Auf Xera hatte sich seit ihrem ersten Besuch nichts verändert. Händler stellten ihre Waren aus, die Schmuggler ihnen aus den entferntesten Ecken der Galaxie lieferten. Oder welche, die sie unter den wachsamen Augen der Gripari auf Macra stahlen. Bevorzugt Elektronik und andere Ersatzteile für Raumschiffe. Alasdair musterte solche Stände, wenn sie an ihnen vorbeikamen, mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Das sind alles Fabrikate der vergangenen zwei oder drei Jahre. Wie schaffen die das nur her?", murrte er, presste seine Lippen zu einem Strich. „Und hör bitte auf, mich so anzusehen, sonst vergesse ich meinen Schwur und miete uns in der nächstgelegenen Herberge ein Zimmer."
Quendra errötete. Erneut hatte er sie dabei erwischt, wie sie seine Konturen betrachtete und wie immer an seinen Lippen hängenblieb. Seitdem sie sich für ihn entschieden hatte, gab es keinen Weg zurück. Das Band, das sie aneinanderfesselte, schwoll jeden Tag weiter an. Es drängt sie zu ihm, ließ ihr Begehren anwachsen. „Dann halte mal Ausschau nach Verhütungsmitteln", murmelte sie. Vielleicht gab ihr Körper endlich Ruhe, wenn sie den Schritt hinter sich brachten.
Ein Keuchen ließ sie umschauen. Alasdair war ins Straucheln geraten, doch ein Mann verhinderte, dass er zu Boden stürzte. „Wen haben wir denn da? Wo hast du den denn aufgegabelt, Kleines?"
Der Fremde wandte ihr noch den Rücken zu. Sie runzelte die Stirn. Etwas an ihm war vertraut. Woher kannte sie nur seine Stimme?
„Und du kommst mal schön mit zu unserer Anführerin", fügte er an ihren Gefährten gerichtet hinzu. „Das wird eine schöne Überraschung für sie sein." Er stieß Alasdair in eine Seitengasse, die zu schmal für die Stände der Händler war. In der Kluft zwischen den Gebäuden waren Tücher gespannt, die das Sonnenlicht abhielten. Bei ihrem ersten Besuch auf dem Markt hatte sie sich bereits über diese Art Gassen gewundert, doch jetzt ahnte sie, welchem Zweck sie dienten. Um im Notfall schnell und ungesehen zu verschwinden. Eine Notwendigkeit für Gesindel und Halsabschneider.
„Los, vorwärts." Der Mann schubste Alasdair weiter, der murrend gehorchte. Auch, weil er keine andere Wahl hatte. Quendresa sah den Blaster, den der Fremde ihrem Gefährten gegen den Rücken presste. Eiskalt durchlief es ihre Adern. Erneut bedrohte ihn jemand. Verbissen tastete sie nach ihrem Messer, aber der Platz an ihrer Hüfte war leer. Sie wollte herumfahren, doch ein Geräusch stoppte sie mitten in der Bewegung.
„Lass das mal schön sein", raunte ihr jemand von hinten ins Ohr und stülpte ihr einen Sack über den Kopf. Der zweite Mann packte sie an den Handgelenken und fesselte sie. „Damit du mir ja nicht auf böse Gedanken kommst. Wer weiß, was sein finsterer Einfluss noch alles bewirkt hat, wenn du dich mit ihm zusammen auf offener Straße zeigst."
Er kam ihr ebenfalls bekannt vor. Waren es Männer vom Widerstand, die ihnen nach Xera gefolgt waren? Lange war es nicht her, dass sie die Stimmen gehört hatte. Doch ohne ein Gesicht schaffte sie es nicht, sie jemandem zuzuordnen. Ihre Unruhe wuchs an. Wer waren die Fremden und woher kannten sie Alasdair?
Man führte sie durch die Gassen. Mal bogen sie nach links, dann wieder nach rechts. Schon bald schwirrte ihr der Kopf von den ständigen Richtungswechseln. Dass sie nichts sah, verschlimmerte die Sache noch.
„Die Rampe hoch", hörte sie den ersten Mann knurren. Schwere Stiefel knallten auf Metall, als sie eine Schräge hochstiegen. In ein Raumschiff, wie Quen vermutete. Sie hielt die Luft an. Brachte man sie zurück nach Hayreni, um ihr Alasdair zu entreißen? Um ihn erneut in eine Kryokammer zu sperren? Nein, das durfte sie nicht zulassen! Ihr Puls raste und in ihren Ohren rauschte es. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, sodass sie es kaum schaffte zu schlucken. „Bitte tut ihm nichts", flehte sie leise. Ihre Stimme versagte, sie schluchzte auf.
„Was bringst du mir da von deinem Ausflug mit?" Beim Hören der Frauenstimme riss Quen die Augen weit auf. Die Piratenkapitänin! Deshalb kannte sie die Männer. Bevor sie sich Gehör verschaffen konnte, redete einer von ihnen weiter. Der ihren Gefährten bedroht hatte. Barteo war sein Name. Jetzt fiel ihr alles wieder ein. Und Arben war derjenige, der hinter ihr stand. Sie unterdrückte den Drang, einmal kräftig nach hinten auszutreten.
„Wir haben den Vrajitor gefangen. Er scheint Quendresa mit einem Fluch belegt zu haben. Sie war freiwillig mit ihm auf dem Markt unterwegs."
„Trottel", schnaubte eine andere bekannte Stimme. Aruna. Erleichterung flutete Quens Körper. „Jetzt nehmt den beiden die Fesseln ab. Ich habe Donika gerade den Fall geschildert, aber ihr habt euch ja herumgetrieben. Aber schön, dass ihr sie gleich mitgebracht habt. Wir haben eine Menge zu bereden."
Man zog ihr den Sack vom Kopf. Ihr Blick suchte Alasdair, der Barteo in Grund und Boden starrte. Sie lief zu ihnen hinüber sowie ihre Hände frei waren. Ein Klatschen hallte durch den Raum. Der Schmuggler schaute sie vorwurfsvoll an und rieb sich die Wange, doch sie kuschelte sich nur wortlos an ihren Gefährten, der beschützend seine Arme um sie schlang.
„Seelengefährten." Donika ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen. „Ich wusste nicht, dass es das zwischen Gripari und Oameni gibt."
„Quendras Urenkelin und der Vrajitor." Arben rieb sich am Kinn. „Man könnte fast meinen, deine Mutter hätte dir ihre Begeisterung für den Dunklen vererbt."
„Elvana hat fest daran geglaubt, dass wir zusammen den Krieg beenden können." Quen spürte, wie sein Atem über ihre Haare strich, und wie seine Brust leicht erbebte. „Nachdem man mich aus der Kryokammer befreite, war ich davon überzeugt, dass sie mich damals verraten hatte. Weil ich versagt und sie nicht beschützt hatte. Ich wollte erneut den Kampf aufnehmen, die Jagd fortsetzen. Niemals hätte ich geahnt." Er brach ab, doch Quen verstand ihn auch ohne Worte.
Nie hätte er geglaubt, dass eine Hohe Großhexe seine Gefährtin sein könnte. So wie es für sie in dem Moment nicht einleuchtend war, dass sie ihn zum Seelengefährten bekam. Doch das Blatt hatte sich gewendet. Ein neues Zeitalter brach an. Sie löste sich aus seiner Umarmung und wandte sich den Schmugglern zu. Den Hohen Großhexern, verbesserte sie sich in Gedanken. „Aruna erwähnte, dass ihr vielleicht wüsstet, wo sich der Rest unserer Zunft aufhält, weil ihr so viel im Universum herumkommt."
„Das stimmt. Wir haben immer versucht, den Kontakt untereinander zu halten. Alle werden uns nicht unterstützen." Donika kratzte sich am Nacken und ließ ihren Blick zu Alasdair schweifen.
„Sie sollten es aber. Immerhin geht es darum, den Krieg zu beenden." Er sank vor Quen auf ein Knie. „Ich sage mich hiermit vom König von Macra los und schwöre der wahren Thronerbin meine ewige Treue." Ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer und sie bemerkte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Sie beugte sich zu ihm und küsste ihn flüchtig auf die Lippen.
„Das wird sie trotzdem nicht dazu bringen, in den Kampf zu ziehen." Sersah, der erste Offizier schmunzelte. „Sie kümmern sich um das Training des Nachwuchses. Es wäre töricht, die Kinder allein zu lassen, egal wie versteckt sie untergebracht sind."
„Kinder? Bedeutet das, dass die Zahl der Großhexer insgesamt wieder angestiegen ist?" Alasdair erhob sich. In Gedanken schien er sich bereits auszumalen, dass ihm eine ansehnliche Truppenstärke zur Verfügung stehen würde. Die Jahre als Befehlshaber waren ihm in Fleisch und Blut übergegangen.
„Leider nicht so stark, wie wir es uns wünschen würden." Donika seufzte. „Es fühlt sich falsch an, dir zu vertrauen, aber es bleibt uns wohl keine andere Wahl. Der Zerstörer ist wieder aufgetaucht und wir müssen ihn vernichten, bevor er das Universum in Schutt und Asche legt."
*****
Da es nicht für die Shortlist beim ONC gereicht hat, kann ich jetzt ungestraft die Geschichte fortsetzen.
Was haltet Ihr denn davon, dass ausgerechnet Quens Schmugglerfreunde vom Anfang ebenfalls zu den Hohen Großhexern gehören?

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In den Fängen der Gripari
FantasySeit langer Zeit kämpfen die Oameni gegen die Gripari. Bewohner eines fremden Planeten, die ihnen Rohstoffe und junge Frauen stehlen. Als Quendresa, die letzte Hohe Großhexe der Oameni in die Hände der Gripari fällt, erweckt sie aus Versehen den dun...