoffe und junge Frauen stehlen. Als Quendresa, die letzte Hohe Großhexe der Oameni in die Hände der Gripari fällt, erweckt sie aus Versehen den dun...