Kapitel 33 - Tagebuch

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Es war ein regnerischer Sommertag Ende August als Lily Luna Potter ihren Eltern verkündete, dass sie gerne ein Tagebuch haben würde. Die Elfjährige würde schon in wenigen Tagen mit ihren älteren Brüdern zusammen, für ihr erstes Jahr nach Hogwarts aufbrechen und war der festen Meinung, ein Tagebuch zu brauchen, um so alles, was sie erlebt, aufzuschreiben.

Ginny und Harry wechselten einen Blick und letzterer merkte wie sehr Ginny mit sich zu kämpfen hatte. Es war nichts dabei, ein Tagebuch zu führen, doch unweigerlich kamen Gedanken an ihr erstes Schuljahr wieder hoch. Sie war immer noch ziemlich paranoid deswegen – kein Wunder, wenn man bedachte, was ihr damals passiert war.

„Du darfst dir morgen eins aussuchen, wenn wir in der Winkelgasse sind, Lils", erwiderte Harry, bevor seine Frau irgendwas unbedachtest sagen konnte.

Breit grinsend verließ Lily das Wohnzimmer und rannte die Treppe hoch zurück in ihr Zimmer. Anders als er eigentlich erwartet hatte, sagte Ginny nichts mehr dazu und er würde es nicht ansprechen, solange sie es nicht tat. Aber nicht nur darüber verlor sie kein Wort mehr, sondern generell war sie verstummt als sie den Film weiterschauten, den sie angeschmissen hatten. Sonst war Ginny eine, die gerne während Filmen ihre Gedanken dazu äußerte, doch diesmal trank sie still ihren Wein, ihre Augen die ganze Zeit auf den Fernseher fixiert.

Erst als sie später im Bett lag und Harry aus dem Badezimmer trat (oberkörperfrei und nur in einer kurzen Pyjamahose, so wie er es im Sommer bevorzugte) und sich zu ihr legte, entschloss er sich, sie darauf anzusprechen.

„Du bist so ruhig", sagte er sanft und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er schaute sie an und sah, wie sie sich auf die Lippe biss, ihn aber nicht anschaute.

„Hm", war ihre einzige Reaktion auf sein Kommentar.

„Ist es wegen dem Tagebuch?", hakte er dann vorsichtig nach.

Endlich schaute sie ihn an und er erkannte die Angst in ihren Augen. „Ich- ich weiß, es ist total irrational von mir so zu denken, aber ich habe kein gutes Gefühl dabei."

Harry legte einen Arm um sie und zog sie fest an sich. „Ich weiß, dass es schwer für dich ist, Gin. Aber deine Gefühle sind ganz und gar nicht irrational. Das, was dir in deinem ersten Schuljahr passiert ist, hätte jeden nachhaltig beeinflusst. Verdammt, du warst elf! Genauso alt, wie Lily jetzt ist." Er fuhr sich frustiert mit einer Hand durch seine Haare. „Aber Riddle ist tot, er kann weder Lily, noch dir, noch irgendwem anderes aus der Familie sowas antun."

„Ich weiß", sagte Ginny so leise, dass er sie fast nicht hören konnte. „Ich weiß."

„Denk nur an die Tagebücher von meiner Mum, die wir beide gelesen haben", erinnerte Harry sie. „Von denen ging keine Gefahr aus und meine Mum hat es geliebt ihre Gedanken aufzuschreiben, genauso wie unsere Lily, sonst hätte meine Mum nicht so viele Bücher vollgeschrieben."

„Und es hat dir geholfen, deine Eltern besser kennenzulernen", fügte Ginny murmelnd hinzu.

Er nickte. „Genau."

„Okay", sagte Ginny mehr zu sich selbst als sie sich an seine Brust schmiegte. „Okay."

~

„Es ist nur ein einfaches Notizbuch", murmelte Ginny am nächsten Tag mehr zu sich selbst als zu irgendwem anders. „Nur ein einfaches, harmloses Notizbuch."

Sie spürte wie sich ein Arm um sie schlang und Harry sie eindringlich anschaute. „Alles okay?"

„Ja", hauchte sie und schaute zu ihm hoch.

„Nur noch die Schulbücher für die Kinder bei Flourish and Blotts und dann können wir gehen", versicherte ihr Mann ihr, woraufhin sie nickte.

In dem Moment kam Lily auf sie zugelaufen und hielt ihrer Mum zwei Notizbücher, die jeweils mit einem kleinen herzförmigen Schloss verschlossen waren, entgegen. „Mum, ich kann mich nicht entscheiden, welches ich nehmen soll."

„Ich dachte grün ist deine Lieblingsfarbe, dann nimm doch das grüne", erwiderte Harry.

Lily schaute mit zusammengekniffenen Augen zu ihm hoch. „Ich habe Mum gefragt und nicht dich, Dad. Du hast keine Ahnung von sowas."

Ginny grinste ihren Mann süffisant, der versuchte, sich ein Lachen zu verkneifen, an und wandte sich dann an ihre Tochter. „Ich würde das grüne nehmen. Das ist etwas dicker, das heißt du hast mehr davon und außerdem ist das liniert. Es ist einfacher darin zu schreiben, weil du dich dann nicht die ganze Zeit darauf konzentieren musst, gerade zu schreiben."

Glücklich lächelnd wandte ihre Tochter sich wieder ab und legte das blaue Tagebuch wieder zurück.

„So macht man das, Potter", wandte Ginny sich an Harry.

„Trotzdem hat sie das grüne genommen, wie ich es ihr auch gesagt habe, Potter", erwiderte er und streckte ihr kindlich die Zunge raus.

Sie verdrehte theatralisch die Augen. „Du hast keine Ahnung von sowas."

~

„Was liest du da, Mum?", fragte Al als er und James mit einem Besen in der Hand durch das Wohnzimmer liefen und dabei ihre Mum auf dem Sofa entdeckten.

Sie zögerte kurz. „Das ist ein Tagebuch von eurer Grandma. Von der Mum eures Dads."

„Grandma Lily hat Tagebücher geschrieben?", fragte James und ließ sich auf das Fußende des Sofas fallen, Quidditch anscheinend schon wieder vergessen. „Und sie sind erhalten geblieben?"

Ginny nickte. „Sie waren im Verlies in Gringotts von eurem Dad. Wir haben sie damals gefunden als ich mit dir schwanger war, Jamie."

„Aber das ist schon sechzehn Jahre her", bemerkte Al.

„Euer Dad und ich haben sie schonmal gelesen. Es gibt mehrere Bücher und Dad hat fünf Jahre gebraucht, um alle zu lesen, weil es sehr schwer für ihn war. Ich habe ihn damals dafür aufgezogen, aber ich habe sie nach ihm gelesen und auch fünf Jahre gebraucht."

„Und warum hast du sie jetzt wieder rausgeholt?", wollte James wissen.

„Ihr wisst doch noch, was ich euch von meinem ersten Schuljahr erzählt habe. Über Riddle und das Tagebuch." Beide Jungs nickten. „Lily ist gestern zu uns gekommen und wollte sich ein Tagebuch für Hogwarts kaufen. Und ich hatte zugegeben ziemliche Bedenken deswegen, die sehr irrational sind, aber ich musste mir die Tagebücher eurer Grandma nochmal anschauen, um mich daran zu erinnern, dass diese Gedanken in mir, nicht wegen einem Tagebuch aufkommen, sondern wegen Riddle."

James zog die Augenbrauen zusammen und schaute Ginny mitleidig an. „Mum", erwiderte er leise.

Sie lächelte. „Ist schon gut", versicherte sie ihm. „Euer Dad hat bestimmt nichts dagegen, wenn ihr euch sie auch mal durchlest. Natürlich nur, wenn ihr wollt."

„Wann hat Grandma angefangen die zu schreiben?", wollte Al wissen und setzte sich neben seine Mutter. Das Notizbuch, welches sie in der Hand hielt, war schwarz und schlicht gehalten und die Schrift seiner Großmutter war ordentlich und gut zu lesen.

„Zu Beginn ihres letzten Schuljahrs bis zu ihrem Tod", erwiderte Ginny. „Euer Dad hat sie gerne gelesen als ich mit euch schwanger war oder als ihr auf der Welt wart, denn so hat er sich seinen Eltern immer ein bisschen näher gefühlt. Mir haben sie auch das Gefühl gegeben als würde ich sie kennen. Ich bin immer noch der festen Überzeugung, dass euer Grandpa und ich uns blendend verstanden hätten", kommentierte sie mit einem Lächeln.

„Bei dem, was ich von Dad über ihn weiß, würde ich dir auf jeden Fall zustimmen", stimmte James – ihr James – ihr zu. „Grandpa James war bestimmt toll, genauso wie Grandma Lily."

Al schaute traurig zu seiner Mutter und seinem Bruder. „Ist es komisch jemanden zu vermissen, den man nie kennengelernt hat?"

„Nein Al, ganz und gar nicht", versicherte seine Mum ihm.

Ein bedrücktes Seufzen war von James zu hören. „Ich hätte sie so gerne kennengelernt, genauso wie Onkel Fred."

Und er wusste gar nicht, wie viel Ginny diese Worte bedeuteten. Und wie viel sie auch Harry bedeuteten als er von der Arbeit kam und seine Frau ihm von dem Gespräch mit ihren Söhnen erzählte.

Und beide weinten in dieser Nacht leise für die Menschen, mit denen sie nur viel zu wenig Zeit zusammen hatten.

TRUSTING (until the end) - Hinny FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt