Kapitel 7 - Auszeit

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„Ich will unbedingt hier weg!", stöhnte Ginny und ließ sich auf das Sofa in ihrem und Harrys Arbeitszimmer fallen. An diesem Tag hatten beide zusammen dort gearbeitet; ihr Mann war Berichte durchgegangen und sie hatte Artikel geschrieben und überarbeitet. So ein Tag kam ungefähr einmal in der Woche vor, wo beide zusammen an einem Ort, ihren Jobs nachgingen. Manche Tage waren so produktiver, da sie sich gegenseitig motivierten, manchmal ging das ganze aber auch nach hinten los, zum Beispiel, wenn Ginny eine Schreibblockade hatte.

Manchmal ging sie dagegen vor, indem sie den Artikel beiseitelegte und eine Runde joggen ging. Manchmal warf sie aber auch das Stück Pergament auf den Boden und stapfte wütend durch das Arbeitszimmer. Heute war das letztere manchmal an der Reihe. Harry störten diese kleinen Ausraster nie, jedoch lenkten sie ihn von seiner eigenen Arbeit ab, da er meist amüsiert seiner Frau dabei zusah, wie sie sich aufregte.

Harry drehte sich schmunzelnd in seinem Schreibtischstuhl um und schaute sie an. „Du musst leider noch einen Monat warten, bis wir mit den Kindern in den Ski-Urlaub fahren."

Sie setzte sich auf. „Nein, das meine ich nicht. Ich will eine längere Zeit weg, ohne mich um irgendwas kümmern zu müssen." Stöhnend vergrub Ginny ihr Gesicht in ihren Händen und schaute dann wieder zu ihrem Mann auf. „Ich habe das Gefühl, ich brauche einfach mal für ein halbes Jahr Pause. Und du auch. Es gibt da draußen nur Leute, die eine Zeit in ihrem Leben haben, in denen sie sich um nichts sorgen müssen und Spaß haben können."

Unruhig stand sie auf und ging im Zimmer auf und ab. „Aber wir hatten das nie. Nach dem Krieg haben wir uns direkt in die Arbeit gestürzt. Und die meisten haben diese spaßige Zeit in ihren Zwanzigern, aber falls du dich erinnern kannst, haben wir in unseren Zwanzigern drei Kinder bekommen, um die wir uns sorgen mussten. Von 17 bis 22 war ich in meine Karriere vertieft, ab 22 damit beschäftigt, dass Jamie nicht kaputt geht, dann ab 24 kam Al dazu und ab 26 Lily. Und jetzt bin ich 34 und klar hatte ich Spaß in meinem Leben und war auch des Öfteren Feiern und wir haben oft Urlaub als Familie gemacht und ich würde auch diese Zeit nicht eintauschen wollen." Sie seufzte. „Aber ich will mal was anderes."

„Okay."

Ginny zog eine Augenbraue hoch. „Mehr hast du dazu nicht zu sagen? Einfach nur ‚okay'?"

„Ich stimme dir voll und ganz zu", erwiderte Harry schulterzuckend und zog sie als sie vor ihm angekommen war auf seinen Schoß. „Lass uns, wenn Lily in Hogwarts ist verreisen. Und zwar nicht nur ein paar Wochen. Wir können uns ein halbes Jahr freinehmen und die Welt erkunden. Ganz entspannt und ohne irgendwelche Verpflichtungen."

„Du würdest dir ein halbes Jahr von deinem geliebten Job freinehmen, um das mit mir zu tun?"

Harry legte den Kopf schief und lächelte sie trocken an. „Ich glaube du vergisst oft, dass ich dich mehr liebe als meinen Job."

Seine Frau lächelte und küsste ihn kurz.

„Ich weiß, es sind noch vier Jahre bis dahin", fuhr Harry dann fort, „aber das heißt nicht, dass wir uns die Zeit bis dahin nicht auch ein bisschen schöner machen können. Wir können Projekte hier im Haus angehen, von denen wir schon seit Jahren reden. Wir können endlich ein Gemüsebeet in unserem Garten anpflanzen oder die ganzen Bilder hier im Haus gegen aktuellere austauschen, oder unser Arbeitszimmer, von mir aus auch unser Schlafzimmer und das Wohnzimmer ganz neugestalten."

„Die Idee gefällt mir", gab Ginny zu. „Und wie wäre es, wenn wir fest ausmachen, dass wir alle zwei oder drei Wochen uns einen Tag nur für uns beide nehmen. Egal ob wir dann ausgehen oder eines unserer Projekte angehen. Hauptsache einfach nur wir beide. Al und Lily könnten in der Zeit zu Freunden oder zu einem meiner Brüder oder zu meinen Eltern. Denn ich habe die Angst, dass wir uns irgendwann verlieren, so wie es viele Paare tun, wenn sie so lange verheiratet sind und nichts mehr Besonderes machen."

Harry nahm das Gesicht seiner Frau in seine Hände. „Auch wenn ich weiß, dass wir uns beide nicht auseinanderleben werden, finde ich die Idee gut."

~

„Ich glaube Jamie hat schon wieder Mist gebaut", sagte Lily als ihre Eltern aus dem Arbeitszimmer kamen. An dem Tag war die Schule sowohl für sie als auch für ihren Bruder ausgefallen, was auch einer der Gründe war, warum Harry und Ginny ausgerechnet heute von zuhause ausgearbeitet hatten. So hatten sie sich nicht extra darum kümmern müssen, wer auf die beiden aufpasste. Mittlerweile waren sie mit sieben und fast zehn auch in einem Alter, wo sie sich selbst beschäftigen konnten und nicht 24/7 bewacht werden mussten.

„Wie kommst du darauf?", fragte Ginny mit hochgezogenen Augenbrauen und setzte sich zu ihrer Tochter an den Küchentisch, wo sie saß und malte.

Diese zuckte mit den Schultern. „Eine Eule aus Hogwarts ist angekommen. Und Jamie schreibt so gut wie nie Briefe."

Ginny schaute zu ihrem Mann hoch, der neben Al am Tisch stand und dann wortlos nach dem Brief griff, der auf dem Tisch lag. Er öffnete den Briefumschlag und las den Brief durch.

„Keine Sorge, es ist wirklich nur ein Brief von Jamie", sagte er dann sichtlich erleichtert und setzte sich neben seine Sohn an den Tisch und reichte seiner Frau den Brief, die diesen dann las.

„Wäre ja auch nur das fünfte Mal dieses Schuljahr, dass er Schei- ich meine Mist gebaut hat", hielt Ginny sich noch in letzter Sekunde vom allzu schlimmen Fluchen ab. Harry grinste sie über den Tisch belustigt an.

Dann wandte er sich seinem Sohn zu. „Sitzt du immer noch an deinen Schulaufgaben für heute, Al?", fragte er, woraufhin dieser nickte.

„Ich bin aber gleich fertig", antwortete er und schob seinem Dad dann die Blätter hin, die vor ihm lagen. „Kannst du da vielleicht drüber schauen?"

Al war schon seit der ersten Klasse immer ein sehr guter Schüler gewesen und Harry und Ginny waren sich sicher, dass sich das auch in zwei Jahren in Hogwarts nicht ändern würde. Beide waren unheimlich stolz auf ihr mittleres Kind und waren eigentlich ziemlich verwundert, dass sie es geschafft hatten ein Kind so zu erziehen. Sie würden ihn auf keinen Fall mit Percy vergleichen, vielleicht eher mit Hermine, auch wenn er nicht ganz so besserwisserisch war, wie seine Tante manchmal.

„Al hat mir bei meinen Mathe Aufgaben geholfen, deswegen ist er noch nicht fertig", sagte Lily mit einem Lächeln auf den Lippen, ohne von ihrem Gemalten aufzuschauen. Ginny hob ihren Blick und schaute zu ihrem Sohn.

„Das ist sehr aufmerksam von dir, Al", lobte sie ihn. Dann wandte sie sich wieder an ihre Tochter. „Soll ich bei dir auch mal drüber schauen?"

Wortlos schob Lily ihr ihre Sachen hin.

„Alles richtig", kommentierte Harry, der fertig war, Als Mathe Aufgaben zu überfliegen. „Ich bin stolz auf euch beide, dass ihr eure Aufgaben gemacht habt, während Mum und ich gearbeitet haben."

Ginny nickte zustimmend, als sie mit Lilys Aufgaben überprüfen fertig war. „Wie wäre es", fing sie langsam an, „wenn wir uns jetzt auf das Sofa pflanzen, Dad uns allen heiße Schokolade macht und wir einen Film zusammen schauen?", schlug sie vor.

Al blickte mit leuchtenden Augen von seinem Blatt hoch. „Darf ich den Film aussuchen."

Lily wollte gerade protestieren, doch ihre Mutter kam ihr zuvor: „Ja, darfst du. Denn du kleine Maus", sie richtete sich an ihre Tochter, „hast das letzte Mal einen Film ausgesucht. Jetzt ist Al dran."

Diese zuckte nur mit den Schultern, sprang dann von ihrem Stuhl und lief ins Wohnzimmer, wo sie sich auf das Sofa schmiss. Auch Al legte jetzt seine Sachen weg und folgte seiner Schwester.

„Und wann darf ich mir mal einen Film aussuchen?", fragte Harry gespielt beleidigt und stellte sich hinter seine Frau, um die er seine Arme schlang.

„Wenn die Kinder im Bett sind, können wir die ganzen erwachsenen Filme auspacken", sagte sie und zwinkerte ihm zu.

Er lächelte anzüglich. „Aha, du meinst also entweder die Eiskönigin oder Rapunzel."

Ginny lachte. „Ganz genau."

TRUSTING (until the end) - Hinny FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt