Der Countdown

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Stephen :

Die ganze Stadt war in Aufruhr. Seit niemand mehr London verlassen konnte, hatten fast alle in der Stadt panische Angst. Die Betonung lag auf fast.
Sowohl die Familie Watson als auch die Lestrades wussten über das Vorhaben von meinem Boss Bescheid. Sie blieben ganz ruhig und verhielten sich wie immer.
Mycroft Holmes hatte, so wie es aussah, keine Zeit, Angst zu haben. Seit dem selben Tag, seit dem man London nicht verlassen konnte, hatte man auch nicht mit Leuten außerhalb der Stadt telefonieren können.
Mein Boss hatte mir von dem Vorhaben seines Neffen erzählt, seitdem hatte ich nicht mehr mit ihm gesprochen. Er war mit seiner Familie in der Ukraine und leitete den Jungen. Aber wo Sherlock Holmes war, wusste ich nicht.
Während die Lage in der Stadt immer schlimmer wurde, schien Mycroft Tag und Nacht Löcher in die Wand zu starren. Er überlegte. Und dabei war die Lösung so leicht. Er müsste nur einen kleinen Gedanken an mich vergeuden, um zu erkennen, dass da etwas nicht stimmen konnte.
Ich war einfach ein paar Monate zuvor aufgetaucht und hatte gemeint, ich würde für ihn arbeiten. Alexander hatte gesagt, er würde es mir abkaufen und er hatte recht behalten. Entweder, Mycroft war damals nicht bei der Sache gewesen, oder er war dumm wie Brot. Er hatte mir einfach geglaubt. Oder machte ihm die Tatsache, dass er quasi für die Tode seiner beiden Brüder verantwortlich war, das Leben schwer? Wenn ja, ließ er sich jedoch nichts anmerken.
Heute war der erste Mai, also, so weit ich verstanden hatte, noch genau ein Monat bis zum großen Knall.
Vielen Menschen war gar nicht klar, dass wir noch einen Monat hatten, sodass die ganze Stadt wie ausgestorben war. Keiner verließ mehr das Haus, und wenn doch nur sehr kurz. Keine Schule, kein Geschäft, gar nichts war geöffnet. Nur ein paar Menschen aus Sherlock Holmes' ehemaligem Obdachlosennetzwerk waren ständig irgendwo auf den Straßen zu finden. Ich war auf dem Weg zu den Watsons. Das tat ich in letzter Zeit öfter, da Mycroft mich nicht wirklich in seiner Nähe haben wollte. Ich klingelte. Hamish öffnete die Tür. Er war es, seit er begriffen hatte, dass auch Mycroft nicht mehr nach draußen ging, leid gewesen den ganzen Tag umherzuziehen und war bei ihnen eingezogen.
"Hi." Wir gingen ins Wohnzimmer. Dort saßen die anderen und sahen einen Film. Alles, was mit Strom versorgt werden musste, funktionierte noch, nur keine Anrufe an außerhalb. Und auch die britischen Sender, die in London gesendet wurden, gab es nicht mehr.
Plötzlich flackerte der Bildschirm. Dann wurde er ganz weiß und eine Nachricht stand darauf :

Guten Tag allerseits.
Für alle, die es noch immer nicht gerafft haben : Ihr habt noch genau einen Monat, dann fliegt hier alles in die Luft. Und nun für die Allerdämlichsten unter euch:
31:02:45:15.
Viel Spaß noch beim Leben.

" Einunddreißig Tage, zwei Stunden, fünfundvierzig Minuten und fünfzehn Sekunden, dann werden wir alle sterben", sagte Hamish. Dr. Watson, dessen Stimmung sowieso auf dem absoluten Tiefpunkt war, ballte die Hände zu Fäusten. "Das Einzige, was jetzt noch fehlt, ist..." Weiter kam er nicht. Laute Ensetzensschreie waren aus den Nachbarhäusern zu hören.
"Genau das. Schlimmer kann es jetzt nicht mehr kommen", beendete Mrs. Watson seinen Satz.
"Wir werden genau am ersten Juni um 16:07:08 Uhr alle sterben", merkte Hamish an.
"Danke Holmes , jetzt fühlen wir uns alle viel besser."

Alex :

Das gehörte nicht zum Plan. Ich wusste nicht, wo mein Bruder war. Da war etwas schief gelaufen. Sherlock hätte mit mir in Kontakt bleiben müssen. Ich wählte jetzt schon zum neunundsechzigten Mal seine Nummer, ja ich hatte mitgezählt, und wartete. Auf einmal ging mein Computer an. Der Countdown, den Sherlock mir vorausgesagt hatte, erschien auf dem Bildschirm. Aber wo zum Teufel war er. Ich konnte keinen Kontakt zu Hamish aufnehmen, aber mein Bruder hätte zu jeder erreichbar sein müssen. Was war geschehen?
Ich sah ins Wohnzimmer. Molly, Irene Lucy und Lissy saßen glücklich und zufrieden nebeneinander und sahen fern. Sollte ich es ihnen erzählen?
Nein. Ich würde ihnen nur unnötige Sorgen machen. Sherlock war schon oft gestorben und immer wieder zurückgekommen. So würde es auch dieses Mal sein. Ich war mir sicher.
Ein Geräusch ertönte, bei dem mir zuerst kurz das Herz stehen blieb.
Jemand hatte abgenommen.
"Hallo? Wer ist da?"
"Hallo?" Eine Frauenstimme.
"Entschuldigung, das Handy lag auf dem Boden. Ich dachte,... keine Ahnung. Ich habe es einfach aufgehoben."
Mein Herz raste.
"Wo sind Sie gerade? Wo haben Sie das Handy gefunden?"
"Ich? Ich stehe hier auf der Zeil. In Deutschland. Frankfurt. Wieso, wo sind Sie denn?"
Entsetzt legte ich auf und fiel rückwärts aufs Bett. Was sollte ich jetzt tun? Ich musste es den anderen sagen. Ich stand schon auf, als die Frau zurückrief. Einen Moment lang dachte ich daran, einfach aufzulegen, entschied mich dann aber anders.
"Verzeihen Sie, ich hab furchtbar viel zu tun und..."
"Das ist der Mann. Ich gebe weiter", sagte die Frau und bevor ich etwas unternehmen konnte, sprach ich mit einem Polizisten.
"Sie sind der Mann, der dieses Mobiltelefon angerufen hat?"
"Ja." Ich versuchte ruhig zu bleiben.
"Hören Sie, wir vermuten, dass der, den Sie anrufen wollten tot ist. Hier fand vor wenigen Stunden ein Massenmord statt. Achtzehn Tote. Es tut mir sehr leid."
"Wo hat Ihre Kollegin das Ding gefunden?"
"In der Hand einer der Opfer. Dunkelbraune, fast schwarze Locken und blaue Augen. Ist das ihr Freund?"
"Nein." Meine Stimme bebte. "Das darf einfach nicht wahr sein."
"Es tut mir leid, Sir, aber..."
Mehr hörte ich nicht. Das Handy fiel zu Boden. Was sollte ich jetzt tun? Falls Sherlock noch am Leben war, konnte ich unmöglich zu ihm. Ich musste hier bleiben, sonst würde ich den Plan gefährden. Sollte ich annehmen, dass mein Bruder tot war? Bei dem Gedanken wurde mir kotzübel. Ich musste es den anderen sagen.

Past and Future ~ Sherlock-FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt