Slice of Life - A New Beginning I

Kapitel 110 - Sheila

Als Sheila am nächsten Morgen von dem Wecker aus dem Schlaf gerissen wurde, fühlte sie sich, als hätte sie nur fünf Minuten geschlafen. Schnell schaltete sie den Wecker aus und tastete nach Jonathan, doch seine Seite seines Bettes war leer. Erst da fiel ihr wieder ein, dass er wahrscheinlich im Studio war. 

Sie drehte sich noch einmal um, doch ihre Gedanken wanderten an heute Nachmittag. Zwar wäre sie nicht allein, doch sie würde endlich sehen, wie groß der Schaden war, den Ville angerichtet hatte. 

Vielleicht fühlte sie sich selbst wie das Haus. Eine Hülle, in der Ville gewütet hatte und nun wieder von Jonathan repariert wurde. Der Unterschied war nur, dass man den Schaden am Haus sehen konnte, den in ihrem Innern nicht.

Nachdem sie noch 10 Minuten unter der warmen Decke liegen geblieben war, zwang sie sich, aufzustehen. Sie suchte sich frische Klamotten zusammen und ging dann in Richtung Bad. 

Doch bevor sie hineinging, lauschte sie an der Tür zum Studio. Obwohl der Raum schallisoliert war, hörte sie ihn singen. Mit geschlossenen Augen lauschte sie ihm eine ganze Weile, doch dann fing ihre Blase an, unangenehm zu drücken. 

Sie beeilte sich mit dem Duschen, dann ging sie wieder zurück ins Wohnzimmer und griff nach ihrem Handy. Sie hatte eine neue Nachricht, doch als sie sie anklickte, war sie überrascht. 

„Dein Vater hat erzählt, dass ihr heute ins Haus geht. Wenn du irgendetwas daraus nicht mehr sehen, aber nicht wegschmeißen willst, kannst du es erst einmal bei uns unterstellen. Ich gebe es ihm dann irgendwann", schrieb Oskar. Er wollte die Sachen von Ville für ihn aufbewahren. In ihrem Hals bildete sich ein Kloß, den sie mühsam hinunterschluckte. 

„Das ist nett. Kannst du vielleicht auch kommen oder musst du arbeiten?", antwortete sie ihm. Obwohl sie und Oskar ganz gut miteinander auskamen, zählte sie ihn nicht mehr zu ihren besten Freunden. Das war einmal so gewesen, doch seit er Matthias so verletzt hatte, war ihr Interesse an ihm deutlich zurückgegangen. Trotzdem fühlte es sich richtig an, dass er dabei war. Immerhin war Ville sein Halbbruder und sie konnte verstehen, dass er seine Sachen aufbewahren wollte. Außerdem würde er sie davor bewahren, vollkommen durchzudrehen, denn ihn umgab immer so eine ruhige Aura. 

„Ich habe diese Woche frei. Hast du nicht Lust am Freitag mit in die Stadt zu kommen? Wir wollten in meinen Geburtstag reinfeiern", antwortete er kaum eine Minute später. Erst da bemerkte sie, dass sie sich schon lange keine Gedanken mehr darüber gemacht hatte, welches Datum war. Aber doch fühlte sie sich, als würde sie immer mehr in der Realität ankommen. Allmählich realisierte sie, wie sehr ihr Leben sich in den letzten Wochen verändert hatte. 

„Klar, gerne komme ich mit!", schrieb sie. Obwohl sie eigentlich nicht der größte Partygänger war – zu Oskars Geburtstag waren sie immer weggegangen. Kurz überlegte sie, ob sie ihn fragen sollte, ob sie Jonathan mitbringen durfte, doch sie wusste nicht so recht, was Oskar davon hielt. Immerhin war Ville doch sein Bruder. 

Bevor sie noch länger darüber nachdenken konnte, legte sie ihr Handy auf den kleinen Wohnzimmertisch und ging zum Kühlschrank. Sie holte sich einen Joghurt heraus, kramte einen Löffel aus der Schublade und setzte sich wieder aufs Sofa. Gerade als sie sich den ersten Löffel in den Mund geschoben hatte, hörte sie, wie sich die Tür des Studios öffnete. Keine Sekunde später kam Jonathan heraus und zuckte ein wenig zusammen, als er sie sah. 

„So schrecklich sehe ich auch nicht aus", lachte sie, dann stellte sie den Joghurt neben ihr Handy und streckte die Arme nach ihm aus. Mit schnellen Schritten kam er zu ihr und setzte sich neben sie aufs Sofa und legte die Arme um sie. Mit einer fließenden Bewegung setzte sie sich auf seinen Schoß und küsste ihn. 

„Ich habe heute Morgen gar nicht gehört, dass du aufgestanden bist", sagte sie, während sie die Hand an seine Wange legte. Es fühlte sich einfach nur schön an, seine Nähe zu spüren.