Kapitel 145 - Sheila

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Inzwischen dämmerte es draußen und Sheila telefonierte mit ihrem Vater. Sie sprach auf Armenisch, denn Jonathan musste nicht mitbekommen, über was sie sich aufregte. Es war ihm sicherlich nicht entgangen, dass sie den Brief, den Ville ihr geschrieben hatte, behalten hatte. Sie wanderte unruhig auf und ab und spürte, dass Jonathan sie beobachtete. Er lag auf dem Sofa und hielt sein Handy in der Hand, doch immer wieder warf er ihr Blicke zu. Sie versuchte, ihn zu ignorieren, doch es gelang ihr nicht wirklich. Immer wieder trafen sich ihre Blicke und er sah verletzt aus. Doch sie würde nicht mehr ihm über den Inhalt des Briefes reden. 

„Beruhige dich!", sagte ihr Vater am anderen Ende der Leitung eindringlich, doch sie schnaubte nur. 

„Ich will mich nicht beruhigen! Was fällt ihm ein, so etwas zu schreiben!", beschwerte sie sich. Zwar war es ihr zuerst ein wenig peinlich, mit ihrem Vater über den Brief zu reden, doch er sollte es wissen. Mit Jonathan konnte sie nicht darüber reden, wie Ville ihr von ihren Bettgeschichten berichtete, was er mit ihr anstellen würde, wenn sie bei ihm war und was er mit ihr machen würde, wenn diese ganze Sache vorbei war. Bei dem Gedanken daran schüttelte es sie. 

„Hat Jonathan das gelesen?", hörte sie ihren Vater fragen und schnell verneinte sie. 

„Er wird das auch nicht lesen. Es würde ihn eifersüchtig machen", sagte sie nun etwas ruhiger. 

„Okay, aber warum regst du dich so auf?", wollte Darren wissen und wieder schnaubte sie nur. Sie setzte zu einer Antwort an, doch eigentlich wusste sie es auch nicht so recht. Kurz überlegte sie. Er hatte ihr ihre Steine zurückgeschickt, die er wahrscheinlich mitgenommen hatte, um sie zu ärgern. So weit so gut, kein Grund wütend zu werden. Er hatte ihr ein Bild gemalt, was sie beide zeigte. Schon ein bisschen besserer Grund, sich aufzuregen, doch wenn sie es einfach wegschmiss, kein Problem. Der versaute Brief, in dem er ziemlich genau seine Phantasien mit ihr beschrieb. Sie spürte, wie schon wieder eine Welle Ärger in ihr aufstieg. Doch auch etwas anderes regte sich in ihr. Nicht nur Wut, sondern auch schöne Erinnerungen drängten sich in ihr Hirn. Sie schüttelte den Kopf. 

„Ich will mich einfach über ihn aufregen!", verteidigte sie sich schwach, aber sie wusste, dass ihr Vater sie durchschaute. 

„Es ist nicht schlimm, wenn so etwas noch Gefühle in dir auslöst. Ihr wart lange zusammen", sagte er mit ruhiger Stimme, was sie nur noch mehr ärgerte. 

„Ich will aber keine Gefühle mehr für ihn haben. Ich hasse ihn, er ist widerlich!", stieß sie aus, dann legte sie ihre Hand an ihre Stirn, um sie ein wenig zu kühlen. Nun seufzte auch ihr Vater. 

„Mach dich nicht verrückt. Sollte er dir noch einmal etwas schicken, sieh es dir einfach nicht an. In ein paar Wochen wirst du nicht mehr viel an in denken. Wenn ihr das Haus umbaut hast du viel zu viel zu tun, als dass du an ihn denken könntest", versuchte er sie ein wenig aufzumuntern und tatsächlich gelang es ihm auch. 

„Stimmt. Ich versuche einfach daran zu denken", stimmte sie zu und ihr Vater machte ein zufriedenes Geräusch. 

„Aber du solltest Jonathan davon erzählen. Auch wenn er eifersüchtig wird, aber so wird er misstrauisch. Stell dir vor, wie er sich fühlen muss", fuhr er fort und Sheila überlegte. Eigentlich hatte sie bisher nur daran gedacht, dass Jonathan bei Villes Worten eifersüchtig werden würde. Doch wenn sie den Brief vor ihm versteckte und sie deswegen so ausflippte, würde er sich doch denken, dass irgendetwas Schlimmes darin stehen musste und er würde sich womöglich Sorgen um sie machen. 

„Ich weiß nicht", sagte sie nur schulterzuckend, denn bei dem Gedanken, wie sie ihm womöglich den Brief vorlas, wurde ihr schlecht. Er sollte so etwas nicht hören. 

„Du musst es ja nicht sofort machen. Aber versetz dich mal in seine Lage. Stell dir vor, er würde einen Brief von seiner Ex-Freundin bekommen und so ein Theater machen", hörte sie ihren Vater und sie spürte einen Stich in der Brust. Seine Worte verletzten sie. Offensichtlich fand er ihre Reaktion überzogen und absolut nicht angemessen. Sie schluckte einen Teil ihrer Wut herunter. Wenn sie ehrlich zu sich war, klang das ziemlich nach ihr. 

Slice of Life - A New Beginning IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt