Unter Beobachtung

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Lilly :

Ich wachte auf. Ich war wieder zu Hause. Selbes Land, selbe Stadt, selbe Schule und doch war alles anders. Denn ich wusste es jetzt. Ich wusste jetzt, warum meine Eltern immer so übertrieben hatten, wenn ich auch nur ein Mal zu spät nach Hause gekommen war. Ich wusste jetzt, wer Sherlock wirklich war. Ich wusste, dass London gerettet werden würde. Überglücklich stand ich auf und ging zur Schule. Die Fotos von Alex und Sherlock, die man, wenn man es nicht besser wüsste, für eine Vermisstenanzeige hätte halten können, waren inzwischen alle entfernt worden. Ich traf George wie jeden Morgen vor dem Schultor. Ich hatte, seit wir zurück waren, über nichts anderes mehr gesprochen als 'Die Nacht der Wahrheit' wie George sie nannte.
"Hi." Ich umarmte ihn. Wir gingen zusammen nach oben ins Klassenzimmer, doch ich konnte immer noch nicht aufhören zu lächeln.
"Guten Morgen, zusammen", grüßte Mr. Knight. "Ich hoffe,ihr habt euch gut erholt..."
Ich versuchte, ihm zuzuhören, schweifte mit meinen Gedanken aber immer wieder ab. Nun sah ich zu Rachel hinüber. Sie hatte mir vor Beginn der Schule noch einen giftigen Blick zugeworfen, der, so weit ich ihn deuten konnte, 'Ich mach dich fertig, Watson.' bedeutete. Anscheinend war ihr mein Lächeln aufgefallen.
"Lilly, was ist denn an diesem Fenster so interessant?", fragte Mr. Knight und riss mich Mr. Knight aus den Gedanken.
"Dass keine der Putzkräfte Lust hatte, über die Ferien hierher zu kommen und Sie extra noch einmal bei denen angerufen hatten, ohne Erfolg."
Die Klasse lachte und Mr. Knight wurde knallrot. Das war das erste Mal, dass ich die ganze Klasse zum Lachen gebracht hatte. Selbstzufrieden sah ich die Runde. So viel Zeit mit Hamish, Alex, Sherlock und Lissy zu verbringen, war wohl ziemlich hilfreich.
Während dem Rest des Unterrichts ließ unser Klassenlehrer mich weiterhin aus dem Fenster starren. Wahrscheinlich hatte er Angst, mir könnte auffallen, dass er heute verschlafen und keine Zeit mehr gehabt hatte, sich die Zähne zu putzen. Naja, jetzt war es mir aufgefallen. Auch Fernando kam in der zweiten Stunde und gesellte sich wieder zu uns. Er gab Mr. Knight auch eine Art Entschuldigung, welche dieser sich entsetzt durchlas und ihm dann mit weit aufgerissenen Augen deutete, er könne sich setzen.
"Was steht denn da drin?", fragten George und ich neugierig.
"Wenn ich das bloß wüsste. Sherlock hat es geschrieben." Das erklärte alles.
Die erste und die zweite Pause verbrachten wir mal wieder in der Bibliothek. Doch wir hatten heute bis halb vier Schule, was bedeutete, wir hatten auch eine einstündige Pause.
Die Bücherei war nur vormittags geöffnet, also beschlossen wir in die Pizzeria zu gehen, die sich direkt gegenüber der Schule befand.
Während wir so da saßen, Pizza aßen und so taten, als wäre die Schule schon zuende, sah ich kurz zum Fenster hinaus. Jetzt entdeckte ich eine Gestalt. Ich sah genauer hin. Es war ein großer, blonder Junge. Ich schnappte entsetzt nach Luft. Der Junge sah in meine Richtung. Falsch, er sah mich direkt an. Seine Augen, dunkler als jede anderen, die ich bisher gesehen hatte, durchdrangen mich förmlich. Der Junge blinzelte nicht einmal. Er machte ein völlig ausdruckloses Gesicht und beobachtete mich.
"Alles in Ordnung, Lilly? Was ist da?", fragten George und Fernando. Ich warf ihnen einen kurzen Blick zu, schaute dann aber sofort wieder zum Fenster. Dem blonden Jungen, er war so ungefähr in meinem Alter,flog der Hauch eines Lächelns übers Gesicht und er setzte sich in Bewegung. Er ging um die Ecke, ich verlor ihn aus den Augen.
"Ich muss wissen, wohin er geht."
Ich sprang auf und rannte aus dem Gebäude, Fernando und George dicht hinter mir. Ich bog in dieselbe Richtung ab. Es war eine Sackgasse. Seltsam. Ich war mir sicher, dass er da lang gegangen war, doch alles, was ich sah, waren ein paar Mülltonnen und ein paar alte Möbel.
Ich zog eine Augenbraue hoch.
"Was war denn los?", fragte Fernando.
"Du bist einfach aufgestanden und hinausgelaufen."
"Hast du den Jungen nicht gesehen?"
"Ne, welchen Jungen denn? Da war niemand."
"Doch, da stand ein blonder Junge und hat mich angesehen."
"Also ich hab keinen gesehen."
"Ich auch nicht."
Verwundert sah ich sie an.
Einige Stunden später, ich war bereits zu Hause gewesen und hatte alles Nötige erledigt, wollte ich spazieren gehen. Ich lief allein durch die Straßen, ohne Ziel, aber auch ohne Eile.
Warum hatte ich jemanden gesehen, den die anderen nicht gesehen hatten?
Hatte ich ihn mir nur eingebildet?
Ich kam an der 22 Northumberlandstreet vorbei... und erstarrte.
Da war der Junge schon wieder. Er stand einfach da, an einen Laternenpfahl gelehnt und sah mich an. Seine dunklen Augen, sie kamen mir irgendwie schwarz vor, ruhten auf mir.
"Hallo?", rief ich. Er reagierte nicht. Konnte er mich überhaupt hören?
Oder wurde ich, was ich bezweifelte, langsam verrückt?
"Hey!" Ich rannte auf ihn zu.
Er drehte sich nach rechts und verschwand in Angelos Lokal. Ich spurtete hinterher. Entweder, der Junge kannte Angelo und dadurch auch den Gang zur U-Bahn-Station oder er saß in der Falle und ich musste ihn einholen.
Ich betrat es. Das Lokal war gefüllt mit allen möglichen Leuten, doch niemand sah auch nur im Entferntesten so aus wie der, den ich suchte.
"Hallo, Watson", sagte plötzlich jemand hinter mir.

Past and Future ~ Sherlock-FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt