Sheila schlug die Augen auf und sah ein helles, weißes Licht. Reflexartig blinzelte sie einige Male, dann gewöhnten sich ihre Augen allmählich an die Helligkeit. Sie war in einem Raum mit weißen Wänden und rechts von ihr war ein großes Fenster. Vorsichtig wandte sie den Blick nach links, doch etwas um ihren Hals hinderte sie daran, den Kopf so weit zu drehen, dass sie sich richtig hätte umsehen können. Sie lag in einem Bett und mit einer langsamen Bewegung schlug sie die Decke ein Stück auf Seite.
Allmählich kamen die Erinnerungen wieder hoch, was der Grund für ihren Krankenhausaufenthalt war. Ohne es wirklich zu wollen wanderten ihre Hände zu ihrem Hals, doch anstatt ihre Haut zu berühren, fand sie nur warmes Plastik. Anscheinend trug sie eine Halskrause und sie hatte das dringende Bedürfnis, diese abzunehmen. Wieder spürte sie, dass etwas ihren Hals einengte und langsam aber sicher bekam sie Panik.
Gerade als sich die Tränen einen Weg über ihre Wangen suchen wollten, fiel ihr ein, dass sie doch den Notfallknopf drücken konnte. Hastig suchte sie danach und recht schnell fand sie ihn auf ihrem Nachttisch. Es dauerte nur einen Augenblick, bis eine Krankenschwester herein kam.
„Wie geht es Ihnen?", fragte sie, während sie eilig zu ihr ans Bett kam und ihr die Hand auf die Stirn legte.
„Das muss ab!", wollte sie sagen, doch es kam nur ein unverständliches Krächzen aus ihr heraus.
„Reden Sie so wenig wie möglich. Ich hole einen Arzt", sagte sie und wählte eine Nummer auf einem Telefon, das sie aus ihrer Kitteltasche holte.
Sheila zwang sich, ruhig zu atmen. Sie war in Sicherheit und ihr würde nichts passieren, versuchte sie sich zu beruhigen, doch es gelang ihr nicht wirklich.
Keine Minute später kam ein Mann in den Raum. Er war groß und schlank mit grauen Locken auf dem Kopf. Hinter ihm wuselte die Krankenschwester herum, aber sie hielt sich im Hintergrund.
„Gut, dass Sie aufgewacht sind. Fühlen Sie sich besser? Irgendwelche Schmerzen?", fragte der Arzt, doch sie konnte nicht antworten. Das einzige, was sie fühlte, war ein Brennen im Hals und das drängende Gefühl, diese verfluchte Halskrause abzubekommen.
„Sie möchte die Halskrause abnehmen", hörte sie die Krankenschwester sagen, woraufhin der Arzt sich zu ihr herunterbeugte und mit einer geübten Handbewegung die Halskrause abnahm. Augenblicklich wurde sie ruhiger und sie fühlte sich nicht mehr so eingequetscht.
„Bitte machen Sie nur Handzeichen. Daumen hoch für Ja, Daumen runter für Nein. Haben Sie das verstanden?", fragte sie der Arzt und sah sie dabei an, als wäre sie verrückt. Allerdings hob sie Bestätigung trotzdem den Daumen nach oben.
„Erinnern Sie sich daran, was passiert ist?", fragte er und sie wiederholte die Geste. Ja, sie erinnerte sich nur zu gut, dass Ville sich auf sie gestürzt hatte, nachdem sie ihn zurückgewiesen hatte. Sie war auf den Boden geknallt und er saß auf ihr und er hatte die Hände so fest um ihren Hals gelegt, dass sie beinahe erstickt wäre.
„Sehr gut, das ist ein gutes Zeichen. Haben Sie Schmerzen?", wollte er dann wissen und sie streckte den Daumen nach unten. Sie hatte keine Schmerzen, ihr Hals brannte zwar merkwürdig und sie fühlte sich schlapp und müde, doch ihr tat nichts weh.
„Sie bekommen genug Luft?", kam die nächste Frage. Ja, sie bekam gut Luft, antwortete sie mit einem Zeichen.
„Darf ich einmal Ihren Hals abtasten? Ich bin vorsichtig, ich muss nur nachsehen, ob sich Unregelmäßigkeiten gebildet haben", hörte sie den Arzt sagen. Kurz schloss sie die Augen, dann reckte sie den Daumen nach oben. Lieber wollte sie schnell alle Untersuchungen hinter sich bringen, damit sie wieder nach Hause konnte. Oder besser gesagt, dass sie zu Jonathan kam. Zu ihrem Vater, ihrem Bruder und Lisa. Sie vermisste sie plötzlich alle so sehr, dass ihr wieder die Tränen kamen.
„Sie müssen keine Angst haben. Schwester Marie wird Ihre Hand halten, wenn es Sie beruhigt", sagte er und schnell kam die Krankenschwester auf ihre andere Seite und hielt ihr Hand fest. Anscheinend dachte der Arzt, sie hätte Angst vor der Untersuchung. Sie schloss die Augen und wartete, bis der Arzt sie fertig untersucht hatte. Es war nicht mal im Ansatz so unangenehm, wie sie es erwartete hatte.
„Okay, ich denke, Sie haben Glück gehabt. Sie haben einige Quetschungen und Einblutungen, doch nichts davon ist wirklich ernst. Sie sollten noch einige Tage hier bleiben und sich ausruhen. Und Sie sollten vermeiden, zu sprechen. Heute Abend komme ich noch einmal zu Ihnen, in Ordnung?", fragte er eindringlich aber einfühlsam zugleich. Es war offensichtlich, dass er wollte, dass sie seine Anweisungen befolgte und gleichzeitig wollte er sie nicht aufregen. Sie streckte zur Bestätigung den Daumen wieder hoch, dann ließ er sie mit der Krankenschwester allein. Diese hielt noch immer ihre Hand und sie spürte, dass sie ihr sanft über den Handrücken strich.
„Das wird alles wieder, machen Sie sich keine Gedanken. Hier sind Sie in Sicherheit", sagte sie sanft und lächelte. Sheila versuchte ihr mit ihrem Blick zu sagen, dass sie dankbar für ihre netten Worte war.
Plötzlich fiel ihr noch etwas ein. Sie wollte ihrem Vater und Jonathan eine Nachricht schreiben. Sie entzog der Krankenschwester ihre Hand und formte einen Telefonhörer mit der Hand. Wissend nickte diese, ging an den Nachttisch und öffnete die Schublade. Heraus holte sie ihr Handy, das sie ihr reichte.
„Ihr Vater war heute Morgen schon da, er wollte heute Nachmittag wieder kommen", erklärte sie, dann nickte sie ihr noch einmal zu und ließ sie allein.
Sheila warf einen Blick auf ihr Handy. Sie hatte jede Menge Nachrichten. Wie verrückt es doch war, wer sich alles bei einem meldete, wenn man verletzt oder krank war, dachte sie und klickte die Nachricht ihrer Mutter an. Doch mehr als unpersönliche Genesungswünsche hatte sie nicht zustande gebracht. Ohne sich alles durchzulesen tippte sie auf Jonathans Namen.
„Bitte komm mich besuchen. Ich brauche dich", schrieb sie, als sie von einem Klopfen an der Tür unterbrochen wurde. Vorsichtig wandte sie den Kopf um, blieb jedoch stumm. Der Arzt wollte nicht, dass sie redete, also würde sie sich auch daran halten. Keine drei Sekunden später öffnete sich die breite, weiße Tür und jemand kam herein.
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Slice of Life - A New Beginning I
De TodoSheila steht vor einer der wichtigsten Veränderungen in ihrem Leben, denn sie ist frisch verliebt in Jonathan, der ihre Gefühle auch erwidert. Allerdings steckt sie noch mitten drin in einer toxischen, gewalttätigen Beziehung mit Ville, von dem sie...