Kapitel 3 - Sheila

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Immer wieder blickte sie sich nach ihm um. Obwohl sie wütend auf ihn war, dass er sie warten ließ, hoffte sie innerlich, dass er noch auftauchen würde. Sie wollte ihn treffen. 

Ihr Blick schweifte über die Autos, die hupend die Straße entlang krochen. Anscheinend war irgendwo ein Unfall gewesen, denn normalerweise war um diese Uhrzeit deutlich weniger Verkehr. Vielleicht stand er ja im Stau, versuchte sie ihre Wut zu ersticken. Doch selbst wenn, hätte er sich kurz bei ihr melden können, dass er sich verspätete. 

Gerade als sie sich ein letztes Mal umblicken wollte, ob sie ihn nicht doch erkannte, ließ ein Hupen sie hochschrecken. Automatisch blickte sie in Richtung der Quelle des Geräuschs und erstarrte, bevor sich ein Lächeln auf ihre Lippen schlich. 

Knapp 30 Meter von ihr entfernt stand ein kleines, silbernes Auto, aus dem jemand wie ein Irrer winkte und auf die Hupe drückte, wie um auf sich aufmerksam zu machen. 

Zögernd ging sie auf den Wagen zu, doch es war unmöglich, dass sie sich irrte. Er war es, der da winkte und hupte. Offensichtlich wollte er, dass sie zu ihm kam. 

Mit weichen Knien ging sie auf ihn zu und endlich hörte er auf zu winken. Stattdessen lächelte er und schob verlegen seine schwarze Mütze zurecht. Wollte er etwa, dass sie zu ihm ins Auto stieg? 

Unweigerlich drängte sich das Bild einer Prostituierten in ihre Gedanken, die zu Fremden ins Auto stieg. Doch eigentlich hatte sie bisher nicht den Eindruck, dass er sie nur für eine Nacht wollte. Dafür hatten sie sich viel zu gut verstanden und viel zu gut unterhalten. Außerdem kannten sie sich schon seit ein paar Wochen. 

Seit sie von ihrem Platz an der Hauswand des Cafés losgegangen war, hatte er keinen Meter zurückgelegt. Noch knapp 5 Meter war sie entfernt, als er sich auf die Beifahrerseite lehnte und die Tür aufstieß. Eindeutig wollte er, dass sie einstieg. 

Obwohl alle Alarmglocken in ihrem Kopf schrillten, öffnete sie die Autotür, ließ sich auf den weichen Sitz fallen und schlug die Tür hinter sich zu. Erst da warf sie ihm einen Blick zu. 

„Hey", sagte er lächelnd und sie sah, dass seine Wangen leicht rot wurden. Kein Zweifel, er war wirklich derjenige, als der er sich ausgegeben hatte. Er trug auch heute seine schwarze Mütze, die er auf allen Fotos getragen hatte, dazu ein einfaches grünes T-Shirt und eine dunkle Jeans. Er war eindeutig süß. 

„Hey", antwortete sie leise, dann sahen sie sich ein paar Sekunden einfach nur an. Doch es war nicht unangenehm. Sie konnte spüren, dass er genau so unsicher war wie sie selbst. 

„Tut mir leid, dass ich zu spät bin. Dahinten war ein Unfall und...", stammelte er und griff sich verlegen an den Hinterkopf. 

„Ich dachte erst, du hättest mich versetzt", entgegnete sie, woraufhin er schnell den Arm nach ihr ausstreckte, so als wollte er sie an der Schulter berühren. Doch kurz bevor er sie berührte, hielt er inne. 

„Dafür habe ich dich viel zu gern. Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass du noch da bist, wenn ich ankomme", gestand er ehrlich und lachte kurz. Sie erwiderte sein Lachen und ihr Ärger war nun vollständig verflogen. 

„Du bist süß", sagte sie und sah ihn kurz an, doch sofort fand sein Blick den ihren. 

„Ach was, ich bin ein Trottel, dass ich dich habe warten lassen."

Einige Augenblicke schwiegen sie, während er wenige Meter weiter die Straße entlang kroch. 

„Du bist wirklich du", durchbrach er die Stille und sie spürte, dass er sie musterte. 

„Und du bist wirklich du", gab sie zurück. 

„Sieht wohl so aus. Soll ich versuchen, da vorne in der Seitenstraße einen Parkplatz zu finden?", fragte er und deutete mit dem Finger auf eine kleine von der Hauptstraße abgehende Straße. 

„Bis wir da sind, ist es schon dunkel", scherzte sie und knuffte ihn in den Arm. Woher sie den Mut dazu hatte, wusste sie nicht, doch es fühlte sich ganz natürlich an. Fast so, als würden sie sich schon länger kennen als 5 Minuten. Grinsend warf er ihr einen Blick zu.

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Sheila hatte nicht auf die Uhr geachtet, doch es schien noch eine Ewigkeit gedauert zu haben, bis er endlich einen Parkplatz gefunden hatte und sie nebeneinander her zurück zum Café gegangen waren. Nun saßen sie sich gegenüber an einem kleinen, viereckigen Tisch, 2 Tassen und 2 Stücke Kuchen zwischen sich.

Neugierig blickte sie sich in dem kleinen Café um. Die Möbel schienen bunt zusammengewürfelt zu sein und die Frau hinter der Theke wirkte wie eine durchgedrehte Lehrerin. Sie erinnerte sich an eine ihrer Lehrerinnen in der Schule, die sich die Haare immer mit einem Bleistift zurückgesteckt hatte.

Jonathan hatte selbst in dem warmen Raum seine Mütze nicht ausgezogen und gierig hatte er schon die Hälfte seines Kuchens heruntergeschlungen, als sie gerade das erste Stück heruntergeschluckt hatte. 

„Ich freu mich so, dass es endlich geklappt hat mit dem Treffen", sagte er zwischen zwei Bissen und sah sie unsicher an. Sie fragte sich, weshalb er so nervös war. Er musste doch wissen, dass sie ihn mochte. 

„Ich mich auch. Ich kann noch nicht glauben, dass ich wirklich hier mit dir sitze", gab sie zu, doch schnell biss sie sich auf die Lippe. 

„Geht mir genau so", gab er zu, dann nahm er einen Schluck aus seiner Tasse. 

„Und du bist Tänzerin?", fragte er, nachdem er die Tasse wieder abgestellt hatte. Ein kleiner Stich fuhr durch ihr Herz. Langsam nickte sie. 

„Aber ich bin im Moment krank geschrieben", sagte sie leise und versuchte ihm mit ihren Blicken zu sagen, dass er nicht nachfragen sollte. Kurz zuckte sein Mundwinkel, doch dann wurde sein Blick weich, so als könnte er ihre Bitte hören. 

Langsam schob sie ihren Fuß ein Stück nach vorn, sodass er zwischen seinen stand. Es fühlte sich gut an, ihm nah zu sein. 

„Was hast du denn bisher so getanzt?", wollte er wissen, während er seinen leeren Teller ein Stück von sich wegschob. Sie senkte den Blick auf ihre Hände. 

„Nicht lachen, okay?", versicherte sie sich und sah ihn wieder an. Er hob eine Hand wie zum Schwur und grinste sie an. 

„Ich würde dich niemals auslachen", sagte er ernst, dann ließ er die Hand wieder auf den Tisch sinken. Ihr entging nicht, dass sie sie ganz leicht erreichen konnte, wenn sie den Arm ein kleines bisschen ausstreckte. 

„Zuletzt hatte ich einen Vertrag beim Staatsballett", erzählte sie und augenblicklich legte sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Sie vermisste das Tanzen, doch sie würde noch eine Weile ohne auskommen müssen. Zumindest bis sie alle davon überzeugt hatte, dass sie wieder gesund war. 

„Ach was, echt? Du bist Primaballerina?", fragte er neugierig und es klang eindeutig bewundernd. Sie freute sich immer, wenn sie so Leute überraschen konnte, immerhin sah sie nicht wie die klassische Ballerina aus. 

„Ich versuch's zumindest. Aber es ist echt hart. Vielleicht wollen ich und ein Freund, den ich noch aus der Ausbildung kenne, zusammen was Moderneres versuchen."

Jonathan nickte. 

„Ich find das cool! Du musst mir mal was zeigen!", sagte er aufgeregt und fast unmerklich wanderte seine Hand noch näher an ihre eigene. Sie lachte. 

„Vielleicht irgendwann mal."

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