Sheila wunderte sich nicht zum ersten Mal darüber, wie Jonathan es nur mit ein paar Worten schaffte, sie aufzumuntern. Nachdem sie sich schnell eine anständige Frisur gemacht hatte, ging sie wieder zu ihm ins Wohnzimmer.
Er schmiss gerade seinen Joghurtbecher in den Mülleimer und strahlte sie an. Er war immer so gut gelaunt, dass es bestimmt merkwürdig sein würde, sollte er jemals schlechte Laune haben. Sheila würde einfach versuchen, dass er sich nie schlecht fühlte. Anscheinend gelang es ihr bisher ganz gut.
„Wann sollen wir da sein?", fragte er, doch sie sah ihn verwirrt an. Er lachte kurz, als er ihren Gesichtsausdruck sah.
„Dein Vater hat uns doch gestern zum Essen eingeladen", erklärte er und erst da fiel Sheila wieder ein, dass ihr Vater Jonathan eingeladen hatte.
„Stimmt, ich weiß nicht genau. Aber wenn du willst, können wir bald los", antwortete sie und zuckte die Schultern. Eigentlich war es ihr egal, wann sie sich auf den Weg machten, sie hatte heute sowieso nichts mehr vor.
„Okay, dann lass uns doch gleich losfahren. Dann können wir noch besprechen, wie es mit dem Haus weitergeht. Ich kenne mich zwar nicht wirklich aus, aber ich denke, dass wir in zwei Wochen alles soweit vorbereitet haben, dass der Dachdecker und der Typ für die Bäder kommen kann", sagte Jonathan und streckte die Arme nach ihr aus. Schnell ließ sie sich von ihm umarmen.
„Meinst du wirklich, das geht so schnell?", fragte sie nach, denn das Haus sah noch immer aus wie eine Baustelle.
„Ja, ich denke schon. Wir haben doch schon viel geschafft. Ich wollte noch Karl und Laura fragen, ob sie nicht am Wochenende vorbeikommen wollen, um uns ein wenig zu helfen", gab er zurück und Sheila nickte.
„Gute Idee", sagte sie und löste sich von ihm, um ihre Handtasche zu packen.
„Freust du dich schon aufs Wand rausschlagen? Dann kannst alles rauslassen", lachte er und sah ihr hinterher. Sheila kicherte.
„Glaubst du etwa, ich hätte Aggressionen in mir, die dringend raus müssen?", fragte sie, doch Jonathan zuckte nur übertrieben die Schultern.
„Wer weiß", sagte er und zwinkerte ihr zu, aber sie grinste nur. Tatsächlich hatte sie Aggressionen in sich, aber die wollte sie möglichst klein halten. Vielleicht hatte er recht und sie könnte sich vorstellen, sie würde auf Ville einschlagen. Mit einem teuflischen Grinsen sah sie ihn an.
„Vielleicht könnte ich mir tatsächlich jemanden vorstellen, der die Wand ist", sagte sie in scherzhaftem Ton, doch es war ihr durchaus ernst. Jonathan schien es ebenfalls zu verstehen und seine Miene wurde ernst.
„Ja, das klingt nach einer guten Idee", sagte er leise und senkte den Blick. Sheila legte ihm schnell die Hand an die Wange.
„Aber lass uns nicht über ihn nachdenken. Er ist ein Idiot und ich will ihn nie wieder sehen", sagte sie schnell und wenn sie in Jonathans Nähe war, fiel es ihr ganz leicht, das über Ville zu sagen.
„Tut mir leid, dass ich dich daran erinnert habe. Ich habe nicht nachgedacht", sagte er, doch Sheila lachte.
„Es macht mir nichts mehr aus", log sie, denn ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, wenn sie an Ville dachte. Noch vor ein paar Wochen konnte sie nur den wahnsinnigen Ville erkennen, der seine Hände um ihren Hals gelegt hatte. Doch irgendwie schlich sich das Bild von ihm in ihr Hirn, wie er lachte. Wie er sie an der Hand hinter sich herzog und sie mit sich in das kalte Wasser des Sees zog. Sie erinnerte sich, wie sie früher oft dort gebadet hatten.
Schnell schüttelte sie den Kopf, um das Bild zu vertreiben, denn sie wusste doch eigentlich, dass sie diesen Ville nie wieder sehen würde. Er hatte ihn selbst zerstört und war zu diesem kalten, berechnenden Typen geworden, der kein Problem damit hatte, sie zu schlagen und ihr wehzutun.
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Slice of Life - A New Beginning I
SonstigesSheila steht vor einer der wichtigsten Veränderungen in ihrem Leben, denn sie ist frisch verliebt in Jonathan, der ihre Gefühle auch erwidert. Allerdings steckt sie noch mitten drin in einer toxischen, gewalttätigen Beziehung mit Ville, von dem sie...