Angst

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Annalena war noch immer nicht über den Vorfall mit dem Ei, welches auf sie geworfen wurde, hinweg. Ihr war glücklicherweise nicht viel passiert, abgesehen von einem unschönen blauen Fleck auf der Stirn.

Aber das würde sie überleben, viel schlimmer war der seelische Schock darüber, zu was Menschen fähig waren. Und zum ersten Mal verspürte sie Angst in ihrem Job. Richtige Angst.

War sie doch sonst immer zuversichtlich und glaubte an das Gute im Menschen, machte sich nun ein ungutes Gefühl in ihr breit. Was, wenn der Eierwurf nur der Anfang war? Was, wenn sie aus irgendeinem Grund von einem bestimmten Menschen da draußen gehasst wurde? Einem Rechtsradikalen, der die Realität aus den Augen verloren und von Hass und Unzufriedenheit zerfressen war?

Würde sie sich verteidigen können?
Was hatte sie diesem Menschen getan? Nun gut, sie hatten offensichtlich grundverschiedene politische Ansichten, aber das war doch kein Grund, sie so zu behandeln.

Plötzlich überkam sie ein wohliges Gefühl. Sie war nicht allein. Es gab doch ihn - Robert. Er würde sie beschützen und immer für sie da sein. Ihre Dankbarkeit, ihn kennengelernt zu haben, übermannte sie regelrecht. Sie war dankbar, dass er ihr so viel Erinnerungen schenkte und sie gemeinsam etwas bewegten. Dieser Sommer war ein ganz besonderes Kapitel in ihrem Leben. Das spürte sie. Sie fühlte sich stark und mit einem Mal nahm die Angst nur noch einen Bruchteil ihrer Gefühle ein.
Dass der Gedanke an Robert ihr jegliche Angst nahm, gab ihr das Gefühl, alles schaffen zu können.

Sie schaute gedankenverloren aus dem Fenster ihres Büros in Brandenburg und beobachtete die langsam eintretende Dunkelheit.
Als es an der Tür klopfte.

„Hi Annalena!" Ein Kopf mit zerzaustem Haar schaute herein.
„Ich dachte, ich entführe dich heute mal. Du hast genug gearbeitet."
„Ganz im Gegensatz zu dir."
„Frech wie am Tage, an dem ich dich kennengelernt habe. Steht dir!" Robert grinste verschmitzt.
„Kommst du mit ins Freilichtkino?"

Ich habe gerade an dich gedacht und wie glücklich du mich machst, wollte Annalena sagen. Doch aus ihrem Mund bekam sie nur ein „sehr gerne" herausgepresst.
Sie war bereit. Sie fühlte es, heute Abend würde es so weit sein. Sie würde sich ihm vollends hingeben, sie würden es endlich tun.

I can still recall our first summerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt