Vorsichtig trat Jonathan näher an Sheila heran und legte die Arme von hinten um sie. Es war so schön, sie lächeln zu sehen. Ein klein wenig war er auch stolz auf sich, dass er die Idee gehabt hatte, mit ihr zu dem Lichterfestival zu gehen. Es war wirklich sehenswert, neben mehreren Feuerkünstlern waren auch Akrobaten aufgetreten. Danach hatten sie noch ein riesiges Feuerwerk veranstaltet, doch als letztes wurden überall auf dem See kleine, schwimmende Fackeln angezündet und von der Bühne aus wurden bunte Himmelslaternen angezündet. Als die erste in den Nachthimmel geschickt wurde, hatte er die Arme um sie gelegt. Sie hatte ihre Wange an seine geschmiegt und hielt seine Hände fest, wie um sicher zu gehen, dass er sie nicht mehr losließ.
Erst als die Laternen nur noch kleine Punkte am Himmel waren, wand sie sich aus seinem Griff und drehte sich zu ihm um. Sie sah ihm so liebevoll in die Augen, dass seine Knie weich wurden.
„Ich liebe dich", rutschte es ihm heraus, ohne dass er es hätte verhindern können. Sie lächelte, dann küsste sie ihn. Augenblicklich wünschte er sich, dass sie unbeobachtet waren, doch er war sich des Sicherheitsmanns ein paar Meter von ihnen nur allzu bewusst.
„Lass uns noch ein bisschen warten, bis das Gedränge weg ist", schlug sie vor und warf einen Blick in die Richtung des Parkplatzes, wo sich die Menschen knubbelten.
„Okay", sagte er und griff nach ihrer Hand. Ihr Blick war wieder zum Himmel gewandert, denn noch immer konnte man kleine leuchtende Punkte sehen.
„Hat es dir gefallen?", fragte er leise in ihr Ohr und sofort nickte sie begeistert.
„Ja, es war wirklich schön", sagte sie beinahe verträumt.
„Ich glaube, jetzt sind die meisten Leute weg", sagte sie und und zog ihn schon in Richtung Parkplatz. Ihre Hand verkrampfte sich um seine und erst da bemerkte er, dass sie zitterte.
„Ist dir kalt?", fragte er, doch es war offensichtlich.
„Im Auto mache ich gleich die Heizung an", fügte er hinzu und sie nickte nur. Schweigend gingen sie zu seinem Auto und er hielt er die Tür auf. Sie stieß einen überraschten Laut aus, doch dann lächelte sie. Offenbar war sie es nicht gewohnt, dass man ihr den Hof machte.
Er bekam einen bitteren Geschmack im Mund, als er daran dachte, wie sie in den letzten Wochen behandelt worden war. Sie war mindestens einmal geschlagen worden und anscheinend war er auch sonst nicht wirklich aufmerksam gewesen. Schnell stieg er auf der Fahrerseite ein und startete den Motor. Die Heizung drehte er auf volle Stärke, doch trotzdem hatte sie die Arme um sich geschlungen.
„Gleich wird es wärmer", versprach er und rieb ihr mit der Hand den Oberschenkel, dann fuhr er los. Doch als er vom Parkplatz herunterfuhr, kam ihm ein unangenehmer Gedanke. Zwar hatten sie einen schönen Abend verbracht, aber vielleicht wollte sie nun jetzt doch lieber nach Hause.
Schüchtern warf er ihr einen Blick zu, denn er wollte nicht, dass sie zu ihm zurückging. Nicht nur, weil er nicht wollte, dass er sie küsste oder sonst was mit ihr machte, er hatte auch ein bisschen Angst um sie. Er konnte es nicht richtig beschreiben, aber er hatte ein schlechtes Gefühl, wenn er daran dachte, sie nach Hause zu lassen.
„Über was denkst du nach?", fragte sie ihn und erschrocken sah er sie an. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, dass man ihm sein Nachdenken angesehen hatte.
„Ich... ich hatte mich nur gefragt, ob du noch mal bei mir schlafen willst", sagte er leise und hatte es ganz bewusst so formuliert und nicht gefragt, ob sie nicht lieber nach Hause wollte. Eine Weile spürte er ihren Blick auf sich ruhen, dann seufzte sie.
„Ich will dich nicht nerven, aber... wenn es okay für dich ist, würde ich noch bis morgen bei dir bleiben", sagte sie, aber sie klang dabei wie ferngesteuert.
„Klar! Du... du gehst mir nicht auf die Nerven. Ich hatte gehofft, dass du bei mir bleiben willst", sagte er schnell, doch sie senkte den Blick.
„Er hat bestimmt ein paar Mal angerufen", fuhr sie fort und fing an, ihre Hände zu kneten.
„Willst du ihn zurückrufen?", fragte er nach, nicht ganz sicher, wie sie reagieren würde. Doch ihm entging nicht, dass sie augenblicklich bedrückt wirkte.
„Wäre vielleicht nicht schlecht. Sonst läuft er hinterher noch Amok oder so."
Fast wäre ihm ein Kichern herausgerutscht, doch sie schien es nicht als Scherz gemeint zu haben. Die restliche Strecke fuhren sie schweigend nach Hause und als er den Motor ausschaltete, legte sie ihre Hand auf seinen Oberschenkel und hielt ihn so vom Aussteigen ab. Möglichst sanft sah er sie an, denn offensichtlich schien sie besorgt zu sein.
„Gehst du schon mal vor? Ich rufe ihn schnell an und dann komme ich nach", sagte sie und nahm ihre Hand wieder weg. Er versuchte ihren Blick zu lesen, doch es war unmöglich. Sie hatte eine unbewegte Maske aufgesetzt.
„Okay, wie du willst. Aber lass mich nicht zu lange warten", sagte er betont lässig und strich ihr sanft über die Wange. Sofort schlossen sich ihre Augen und sie schmiegte sich an seine Hand.
„Okay", flüsterte sie, dann stieg sie aus und kramte ihr Handy aus der Jackentasche. Ohne den Blick von ihr abzuwenden stieg er ebenfalls aus und blieb etwas unschlüssig neben ihr stehen. Ohne es wirklich zu wollen warf er ein Blick auf ihr Handy.
„Er hat 13 Mal angerufen, die Nachrichten habe ich noch nicht durchgesehen", sagte sie und wedelte mit dem Handy in der Luft herum.
„Okay, das ist schon ein bisschen...", er sprach den Satz nicht zu Ende, doch das Wort, das ihm einfiel, war krank. Aber das würde er nicht sagen. Nicht, solange sie noch ein wenig an ihm hing.
„Bis gleich, Süße", verabschiedete er sich und küsste sie auf den Kopf, dann ging er zur Tür. Bevor er aufschloss, sah er sich noch einmal nach ihr um. Sie schien ihn zu beobachten und darauf zu warten, dass er sie endlich allein ließ. Mit schwerem Herzen ließ er sie stehen und lief schnell nach oben.
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Slice of Life - A New Beginning I
RandomSheila steht vor einer der wichtigsten Veränderungen in ihrem Leben, denn sie ist frisch verliebt in Jonathan, der ihre Gefühle auch erwidert. Allerdings steckt sie noch mitten drin in einer toxischen, gewalttätigen Beziehung mit Ville, von dem sie...