Ungeziefer

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Trigerwarnung: Spinnen


Das Knurren hallte durch den Wald. Wie von einem tollwütigen Raubtier. Doch es war nur Alasdair, der sich lauthals fluchend mit Andreu einen Weg durch das dichte Gestrüpp erkämpfte.

„Wenn du noch lauter schreist, kannst du auch gleich deine Magie einsetzen", brummte der Oameno.

„Ich verstehe eh nicht, wieso wir sie nicht benutzen dürfen. Sie könnte uns einen Pfad durch den Wald schneiden." Er schüttelte sich, als etwas von einem Ast in seinen Kragen glitt. Winzige kratzige Beine krabbelten über seinen Nacken. Er spürte ein Stechen. Den Planeten und seine Bewohner verwünschend packte er den Käfer und warf ihn achtlos auf den Waldboden. Das Insekt, etwa halb so groß wie sein Handteller, zappelte mit seinen dünnen schwarzen Beinchen in der Luft. „Widerliche Kreaturen."

„Oh, wenn du die Blutkäfer schon nicht magst, werden dir die Spinnen gar nicht zusagen." Der Großhexer linste misstrauisch zu den Büschen zu ihrer rechten Seite. Fäden zogen sich wie Flechten über die Zweige und Blätter, hüllten das Grün in ein klebriges helles Tuch mit Knoten, in denen Fliegen, Käfer und anderes Krabbeltier eingesponnen darauf warteten, als Mahlzeit für die achtbeinigen Monster zu enden. Einige dieser Biester hockten zwischen dem Netzwerk, etwa so groß wie eine Faust. Ihre langen Beine bewegten sich Fingern gleich, mit denen jemand einen heranwinkte. Alasdair schnaubte angewidert.

„Die sind noch klein. Ungefährlich für uns. Aber lass uns weitergehen." Erneut sah er sich unbehaglich um. „Je schneller wir Arachné finden, desto eher können wir zum Raumschiff zurückkehren."

„Wer lebt bitteschön freiwillig zwischen diesen Krabblern?" Alasdair warf einen letzten Blick auf die Spinnen, folgte dann seinem Begleiter, der eine neue Richtung einschlug.

„Freiwillig würde ich es nicht nennen. Immerhin ist sie damals vor dir und deinen Schergen geflohen", entgegnete Andreu beiläufig, als er eine Schneise zwischen zwei Sträucher schlug.

Alasdair schoss mit seinen Augen Dolche auf dessen Rücken ab. Wieso musste ausgerechnet er mit diesem unerträglichen Kerl durch den Urwald eines fremden Planeten auf der Suche nach einer Großhexe latschen, die vermutlich längst von den Insekten aufgefressen worden war? Er unterdrückte ein weiteres Knurren und atmete tief durch. „Ich dachte vor denen, die die Mutter meiner Gefährtin ermordet haben."

„Das sind doch Nichtigkeiten, wann sie genau von Hayreni geflohen ist. Fakt ist, ohne dich und die Gripari wäre es nie dazu gekommen." Der Oameno kehrte ihm weiterhin den Rücken zu. Alasdair formte eine Energiekugel in seinen Händen und ließ sie zwischen seinen Handflächen rotieren. Ein tödliches Geschoss, wenn man es geschickt einsetzte. Nur wie erklärte er Quen, was ein Loch in der Größe eines Kopfes in Andreus Körper verursacht hatte? Sie würde ihn sofort verdächtigen und damit die Mission in Gefahr bringen. Er ließ das Licht mit einem bedauernden Seufzer erlöschen.

„Wolltest du mich gerade umbringen?" Andreu hielt abrupt an und wandte sich ihm zu. Die Entrüstung stand ihm in sein faltiges Gesicht geschrieben.

„Ich will dich noch immer töten, aber das bringt uns unserem Ziel nicht näher." Alasdair schloss kurz die Augen, um seine Gedanken zu sammeln. „Hör mir zu. Wir müssen zusammenarbeiten, ob es uns gefällt oder nicht. Mir passt es überhaupt nicht, aber das tut nichts zur Sache. Es geht darum, diesen verdammten Krieg zu beenden. Das sollte auch in deinem Interesse sein."

Sein Begleiter versteifte bei seinen Worten. Er hatte den Blick starr auf ihn gerichtet, nein, auf etwas hinter ihm. Bevor Alasdair sich umdrehen konnte, stieß Andreu ihn zu Boden.

„Runter und feuern", schrie der Oameno.

Alasdair rollte sich herum. Sein Mund, den er zu einer Erwiderung geöffnet hatte, blieb offen stehen. Was zur Hölle war das? Etwa hüfthoch, dicke schwarze Beine und einem mit Fell bewachsen rundlichen Körper, rasten etwa fünf Wesen auf sie zu. Andreu schoss einen Feuerball auf die Kreaturen ab. Das Feuer breitete sich durch die Haare schnell aus. Ein langgezogenes Kreischen hallte durch den Wald. „Nun schieß doch, du Idiot", fuhr der Großhexer ihn barsch an.

Acht Beine, die im Stakkato auf den Waldboden einhämmerten. Acht Augen, die nur auf ein Ziel gerichtet waren. Die vermeintliche Beute. Alasdair fluchte herzhaft. Wenn er etwas hasste, dann waren es Monsterspinnen. Er sprang auf, nahm eine Verteidigungsposition ein und versuchte, das Chaos einzuschätzen.

Zwei der Biester kletterten blitzschnell an Baumstämmen hoch. Ein klebriger Faden schoss an Alasdair vorbei, traf den Strauch hinter ihm. Er riss die Hände in die Höhe und feuerte eine Energiekugel auf eines der Monster ab. Die Riesenspinne stürzte ab und landete auf dem Rücken. Hilflos ruderte sie mit ihren Beinen in der Luft. Es roch nach verbranntem Fleisch und Haar. Die schrillen Töne, die sie von sich gab, schienen ihre Begleiter nur noch weiter anzuheizen.

Andreu feuerte einen neuen Feuerstrahl auf die Angreifer. Er ging daneben, brannte sich stattdessen durch einen Baumstamm. Der Baum ächzte und schwankte. Die zwei Männer stoben auseinander. Gerade rechtzeitig, um nicht getroffen zu werden. Die Baumkrone fiel krachend zwischen sie. Blätter wirbelten auf. Holzsplitter hagelten wie kleine Geschosse auf sie ein. Alasdair spürte, wie sie seine Haut durchbohrten, ihm das Gesicht zerkratzten. Seine Kleidung schützte ihn vor größerem Schaden. Viel Zeit, darüber nachzusinnen, bekam er nicht. Andreus wutentbrannter Schrei lenkte seine Aufmerksamkeit zu ihm. Dicke klebrige Fäden fesselten die Arme des Mannes an seinen Körper.

Entsetzt feuerte Alasdair eine zweite Energiekugel ab, setzte damit eine der heranstürmenden Riesenspinnen außer Gefecht. Ein weiterer Spinnenfaden schoss haarscharf an ihm vorbei. Er warf sich zur Seite, schleuderte eine dritte Kugel von sich, die ebenfalls ihr Ziel traf. Gleich darauf berührte etwas Klebriges seine Hand, leimte sie an seine Brust. Faden nach Faden traf ihn. Genauso wie Andreu, der sich kaum noch rühren konnte und schließlich mit dem Gesicht voran auf den Waldboden fiel.

So endeten sie also. Als Futter für ausgeartete Spinnen. Alasdair versuchte, seine Macht aufzurufen, doch es misslang. Sein Herz schlug schmerzhaft gegen seine Rippen, drohte, sie von innen heraus zu zerbrechen. Ruckartig bewegte er den Kopf, um die überlebenden Biester im Auge zu behalten. Quälend langsam liefen sie auf die hilflosen Männer zu. Eines tickte Andreu mit einem Bein an. Die Kieferklauen mahlten rhythmisch. Stellte sich das Vieh vor, wie sie schmecken würden?

Alasdair stieß einen frustrierten Schrei aus, der sogleich aus den Tiefen des Waldes beantwortet wurde. Ein reiner Lichtstrahl brach durch das Unterholz, zerfetzte die Monster. Blut und Körperteile regneten auf die Männer herab. Der saure Gestank, der sich ausbreitete, vermutlich von den in Stücke gerissenen Spinnenmägen, tat sein Übriges. Beide fingen an zu würgen, erbrachen sich fast gleichzeitig.

„Da bin ich wohl gerade noch einmal rechtzeitig aufgetaucht." Eine Gestalt, gehüllt in einem braungrünen Umhang, baute sich vor ihnen auf. Die unscheinbare Kleidung täuschte nicht darüber hinweg, mit wem sie es zu tun hatten. Die Frau ließ die Kapuze von ihrem Kopf gleiten und betrachtete die eingewickelten und mit Schleim und anderen Körperflüssigkeiten bedeckten Besucher ihres Planeten mit einem spöttischen Grinsen. „Sonderlich appetitlich seht ihr zwei ja nicht gerade aus."

„Sehr witzig, Arachné. Schneide uns endlich los, damit wir von hier verschwinden können", knurrte Andreu, seine Stimme eine Oktave höher als sonst. Seine Geduld schien aufgebraucht, seine Nerven am Ende. Alasdair konnte es ihm nicht verdenken. Er sehnte sich selbst nach einem heißen Bad, wenn möglich gefolgt durch eine Massage seiner Gefährtin. Doch die nahe Zukunft würde eine andere sein. Aruna und Quen würden alles über den Ausflug wissen wollen und sich über das stümperhafte Verhalten der Männer köstlich amüsieren. Er wischte sich, nachdem Arachné ihn befreit hatte, den Schleim aus dem Gesicht, und schlug den Weg zurück zum Raumschiff ein. Es würde ein langer Abend werden. Und wenn jemand von ihm erwartete, jemals auf diesen von Spinnen verseuchten Planeten zurückzukehren, würde er der betreffenden Person eine Energiekugel durch den Kopf jagen. Außer, es handelte sich um Quen. Nur für sie würde er sich erneut diesem Ungeziefer stellen. Er brummelte leise vor sich hin. Hoffentlich lebten die restlichen Großhexer nicht an ähnlich abgelegenen und widerwärtigen Orten. Bei seinem momentanen Glück würde er noch öfter von irgendwelchen widerlichen Kreaturen auf den Speiseplan gesetzt werden.

*****

Na mit den zwei griesgrämigen Kerlen, hätten die Spinnen sich eh nur die Mägen verdorben.

Was meint Ihr, raufen die zwei sich jetzt zusammen oder geht das Geplänkel in die nächste Runde?

In den Fängen der GripariWo Geschichten leben. Entdecke jetzt