Das Problem und seine Lösung

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Sherlock :

In den nächsten Tagen nahmen Lilly und George regelmäßig an meinem Unterricht teil. Hamish's Berichten nach zu urteilen, kamen die beiden wirklich immer besser mit ihren Problemen zurecht. Das einzige, was mir Sorgen machte, war die Tatsache, dass Moriarty noch immer nichts von sich hat hören lassen. Was hatte er vor?
Nun war Donnerstag. Hamish's erste Schulwoche war fast vorüber. Ich wartete wie jeden Nachmittag auf meinen Sohn, der jeden Augenblick kommen sollte.
Da stieg er auch schon die Treppe hoch. Ich grinste ihm zu, aber er schaute mich ernst an. "Wir haben ein Problem." Seine Stimme klang nervös. "Wieso? Was ist passiert? ", fragte ich auf alles gefasst. Er hielt mir nur ein Blatt entgegen. Ich las:

Sehr geehrte Mr.Scott und Mrs.Scott

Da die Anmeldung Ihres Sohnes sehr kurzfristig kam und wir Sie gerne persönlich kennenlernen würden, laden wir Sie herzlich ein, sich uns selbst vorzustellen.
Freitag, der 09.08.14 um 18.00 Uhr.
Falls es nicht klappen sollte, geben Sie Ihrem Sohn einen passenden Termin mit.
Mit freundlichen Grüßen
M. Knight, Klassenlehrer
S. Tersey , Schulleiter.

Ich ballte die Hände zu Fäusten. Dahinter steckte Mycroft. John hatte ihm das Klassenfoto gezeigt, und jetzt wollten sie sich vergewissern, dass Hamish ein ganz normaler Junge war. Doch das war er nicht. Ich trat gegen den Holzschrank, der daraufhin bedrohlich knarrte."Verdammt", schrie ich ins Zimmer hinein.
" Nein. Nein. NEIN." Ich hörte, wie Alex, Molly und Irene leise hinter mich kamen. Einer nach dem anderen las den Brief und erbleichte anschließend. Wahrscheinlich hatten Irene die Kinder nach oben geschickt, (sie konnte sehr streng sein, wenn sie es wollte) , denn ich hörte keinen an der Tür lauschen. Nur Hamish saß auf einem der Stühle. "Was machen wir jetzt?", fragte Alex. Seine Stimme hatte nicht mehr so hart geklungen, seit er mir nach meinem zweiten gefälschten Selbstmord zum ersten Mal begegnet war.
"Mycroft wid uns beobachten. Deswegen können wir auf keinen Fall wirklich dort auftauchen", überlegte ich leise. "Aber er würde auch dich und Irene erkennen",sagte ich zu meinem Bruder gewandt. "Gebt mir eine Nacht zum Nachdenken. Wenn ich bis morgen noch keine Lösung für das Problem habe, müssen wir hier verschwinden." "Aber Moriarty..."
"Will uns hier nur aufhalten. Wenn er uns ein Rätsel hätte stellen wollen, hätte er es schon längst getan."
Ich ließ es so klingen, als wüsste ich das schon lange, aber in Wirklichkeit war es mir gerade erst klar geworden. "Aber Dad, wir können noch nicht gehen", rief Hamish entsetzt," Lilly hat am Dienstag Geburtstag und ich..." "Wolltest ihr etwas schenken, weil du sie gern hast. Ich weiß. Keine Angst, ich lass mir etwas einfallen. Versprochen."

Hamish :

Ich lag im Bett und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Alles schwirrte in meinem Kopf herum.
Ich dachte daran, dass ich Lilly bereits ein Geschenk gekauft hatte; ein silbernes Kettchen mit Sternanhänger, das ich zufällig in einem der zahlreichen Geschäfte Londons gesehen hatte.
Ich dachte an die Gute-Nacht-Geschichten , die Dad mir und Lissy erzählt hatte, als wir klein waren.
Es ging um einen Captain Black und seinen Assistenten Sir Jamie, die zusammen im alten London unterwegs waren und jede Menge lustiger Abenteuer bestanden.
Ich dachte an meinen zehnten Geburtstag, als Moriarty eine Bombe im New Yorker Stadtzentrum versteckt hatte, die ich dann ganz allein fand und entschärfte.
Plötzlich hörte ich, wie jemand die Treppe hinunterlief, doch ich blieb liegen. Wahrscheinlich durfte ich sowieso nicht mit.

Susan:

Wieder eine Nacht in der blöden
U-Bahnstation. Ich zog mir meine Decke bis ans Kinn und dachte an früher. Ich dachte an die Zeit, als Sherlock Holmes noch hier lebte und mir immer wieder Aufträge erteilte. Durch Holmes' Obdachlosennetzwerk hatte ich mich nicht mehr so allein gefühlt. Doch er war schon seit fünfzehn Jahren tot und ich hatte jeden Glauben verloren, dass er doch noch am Leben war. Es machte mich traurig.
Plötzlich hörte ich Schritte. Ich stand schnell auf und versteckte mich hinter einer der Säulen. Niemand durfte wissen, dass ich hier war.
Da sagte eine sehr vertraute Stimme:
"Hallo, Susan." Verwundert sah ich auf. Konnte das überhaupt möglich sein? Ich verließ mein Versteck und sah ihn. Er hatte sich kaum verändert. Er saß einfach nur auf einer der Bänke und grinste mir zu.
Sherlock Holmes. "Oh mein Gott", sagte ich langsam. "Oh Gott, Mr. Holmes!" "Ich weiß, dass das Netzwerk nicht mehr existiert, aber würdest du mir trotzdem noch einmal helfen?", erwiderte er.
"Natürlich, Mr. Holmes." Warum sollte ich ihm denn nicht helfen wollen?! "Sehr gut. Dann kommen Sie mal mit..."
Er erzählte mir, was in den letzten fünfzehn Jahren passiert war und es klang mit jedem Wort, das er sprach, immer unglaublicher.
"Und ich und Jo sollen jetzt so tun, als wären wir die Eltern Ihres Sohnes ?", fragte ich nach, als er geendet hatte. "Ja. Eine andere Lösung gibt es nicht, es sei denn, wir würden das Land wieder verlassen." "Und das wollen Sie nicht, weil Hamish Lilly gern hat und Sie sie nicht so schnell wieder trennen willst. Das ist richtig süß von Ihnen." "Ich bin nicht süß, ich bin gerecht. Er hat in den letzten Jahren sehr viel auf sich genommen, um..." "Ah jetzt wird mir alles klar. Sie wollen etwas länger in Dr. Watsons Nähe sein, richtig?"
Sherlock seufzte nur noch. "Ich hasse England", sagte er nun äußerst ernst. "Ich hasse London und alles wofür die Stadt steht. Ich bin nur hierher gekommen, um Moriarty aufzuhalten und damit basta!"
Wir holten meinen Freund Jo ab und machten uns auf den Weg zur Northumberlandstreet.
Sherlock hatte nur wenig gesprochen, bis wir die Wohnung betraten. Sein Gesichtsausdruck wurde warm und väterlich, als er das das schlafende Mädchen sah, das auf dem Sofa lag. "Ist das etwa Ihre Tochter?", flüsterte Jo, so leise er konnte. Sherlock nickte. "Das ist Elisabeth." Er hob sie mit Leichtigkeit hoch und trug sie in eines der Zimmer. "Wie spät ist es eigentlich?", fragte ich, wobei ich mich nach einer Uhr umsah.
"Wir haben Viertel vor sechs", antwortete eine müde Stimme hinter mir. Ich fuhr herum und entdeckte einen Mann, der schlaftrunken an der Tür lehnte. "Wer ist das, Sherlock?", fragte er. "Hamish's Ersatzeltern."
" Seine was?" Der Mann starrte uns an. "Pff", machte er nur und ging in sein Zimmer zurück. "Wer war das denn?", fragte Jo und sah dem Mann hinterher. "Das ... war Alexander. Mein kleiner Bruder."
Wir sahen ihn erschrocken an.
"Das war Ihr Bruder?!"
"Ja, das war er. Ich werde die anderen erst in einer Stunde wecken. Bis dahin ... macht, was ihr wollt."
"Könnte ich..." "Ja, kannst dich duschen gehen. Da sind Handtücher unter dem Waschbecken."
Das hatte ich vermisst. Die Tatsache, dass er wusste, was jemand sagen wollte, bevor er es gesagt hatte. Ich hatte Sherlock Holmes wirklich gern.

Hamish :

Als ich ins Wohnzimmer kam, lehnten bereits zwei Menschen am Sofa. Ein Mann und eine Frau. An den dunklen Augenlidern und schmutzigen Fingernägeln erkannte ich, dass sie obdachlos waren.
Warum waren sie hier?
Und woher kannte Dad sie?
"Die beiden sollen meine Eltern sein?", fragte ich wenig später entsetzt. "Entweder das oder wir ziehen wieder fort", sagte Mum jetzt. Daraufhin blieb ich still.
Am nächsten Tag nach der Schule trafen wir noch ein paar letzte Vorbereitungen, wie , dass Jo alle meine Zeugnisse auswendig kannte, was ich eigentlich lächerlich fand, aber Dad bestand darauf. Während wir durch die Straßen liefen, sprach ich hauptsächlich mit Susan, die mir erzählte, dass sie früher auf die selbe Schule gegangen war. Dazu hatte ich keine Frage, die sie nicht beantworten konnte.
Als wir die Flure entlanggingen, kamen wir an einem etwas kleineren Mann mittleren Alters mit dunkelblonden Haaren vorbei. An seinen Gesichtszügen sah ich, dass er früher Soldat gewesen war.
Was er wohl hier machte.
Ich hatte keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, da wir nun das Büro des Direktors betraten.

Mycroft :

Ich saß schon auf einem der Stühle und blättere in einem Notizbuch herum, den Mr. Tersey mir gegeben hatte, als John hereinkam.
Warum war noch keiner einzigen Lehrerin auf dieser Schule aufgefallen, dass er schwul war? Alle hatten ihn schon einmal gefragt, ob er mit ihnen ausgehen wollte und er hatte sich immer irgendwas ausgedacht, um nicht aufzufliegen.
"Ich habe sie gerade im Flur gesehen. Sie müssten bereits dort sein."
"Sie sind bereits dort, John",erklärte ich genervt und zeigte auf einen der Bildschirme. Hamish und seine Eltern waren dort zu sehen, sowie der Direktor und ein Lehrer.
"Wie Sie sehen, ist kein Sherlock in diesem Raum. Es war alles umsonst. Könnten Sie jetzt bitte einsehen, dass ich recht hatte und er tot ist?", fragte ich, in der Hoffnung, dass er zustimmen würde und wir gehen könnten. "Ich will mir das bis zum Ende anhören", erwiderte er entschlossen. Ich ließ mich in den Stuhl zurücksinken und sah weiterhin desinteressiert auf die Kameraaufnachme.
Nach einer Dreiviertelstunde verließen sie das Büro wieder. John wirkte sehr enttäuscht, während ich triumphierend die Augenbrauen hochzog. "Ich sagte doch, dass es
nichts bringen würde, so lange uu warten." Ich stand ohne ein weiteres Wort auf und ging hinaus.
Draußen sah ich die Scotts, die gerade in ein Taxi stiegen. Mrs. Scott gab Hamish einen Kuss auf die Wange.
John hatte sich geirrt.
Als mein Wagen kam dachte ich darüber nach, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war.

Past and Future ~ Sherlock-FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt