Ein unglaublicher Verdacht

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John :

Lilly kam erst um halb sechs nach Hause. Sie wirkte erschöpft und doch glücklich. Als ich sie sah, traute ich erst meinen Augen nicht. Sie hatte sich die blonden Haare an den Spitzen hellblau färben lassen und war etwas geschminkt. Sie trug einen schwarzen, kurzen Rock und ein hellgrünes Top, von denen ich mir hundertprozentig sicher war, dass ich sie noch nie an ihr gesehen hatte.
Als sie, so elegant und leichtfüßig, wie nie zuvor an mir vorbeiging und sich aufs Sofa setzte, erkannte ich George in der Tür. Er hatte sich ebenfalls verändert: Er trug eine schwarze Lederjacke und eine dunkle Hose. Sein braunes Haar war nun an den Spitzen pechschwarz. Er lächelte mir durch eine Sonnenbrille zu, durch die er ziemlich erwachsen wirkte.
"Ist Dad zufällig hier?", fragte er.
" Nein, aber er müsste schon auf dem Weg hierher sein ", erwiderte ich. "Wart ihr beim Friseur oder...?", begann ich, doch sie schüttelten bereits den Kopf. "Nicht direkt. Wir waren bei einem Freund aus der Schule. Er ist heute neu zu uns in die Klasse gekommen", antwortete Lilly. Ich verschluckte mich fast.
"Ihr wart bei jemandem zu Hause, den ihr erst seit heute kennt? Ich meine, seine Eltern hätten Verbrecher sein können. Oder Psychopathen oder..." "Wir haben ihn gestern Abend schon kennengelernt. Wir ... sind uns auf der Straße begegnet", warf meine Tochter ein und mir wurde sofort klar, dass sie mir etwas verheimlichte. "Außerdem ist sein Vater kein Psychopath, sondern ein hochfunktionaler Soziopath", fügte George hinzu und die beiden kicherten.
Ich starrte die Kinder entsetzt an.
Ich wusste noch genau, wer diesen Ausdruck erfunden hatte. Vielleicht...
Nein. Das war komplett unmöglich. Er war schon seit fünfzehn Jahren tot, nein, er konnte es nicht sein. Andererseits hatte er es schon einmal geschafft, seinen Selbstmord vorzutäuschen...
Nein, komplett unmöglich.
Erstens, weil Sherlock nach seinem ersten Tod nur zwei Jahre fort war, nicht fünfzehn. Zweitens, weil Mycroft mir seit Jahren immer wieder versicherte, dass sein Bruder verstorben war. Ohne ihn hätte Sherlock es bestimmt nicht so lange durchgehalten. Und drittens, da war ich mir absolut sicher, war es für Sherlock unmöglich, einen Sohn zu haben. George muss es sich ausgedacht haben. So oder so würde Mycroft seinem Bruder wohl kaum helfen wollen, nach der Sache mit Magnussen...
Der Name des erschossenen Erpressers ließ mich zusammenzucken.
"Alles klar, Dad? Du bist auf einmal so blass geworden. " , fragte Lilly, deren Anwesenheit ich fast vergessen hatte. "Ja, alles gut. Geht doch nach oben in dein Zimmer und... Was ist das, George?" Der Junge hielt einen kleinen, weißen Rosenanstecker in den Händen. " Ach, das." Er schaute es stolz an. "Das hat Hamish mir gegeben. Er sagte mir, ich sollte es bis morgen aufbewahren. Er will testen, wie lange sein Dad braucht, um zu bemerken, dass es weg ist. Er meint , sein Vater hätte es immer auf dem Nachttisch." Er gab es mir und im Bruchteil einer Sekunde erkannte ich es. Es war der gleiche Anstecker, den auch an meiner Hochzeit alle trugen. War das ein Zufall?
Da summte Georges Handy. Wir alle drei sahen auf das Display.

Er hat es sofort bemerkt. Unglücklicherweise weiß er bereits, dass ich es dir gegeben habe. :(
H

Wird er jetzt hierher kommen ?

Natürlich nicht, aber das Ding ist ihm wichtiger , als ich dachte...

Jetzt klingelte es an der Tür.

Sherlock :

Es waren Johns und Grahams Kinder. Oder hieß er Gavin? Auch egal.
ES WAREN IHRE KINDER !!!
Ich hätte wissen müssen, dass so etwas passieren würde. Jetzt hatte George auch noch meinen Anstecker von Johns Hochzeit. Eine tiefe Trauer machte sich in mir breit, die ich zu unterdrücken versuchte. Ich war in den vergangenen Jahren etwas offener für Gefühle geworden, aber auch nicht zu sehr. Jeder in meiner Familie würde es sofort erkennen, wenn ich traurig oder wütend war. Dann betrat auch schon Molly mein Zimmer.

Molly :

Armer Sherlock. Er dachte wahrscheinlich an den Rosenanstecker, den er noch von Johns Hochzeit hatte. Er war das einzige, was ihn an John und Mary erinnern konnte, ohne dass die Kinder Verdacht schöpften. Und nun hatte Hamish ihn dem kleinen George Lestrade gegeben. Ich dachte an den Moment, als ich ihn und Lilly zum ersten Mal sah...

... Ich sah auf, als meine Tochter mit Lilly die Tür zu meinem Zimmer öffnete. Ich erkannte sie sofort. "Wir haben was zu tun", erklärte Lissy freudig. Ich wusste erst nicht, was diese meinte, aber, als ich das Mädchen genauer ansah, kam ich von selbst drauf.
Ich färbte ihr die Haare, während Lissy alle möglichen Sachen aus ihrem Kleiderschrank heraussuchte. Als wir fertig waren, durfte ich dasselbe noch einmal bei George machen. Zum Schluss bekam ich mit, wie mein Mann sich noch mit den beiden unterhielt und sie die Wohnung wieder verließen.

"Hey", sagte ich und setzte mich neben ihn. "Machst du dir wegen Hamish Sorgen? Hast du Angst, er könnte etwas herausfinden."
"Molly, er wird es eines Tages erfahren. Die Frage ist nur wann."
Ich nickte.

Mary:

Ich war überrascht, als ich meine Tochter erblickte. Sie sah einfach zauberhaft aus. Ich hatte Greg auf dem Heimweg getroffen, welcher nun ebenfalls verwundert zu den Kindern sah. "Ihr beiden geht jetzt nach oben. Wir haben hier Erwachsenenkram zu besprechen.", sagte John gerade.
Die Kinder setzten sich empört in Bewegung. Als sie die Tür geschlossen hatten, purzelten die Worte nur so aus meinem Mann heraus. Er erzählte uns von dem Rosenanstecker und seinem Verdacht. Als er geendet hatte, herrschte eine lange Zeit Schweigen.

Sherlock:

" ... er hat es ihnen erzählt und jetzt schweigen alle", beendete ich meinen Bericht darüber, was gerade im Haus der Watsons vor sich ging. Molly hatte die ganze Zeit aufmerksam zugehört und fragte nun: "Was wird jetzt geschehen?" "Ich bin kein Gott, Molly. Aber ich hoffe, es ist was Gutes."

Past and Future ~ Sherlock-FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt