Das Dorf im Wald

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Alasdair hörte jeden einzelnen Schritt des Mannes, der hinter ihm lief. Das Misstrauen, das Andreu selbst nach dem Gespräch noch hegte, begleitete die Gruppe auf ihrem Weg durch den dichten Wald.

Er sparte sich einen Kommentar. Der alte Großhexer war von dem Verlust seiner Lieben so verbittert – vielleicht auch traumatisiert – dass es womöglich nie darüber hinwegkam. Alasdair war sich dessen bewusst, dass es ihm ohne Quen ähnlich ergehen würde. Doch im Gegensatz zu Andreu hatte er Aussicht auf eine glückliche Zukunft.

Aria bewegte sich auf seiner Schulter. Das leicht kratzige Geräusch, wenn sie ihre Krallen in den Stoff seiner Jacke bohrte, drang an sein Ohr. Er führte eine Hand hoch und kraulte die Flederkatze an der Brust. Das Tier stieß ein kehliges Schnurren aus und schmiegte sich eng an seinen Hals. Sie war glücklich, dass sie nicht eingesperrt im Raumschiff auf seine Rückkehr warten musste, sondern genoss den Ausflug. Immer wieder streckte sie witternd die zuckende Nase in die Luft, wobei ihre Schnurrhaare vor Aufregung vibrierten.

„Dein kleiner Liebling scheint mal zufrieden zu sein." Quen betrachtete schmunzelnd die Flederkatze, deren Fell seidig schwarz im sanften Licht des Waldes schimmerte.

„Und du wolltest sie nicht mitnehmen. Hattest wohl Angst, dass sie meine ganze Aufmerksamkeit in Beschlag nimmt", zog er seine Gefährtin auf, deren Wangen sich leicht rosa färbten.

„Wie man sieht, ist sie damit auch erfolgreich", kommentierte sie das Verhalten des Tieres, das Alasdair an der Wange anstupste, weil er mit dem Streicheln aufgehört hatte.

„Flatter mal rüber zu Quen, Aria. Ich glaube, sie fühlt sich von uns vernachlässigt." Die Katze spitzte die Ohren und sprang hinüber auf Quendresas Schulter, um dort maunzend ihre Streicheleinheiten abzuholen. Quens Mundwinkel zuckten nach oben, verführten Alasdair zu einem Lächeln. Egal, wie oft sie ihm vorhielt, dass die Hrerecatte ihn mehr liebte als sie, genoss sie es ungemein, wenn diese ihre Nähe suchte und ihr Aufmerksamkeit schenkte.

„Ich wusste gar nicht, dass sie so gut auf dich hört." Aruna gesellte sich zu ihnen und streckte die Hand aus, um Aria zu streicheln. Diese hörte sofort auf zu schnurren und knurrte warnend.

„Da sieht man es mal wieder", brummte der alte Großhexer. „Er hat sogar die Katze verhext, damit sie ihm Zuneigung schenkt. Von sich aus würde ein scheues Tier wie eine Hrerecatte nicht bei einem Menschen bleiben. Vor allem nicht bei ihm."

„Andreu, es reicht." Aruna drehte sich ruckartig zu ihm um und funkelte ihn wütend an. „Du hast mir etwas versprochen, bevor wir aufgebrochen sind."

„Ja, ich weiß." Der Mann hob die Schultern und ließ sie gleich darauf wieder sacken. „Es gefällt mir nicht, ausgerechnet unseren Erzfeind zum Versteck der Kinder zu bringen. Es interessiert mich nicht, dass ihr ihm vertraut. Ich tue es nicht." Er setzte sich an die Spitze der Gruppe und führte sie tiefer in den Wald hinein.

Alasdair runzelte die Stirn. Was musste er noch tun, um dem alten Griesgram zu beweisen, dass es ihm mit dem Frieden ernst war? Warum sollte er die Menschen in Gefahr bringen, die ihm so ähnlich waren? Doch selbst die Erzählung von dem Ursprung seiner Art und der vermuteten gemeinsamen Herkunft stimmten den alten Großhexer nicht milde.

Aria maunzte und siedelte wieder auf seine Schulter über. Sie leckte ihm mit ihrer Zunge, die so rau wie Sandkörner war, über die Wange. Geistesabwesend hob er sie von ihrem Lieblingssitzplatz herunter und bettete sie wie ein Baby in seiner Armbeuge. Zufrieden schnurrend sah sie ihn aus ihren tiefgrünen Augen an. Beruhigend, fast schon hypnotisch. Sie streckte sich, bot ihren Bauch zum Anfassen an. Ein Vertrauensbeweis, den er so von ihr noch nicht kannte. Zögernd strich er über das weiche Fell und achtete darauf, nie gegen die Wuchsrichtung der Haare zu streicheln. Arias Brustkorb vibrierte unter seinen Fingerspitzen. Die Anspannung, die er zuvor wegen der Worte Andreus verspürt hatte, floss von ihm ab. Er war kein Monster, das andere Lebewesen verhexte, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Er atmete tief durch, kraulte die Katze ein wenig forscher. Blitzschnell packte sie seine Hand, hielt diese mit ihren Pfoten eisen fest und knabberte an seinem Zeigefinger. Eine liebevolle Warnung, dass sie nicht alles von ihm akzeptierte.

In den Fängen der GripariWo Geschichten leben. Entdecke jetzt