Als es Ginny nicht gut ging

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Während Ron und Hermine nach dem Krieg zu einem Heiler gingen, der auf die mentale Gesundheit spezialisiert war, um sich ihren Gefühlen und Emotionen zu stellen, beschlossen Harry und Ginny, dies nicht zu tun. Sie hatten beide Probleme damit, Fremden zu vertrauen, vor allem, wenn es um ein so heikles Thema ging. Alleine damit umzugehen, war damals die beste Entscheidung für sie, und statt mit einem Profi zu sprechen, redeten sie wenigstens miteinander. Und das hatte geholfen. Nach einer Weile konnten sie mit ihrem Leben weitermachen und fühlten sich wieder glücklich.

Doch ein paar Jahre später kam es zurück und bedrängte Ginny mit einer solchen Intensität, dass sie nichts dagegen tun konnte. Es war ihr sogar nicht möglich, überhaupt etwas zu tun. Einfache alltägliche Aufgaben schienen unmöglich und selbst das Aufstehen aus dem Bett war mit viel Kraft verbunden.

Wieder einmal war Harry - ihr Ehemann - ihre Retter in der Not.

„Hey." Er hockte sich neben ihre Seite des Bettes, sodass er ihr in die Augen sehen konnte. Sie lag zusammengerollt im Bett und starrte ausdruckslos aus dem Fenster. Sobald sie Harry bemerkte, trafen sich ihre Augen. Er streckte eine Hand aus und strich ihr durchs Haar. „Kann ich etwas für dich tun? Vielleicht etwas kochen?", schlug Harry vor, aber sie schüttelte den Kopf.

Sie schien ihre ganze Energie darauf zu verwenden, ihm zu antworten. „Ich bin nicht hungrig", krächzte sie leise.

„Du hast seit gestern Morgen nichts mehr gegessen, du musst am Verhungern sein." Er runzelte besorgt die Stirn, aber sie schüttelte wieder den Kopf. „Okay", sagte er mehr zu sich selbst als zu ihr. „Soll ich dir ein Bad einlassen, damit du dich ein wenig entspannen kannst?"

Ginny überlegte, ob sie sein Angebot wieder ablehnen sollte, aber sie überlegte es sich anders. Obwohl sie sich beschissen fühlte, wollte sie Harry nicht verletzen, indem sie nicht auf ihn und seine Angebote reagierte und einfach alles ignorierte. Also nickte sie und setzte sich langsam auf. In ihrem Kopf drehte sich alles, und einen Moment lang dachte sie, sie würde in Ohnmacht fallen. Aber die starken Arme ihres Mannes hielten sie fest. Sie fühlte sich wie ein kleines Kind, als Harry ihr beim Aufstehen half, aber sie hatte keine andere Wahl. Ohne ihn würde sie jetzt schon auf dem Boden liegen. Es war unglaublich, dass sie eine professionelle Quidditchspielerin war, die jeden Tag stundenlang trainierte, ohne super müde oder erschöpft zu werden, aber jetzt schienen ein paar Schritte zum Badezimmer unmöglich zu sein. Wie erbärmlich.

Als sie das Badezimmer betrat, sah Ginny, dass er die Badewanne bereits mit Wasser gefüllt und ihr Lieblingsbadesalz hineingegeben hatte, das nach frischem Lavendel duftete. Mit einem Seufzer (und Harrys Hilfe) ließ sie sich in das warme Wasser sinken und schloss die Augen.

„Ich lasse dich ein bisschen allein", hörte sie ihren Mann sagen, und dann schloss sich die Tür zum Bad. Nach gefühlten Stunden öffnete sie die Augen wieder und sah, dass er das Buch, das sie gerade las, und eine Schale mit Erdbeeren neben die Badewanne gestellt hatte. Sie hatte schon immer Obst den Süßigkeiten vorgezogen (nur wenn sie ihre Tage hatte und es sich anfühlte, als würde ihr nur Schokolade helfen zu überleben). Wahrscheinlich, weil sie eine Profisportlerin war und auf eine ausgewogene Ernährung achtete.

Die Erschöpfung überkam sie, und wieder fielen ihr die Augen zu. Selbst das Atmen fiel ihr im Moment so schwer, dass sie die Augen einfach nicht offen halten konnte. Manchmal, obwohl sie es nicht für möglich hielt, war sie zu erschöpft und zu müde, um zu schlafen, sodass sie einfach hellwach im Bett lag, und dann begann das Nachdenken, bis nichts mehr übrig war außer Taubheit. Und wenn sie dann endlich einschlief, wachte sie nach einer Ewigkeit auf und war noch müder als zuvor.

Harry hatte sich ein paar Tage freigenommen, weil er sich Sorgen gemacht hatte. Ginny war normalerweise so gesprächig und fröhlich, dass es in ihrer Gegenwart leicht war, in gute Stimmung zu kommen. Ihr Lachen war ansteckend. Aber das hier war nicht die Ginny, die immer lächelte und herumalberte. Dies war eine gebrochene Ginny, und Harry wusste, dass er sie nicht reparieren konnte - sie konnte nur sich selbst reparieren.

Eine schwere Hand griff nach dem Buch und sie schlug es auf. Sie war nie eine, die viel las, aber seit sie nicht mehr in der Schule war, hatte Lesen nichts mehr mit Schulbüchern zu tun, und so begannen sie und Harry, in Buchläden zu gehen und einige Bücher zu kaufen, die sie für interessant hielten. Während sie am liebsten Fantasy-Romane und auch Sachbücher las, suchte sich Harry gerne in Klassikern wie "Stolz und Vorurteil", "Das Bildnis des Dorian Gray" oder "Jane Eyre" aus. Nachdem sie ein Buch gelesen hatten, das sie gemocht hatten, tauschten sie und ließen den anderen das Buch lesen. Nach ein paar Jahren des Zusammenlebens hatten sie eine ziemliche Sammlung von Büchern aller Art zusammengetragen, die sie in einem Bücherregal in ihrem Wohnzimmer aufbewahren.

Normalerweise war Lesen etwas, das sie aufmunterte oder ihr half, wenn sie zu viel nachdachte. Aber nachdem sie einen Satz wieder und wieder gelesen hatte, ohne zu begreifen, was da gesagt wurde, gab sie auf, legte das Buch weg und griff stattdessen nach einer Erdbeere. Das Kauen fiel ihr schwer und tat irgendwie weh, aber sobald der süße Geschmack der Erdbeere ihre Zunge erreichte, nahm sie noch eine und noch eine, bis sich das Kauen wieder wie eine normale Aufgabe anfühlte.

Nach einer Weile kam Harry zurück und half ihr aus der Wanne. Er reichte ihr ein Handtuch und half ihr, sich abzutrocknen. Gemeinsam gingen sie zurück in ihr Schlafzimmer, wo sie - diesmal beide - im Bett lagen, Ginny in Harrys Arme geschmiegt. Er hatte das Buch und die Schale mit den Erdbeeren mitgenommen und reichte letztere seiner Frau, die weiter aß.

„Danke", flüsterte sie, nachdem sie eine Weile in angenehmer Stille verharrt hatten. „Dass du dich so gut um mich kümmerst."

„Das ist das Mindeste, was ich tun kann", lautete seine Antwort. „Fühlst du dich ein wenig besser?"

Sie lächelte leicht. „Ja. Aber ich glaube, es wird eine Weile dauern, bis es mir wieder gut geht."

„Lass dir Zeit", sagte er sanft und strich mit einer Hand durch ihr weiches, nach Blumen duftendes Haar.

Mit ihrer freien Hand griff sie nach ihrem Buch und reichte es Harry. „Kannst du mir das Buch vorlesen? Ich habe versucht zu lesen, aber ich bin nicht weiter als einen Satz gekommen."

Harry, der froh war, dass sie wieder sprach, nickte mit dem Kopf. „Klar"

Also begann er zu lesen und sie lauschte seiner sanften, aber tiefen Stimme. Auch wenn es ihr im Moment nicht gut ging, war ihr das egal. Denn Harry war an ihrer Seite und tat alles für sie, damit es ihr besser ging. Er wusste, dass sie dasselbe für ihn tun würde, und das war alles, was sie brauchte.

FOREVER (until the end) - Missing MomentsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt